Skyrock
t. Sgeyerog :DDDDD
- Registriert
- 10. September 2003
- Beiträge
- 13.448
Nein, das wird nicht wieder ein "Wäh, ich verliere 50 Punkte Karmapool und 2 Punkte Pistolen von meinem seit '97 gespielten Charakter, außerdem ist das Move-by-wire nicht im GRW drin und der Weggang vom 80er-Stil ist voll doof"-Geplärre, wie es um das Erscheinen von SR4 herum oft genug im Netz zu lesen war. Ich versuche ganz sachlich und so objektiv wie möglich daran zu gehen.
Insbesondere versuche ich solche Geschmackssachen wie den fixierten Mindestwurf zu umgehen. Auch um die viel lamentierte Settingaktualisierung mache ich einen Bogen. (Teilweise finde ich sie gut, teilweise habe ich auch den Eindruck dass es SR zu sehr in den Postcyberpunkeinheitsbrei schiebt.)
Für mich war SR immer ein [wiki]Abenteuerrollenspiel[/wiki] - taktisch geprägt, auf Spielerleistung bei Problemlösung fokussiert und wettbewerbsorientiert. Und gerade in diesem Bereich stellt mich SR4 unzufrieden.
Auffällig ist da erst einmal der Wegfall der Pools und damit eines sehr markanten Ressourcenmanagementelemente in Shadowrun. Früher hatte man es in der Hand ob man auf volle Offensive setzt und darum betet dass der Gegner nach diesem Angriff nicht mehr zurückschlagen kann, ob man den ganzen Kampfpool in die Verteidigung steckt und nur unverstärkte Schüsse abgibt, ob man einen Zwischenkurs fährt - all das gibt es nicht mehr.
Störender ist da der Umgang mit unsinnigen alten Regeln (beispielhaft seien Traglast, Ausrüstungsgewichte und Tarnstufen genannt). Meine Hoffnung war es endlich funktionale, glaubwürdige Ergebnisse hervorbringende Regeln geben würde und dass die Tage der Pumpguns, die sich leichter verstecken lassen als eine leichte Pistole mit Laserzielhilfe, endlich gezählt wären. Regeln, die man knallhart anwenden kann und auf die man sich knallhart verlassen kann. Gab es das? Nada, stattdessen gibt es eine Tabelle mit groben Richtlinien und einen Appell an den GMV des SLs, und das an einem wichtigen Punkt von SR. Statt einer verlässlichen Wettbewerbsgrundlage gibt es halbfundiertes Handgewedel - nicht dass ich die Tarnstufenregeln in SR3 auch auf Handwedelbasis angewandt hätte, aber wenn ich für 35€ ein neues Regelwerk kaufe erwarte ich mehr als Kanonisierung meines Notbehelfs.
Generell nervt mich der storytellige Unterton - laufend wird an den GMV des SLs appelliert, laufend geht es nach Wunsch des SLs, und natürlich darf er die Regeln nach den Bedürfnissen der Geschichte anpassen. Da fragt man sich, warum man außer dem Würfelsystem auch noch das Mindset von Hellgrauer Hunds Flaggschiff klauen musste...
Da wären aus ARS-Sicht noch andere, kleinere Schwächen (etwa Hartholzharnische bei den Munitionssorten - vergleicht mal Flechette mit ExEx...), aber die oben genannten Punkte reichen schon um einen zu verstimmen.
Weg von ARS... Leistet SR4 wenigstens etwas für die Storytellingfraktion? Ist es endlich das gelobte gestreamlinete, schnelle System das die Ankündigungen versprochen haben?
Ich glaube nicht. Sicher hat man die barocken Sonderregelbereiche Computer und Fahrzeuge anständig ausgemistet, aber man hat andere barocke Elemente unangetastet gelassen. Der Kampfablauf braucht beispielsweise immer noch seine satten vier Würfe: Initiative, Angriff, Ausweichen, Schadenswiderstand. Zumindest bei letzteren beiden hätte man das RuneQuest-Relikt ohne Abstriche einmotten und zusammenlegen können.
An anderen Stellen hat man dafür neue Verkomplizierungen gefunden... Verwiesen sei auf die neue Essenzregelung in Bezug auf Bio- und Cyberware mit dem halbieren des kleineren Werts sowie auf Betäubungs- statt tödlichem Schaden bei zuviel Panzerung.
