Morticcia
Addams
- Registriert
- 11. Mai 2006
- Beiträge
- 2.184
13.06.1998
Ein ganz normaler Samstag in den späten Neunzigern.
Es war fast Sommer und auch wenn es noch immer ungewöhnlich warm war, so bildete sich doch endlich eine immer dichter werdende Wolkendecke über der schon seit Tagen hoffnungslos überhitzten Hansestadt. Jenny öffnete das Fenster ihrer kleinen Dachgeschoßwohnung und hoffte auf die Art wenigstens etwas frische Luft in die Zimmer zu bekommen. Doch draußen ging kein einziges Lüftchen und so blieb die unerträglich schwüle Luft unverändert feucht zwischen den Möbeln hängen.
Unbeeindruckt von derartigen Nebensächlichkeiten lehnte sich die junge Frau kurz aus dem schmalen Fenster und genoss die letzten warmen Sonnenstrahlen auf ihrer Nase. Langsam verschwand der rotglühende Ball hinter dem Horizont. Es würde schon bald ein heftiges Gewitter geben, sie hatten so etwas im Radio gesagt, aber noch war es nicht so weit.
Aus den Boxen hinter ihr dröhnte lautstark Metallicas neustes Werk Reloaded, sie hatte den Silberling eben erst eingelegt, und der Spieler wechselte grade von Fuel zu The Memory Remains. Der olle Hetfield röhrte also die ersten Worte ins Mikro und genau jetzt in dieser Sekunde war das Leben schön.
Immerhin war heute ihr achtundzwanzigster Geburtstag, Thomas würde gleich aus dem Studio kommen und nach einer kleinen Geburtstagsextrarunde in den Laken würden sie zusammen aufbrechen um sich mit ihrem Mann in Sankt Paulis berühmten Kiez Kneipen ganz ordentlich einen hinter die Binde zu kippen.
Fortune, fame
Mirror, vain
Gone insane
But the memory remains
Heavy rings on fingers wave
Another star denies the grave
See the nowhere crowd cry the nowhere tears of honor
Like the twisted vines that grow
That hide and swallow mansions whole
And dim the light of an already faded prima donna…
Gut gelaunt stieß sich Jenny von der Fensterbank ab und tanzte zu den Takten der Melodie in die Küche um sich eine Tasse Kaffee zu holen. Sie hatte das kleine Schwarze bereits angezogen und als sie durch den Flur zurück ins Wohnzimmer ging, fiel ihr Blick zufrieden auf den großen Spiegel neben der Garderobe.
Sie ging auf die Dreißig zu, aber noch hatte sie einen vollkommen perfekten Körper. Und das obwohl sie sich eigentlich nicht mal große Mühe mit ihm gab. Sicher sie joggte mehr oder weniger regelmäßig und bewegte sich auch sonst gerne und viel. Zu behaupten sie würde sich für ihre Figur aber abmühen, oder gar schinden war sicherlich schamlos übertrieben.
Na ja sie aß halt nicht sehr oft. Ihre Leidenschaft galt dem Rauchen verschiedenster Dinge und dem Alkohol. Das war nicht vernünftig, dass wusste sie selber, aber Scheiße sie war jung und ungehemmt. Der Ernst des Lebens würde noch früh genug über ihr zusammenbrechen, also warum sich jetzt nen Kopf darüber machen? Jetzt wo alles so perfekt zu laufen schien.
Zusammen mit Tom hatte sie Ink & Pain gegründet, ihren ersten eigenen Laden und er lief zu ihrer beider Erstaunen verdammt gut. Nie zuvor hatten beide mehr Geld besessen. Als Friseuse hatte sie achthundert Mark netto im Monat nach Hause gebracht, heute war es fast das Vierfache. Und das mit einem Job der Jenny wirkliche Freude bereitete. Nicht allein auch deshalb weil sie verdammt gut war, so gut, dass ihr Mann sich mittlerweile alleine aufs Piercen beschränkte und das Stechen alleine seiner Frau überließ. Meistens zumindest, denn es gab immer noch ein paar Machowichser die sich von einer Frau nicht in die Haut ritzen lassen wollten.
Leider waren es eben diese Typen, meistens geifernde Nazipenner, die das meiste Geld einbrachten. Ein Landser in beinahe Lebensgröße als Rückenmotiv brachte schnell mal einen Tausender extra in die dankbare Familienkasse.
Das Telefon klingelte und Jenny suchte nach dem riesigen schwarzen Ding das sich langsam unter der Bezeichnung Handy in den Köpfen der Bevölkerung festsetzte. Schrecklich wenn man immer und überall erreichbar war. Schrecklich auch der nervtötend sonore Klingelton. Mit etwas Glück würde sich der Scheiß nicht wirklich durchsetzen. Wenn die erste Begeisterung abgeklungen war würden die Menschen erkennen, das das normale Haustelefon vollkommen ausreichte! Mal abgesehen davon, dass diese riesigen Dinger kaum in die Handtasche passten.
Kaum war sie drangegangen, erklang der angenehme Tenor ihres Ehemannes.