Und dann wäre da noch die Nummer Eins auf meiner Shitlist der Hartwurstregelungen, der erweiterte Wurf. SR1-3 haben es richtig gemacht: Uninteressante, zeitintensive Handlungen haben einen Grundzeitraum, der wird durch die Erfolge geteilt, und mit einem Wurf hat man die Sache abgehandelt und weiß, wie lange sie dauern wird - IMHO ein interessanter Weg um People (interessante Dinge die lange abgehandelt werden dürfen) und Furniture (uninteressanter Kram der übersprungen werden sollte) zu trennen. Mit den erweiterten Würfen wird alles zu People, egal ob man eine Wand hochklettert oder in der Downtime sein Deck repariert. Und es wird nicht einfach nur eine Würfelorgie - es wird eine langweilige Würfelorgie, denn Einflussmöglichkeiten gibt es nicht. Alles was einem bleibt ist das selbstausführende Programm des erweiterten Wurfs.
Generell wirkt der Punkt mit dem langweiligen, selbstausführenden Programm ziemlich kritisch auf mich in Bezug auf SR4. Ich bin noch nicht dazu gekommen es zu spielen (meine Spieler hatten es abgelehnt nachdem die Änderungen samt meiner Kritikpunkte vorgestellt habe), aber ich habe mal probehalber trockenschwimmen gemacht und solo mit Kampf, Matrixhack und Verfolgungsjagd typische People-Situationen durchgespielt. Das Ergebnis war ziemlich ernüchternd - zu wenig systeminhärente Einflussmöglichkeiten, zu wenig systeminhärente Taktik, während es auf der anderen Seite nach wie vor zu behäbig ist, um beim Erzähltrip eines begnadeten SLs etwas anderes darzustellen als Sand im Getriebe.
Ich will damit nicht sagen dass alle Änderungen schlecht sind - ich mag etwa dass endlich die barocken Computer- und Fahrzeugregeln eingestampft wurden, ich mag die abgemilderten Wundmali, und ich mag das Ende des Traditionenwirrwarrs im Magiesystem. Alles in allem machen die Verbesserungen aber die Verluste in meinen Augen nicht wett.
Wie sind eure Beobachtungen und Erfahrungen mit SR4? Ich bin insbesondere an Eindrücken aus dem tatsächlichen Spiel interessiert (das sich nie ganz mit Trockenschwimmen simulieren läßt), besonders mit konkreten Szenenbeispielen wie sich bestimmte Regeln förderlich oder hinderlich auswirken, aber das muss niemanden daran hindern seine theoretischen Eindrücke zu äußern.
Insbesondere versuche ich solche Geschmackssachen wie den fixierten Mindestwurf zu umgehen. Auch um die viel lamentierte Settingaktualisierung mache ich einen Bogen. (Teilweise finde ich sie gut, teilweise habe ich auch den Eindruck dass es SR zu sehr in den Postcyberpunkeinheitsbrei schiebt.)
Für mich war SR immer ein [wiki]Abenteuerrollenspiel[/wiki] - taktisch geprägt, auf Spielerleistung bei Problemlösung fokussiert und wettbewerbsorientiert. Und gerade in diesem Bereich stellt mich SR4 unzufrieden.
Auffällig ist da erst einmal der Wegfall der Pools und damit eines sehr markanten Ressourcenmanagementelemente in Shadowrun. Früher hatte man es in der Hand ob man auf volle Offensive setzt und darum betet dass der Gegner nach diesem Angriff nicht mehr zurückschlagen kann, ob man den ganzen Kampfpool in die Verteidigung steckt und nur unverstärkte Schüsse abgibt, ob man einen Zwischenkurs fährt - all das gibt es nicht mehr.
Störender ist da der Umgang mit unsinnigen alten Regeln (beispielhaft seien Traglast, Ausrüstungsgewichte und Tarnstufen genannt). Meine Hoffnung war es endlich funktionale, glaubwürdige Ergebnisse hervorbringende Regeln geben würde und dass die Tage der Pumpguns, die sich leichter verstecken lassen als eine leichte Pistole mit Laserzielhilfe, endlich gezählt wären. Regeln, die man knallhart anwenden kann und auf die man sich knallhart verlassen kann. Gab es das? Nada, stattdessen gibt es eine Tabelle mit groben Richtlinien und einen Appell an den GMV des SLs, und das an einem wichtigen Punkt von SR. Statt einer verlässlichen Wettbewerbsgrundlage gibt es halbfundiertes Handgewedel - nicht dass ich die Tarnstufenregeln in SR3 auch auf Handwedelbasis angewandt hätte, aber wenn ich für 35€ ein neues Regelwerk kaufe erwarte ich mehr als Kanonisierung meines Notbehelfs.
Generell nervt mich der storytellige Unterton - laufend wird an den GMV des SLs appelliert, laufend geht es nach Wunsch des SLs, und natürlich darf er die Regeln nach den Bedürfnissen der Geschichte anpassen. Da fragt man sich, warum man außer dem Würfelsystem auch noch das Mindset von Hellgrauer Hunds Flaggschiff klauen musste...
Da wären aus ARS-Sicht noch andere, kleinere Schwächen (etwa Hartholzharnische bei den Munitionssorten - vergleicht mal Flechette mit ExEx...), aber die oben genannten Punkte reichen schon um einen zu verstimmen.
Weg von ARS... Leistet SR4 wenigstens etwas für die Storytellingfraktion? Ist es endlich das gelobte gestreamlinete, schnelle System das die Ankündigungen versprochen haben?
Ich glaube nicht. Sicher hat man die barocken Sonderregelbereiche Computer und Fahrzeuge anständig ausgemistet, aber man hat andere barocke Elemente unangetastet gelassen. Der Kampfablauf braucht beispielsweise immer noch seine satten vier Würfe: Initiative, Angriff, Ausweichen, Schadenswiderstand. Zumindest bei letzteren beiden hätte man das RuneQuest-Relikt ohne Abstriche einmotten und zusammenlegen können.
An anderen Stellen hat man dafür neue Verkomplizierungen gefunden... Verwiesen sei auf die neue Essenzregelung in Bezug auf Bio- und Cyberware mit dem halbieren des kleineren Werts sowie auf Betäubungs- statt tödlichem Schaden bei zuviel Panzerung.
Und dann wäre da noch die Nummer Eins auf meiner Shitlist der Hartwurstregelungen, der erweiterte Wurf. SR1-3 haben es richtig gemacht: Uninteressante, zeitintensive Handlungen haben einen Grundzeitraum, der wird durch die Erfolge geteilt, und mit einem Wurf hat man die Sache abgehandelt und weiß, wie lange sie dauern wird - IMHO ein interessanter Weg um People (interessante Dinge die lange abgehandelt werden dürfen) und Furniture (uninteressanter Kram der übersprungen werden sollte) zu trennen. Mit den erweiterten Würfen wird alles zu People, egal ob man eine Wand hochklettert oder in der Downtime sein Deck repariert. Und es wird nicht einfach nur eine Würfelorgie - es wird eine langweilige Würfelorgie, denn Einflussmöglichkeiten gibt es nicht. Alles was einem bleibt ist das selbstausführende Programm des erweiterten Wurfs.
Generell wirkt der Punkt mit dem langweiligen, selbstausführenden Programm ziemlich kritisch auf mich in Bezug auf SR4. Ich bin noch nicht dazu gekommen es zu spielen (meine Spieler hatten es abgelehnt nachdem die Änderungen samt meiner Kritikpunkte vorgestellt habe), aber ich habe mal probehalber trockenschwimmen gemacht und solo mit Kampf, Matrixhack und Verfolgungsjagd typische People-Situationen durchgespielt. Das Ergebnis war ziemlich ernüchternd - zu wenig systeminhärente Einflussmöglichkeiten, zu wenig systeminhärente Taktik, während es auf der anderen Seite nach wie vor zu behäbig ist, um beim Erzähltrip eines begnadeten SLs etwas anderes darzustellen als Sand im Getriebe.
Ich will damit nicht sagen dass alle Änderungen schlecht sind - ich mag etwa dass endlich die barocken Computer- und Fahrzeugregeln eingestampft wurden, ich mag die abgemilderten Wundmali, und ich mag das Ende des Traditionenwirrwarrs im Magiesystem. Alles in allem machen die Verbesserungen aber die Verluste in meinen Augen nicht wett.
Wie sind eure Beobachtungen und Erfahrungen mit SR4? Ich bin insbesondere an Eindrücken aus dem tatsächlichen Spiel interessiert (das sich nie ganz mit Trockenschwimmen simulieren läßt), besonders mit konkreten Szenenbeispielen wie sich bestimmte Regeln förderlich oder hinderlich auswirken, aber das muss niemanden daran hindern seine theoretischen Eindrücke zu äußern.