„Hey Babe, ich bin’s Tom! Hör mal ich hab hier noch nen Kunden sitzen der sich nen Prinz Albert verpassen lassen will. Scheint ihm voll wichtig zu sein und er zahlt gut!“
Jenny nickte, also nichts Wildes. In einer Stunde würde er nachkommen, spätestens.
„Ok Honey! Ich mach mich dann jetzt auf den Weg, wir sehen uns bei Barney, ja? Steve und Kathi kommen ja auch gleich dorthin, also bis dann…. Lieb dich, verpasst nen heißen Quickie Schatz!“
Sie kicherte leise als sie sein enttäuschtes Stöhnen am anderen Ende der Leitung vernahm.
Ziel, Schuss, Treffer, Versenkt!
„Das haste davon Kapitalistenarsch! Bye!“
Lachend legte sie auf als auch er sich verabschiedet hatte und verdrehte die Augen als er ihr den gewohnten Kuss durch Telefon schmatzte. Sie hasste es wenn er das tat und sie wusste das er es genau deswegen auch nicht lassen konnte.
Schnell schaltete sie noch die Anlage aus, griff dann die schwere Lederjacke und verschwand nach draußen in die kommende Nacht. Was sollte sie noch lange zuhause rumsitzen wenn der einzige Grund dafür noch eine halbe Ewigkeit auf sich warten lassen würde?
Hallo Hamburg!
Jenny Färber kommt und läßt es heute Nacht krachen, komm doch her und mach mit!
Sie lachte vergnügt, es könnte die beste Nacht ihres ganzen Lebens werden.
Ein ganz normaler Samstag in den späten Neunzigern.
Es war fast Sommer und auch wenn es noch immer ungewöhnlich warm war, so bildete sich doch endlich eine immer dichter werdende Wolkendecke über der schon seit Tagen hoffnungslos überhitzten Hansestadt. Jenny öffnete das Fenster ihrer kleinen Dachgeschoßwohnung und hoffte auf die Art wenigstens etwas frische Luft in die Zimmer zu bekommen. Doch draußen ging kein einziges Lüftchen und so blieb die unerträglich schwüle Luft unverändert feucht zwischen den Möbeln hängen.
Unbeeindruckt von derartigen Nebensächlichkeiten lehnte sich die junge Frau kurz aus dem schmalen Fenster und genoss die letzten warmen Sonnenstrahlen auf ihrer Nase. Langsam verschwand der rotglühende Ball hinter dem Horizont. Es würde schon bald ein heftiges Gewitter geben, sie hatten so etwas im Radio gesagt, aber noch war es nicht so weit.
Aus den Boxen hinter ihr dröhnte lautstark Metallicas neustes Werk Reloaded, sie hatte den Silberling eben erst eingelegt, und der Spieler wechselte grade von Fuel zu The Memory Remains. Der olle Hetfield röhrte also die ersten Worte ins Mikro und genau jetzt in dieser Sekunde war das Leben schön.
Immerhin war heute ihr achtundzwanzigster Geburtstag, Thomas würde gleich aus dem Studio kommen und nach einer kleinen Geburtstagsextrarunde in den Laken würden sie zusammen aufbrechen um sich mit ihrem Mann in Sankt Paulis berühmten Kiez Kneipen ganz ordentlich einen hinter die Binde zu kippen.
Fortune, fame
Mirror, vain
Gone insane
But the memory remains
Heavy rings on fingers wave
Another star denies the grave
See the nowhere crowd cry the nowhere tears of honor
Like the twisted vines that grow
That hide and swallow mansions whole
And dim the light of an already faded prima donna…
Gut gelaunt stieß sich Jenny von der Fensterbank ab und tanzte zu den Takten der Melodie in die Küche um sich eine Tasse Kaffee zu holen. Sie hatte das kleine Schwarze bereits angezogen und als sie durch den Flur zurück ins Wohnzimmer ging, fiel ihr Blick zufrieden auf den großen Spiegel neben der Garderobe.
Sie ging auf die Dreißig zu, aber noch hatte sie einen vollkommen perfekten Körper. Und das obwohl sie sich eigentlich nicht mal große Mühe mit ihm gab. Sicher sie joggte mehr oder weniger regelmäßig und bewegte sich auch sonst gerne und viel. Zu behaupten sie würde sich für ihre Figur aber abmühen, oder gar schinden war sicherlich schamlos übertrieben.
Na ja sie aß halt nicht sehr oft. Ihre Leidenschaft galt dem Rauchen verschiedenster Dinge und dem Alkohol. Das war nicht vernünftig, dass wusste sie selber, aber Scheiße sie war jung und ungehemmt. Der Ernst des Lebens würde noch früh genug über ihr zusammenbrechen, also warum sich jetzt nen Kopf darüber machen? Jetzt wo alles so perfekt zu laufen schien.
Zusammen mit Tom hatte sie Ink & Pain gegründet, ihren ersten eigenen Laden und er lief zu ihrer beider Erstaunen verdammt gut. Nie zuvor hatten beide mehr Geld besessen. Als Friseuse hatte sie achthundert Mark netto im Monat nach Hause gebracht, heute war es fast das Vierfache. Und das mit einem Job der Jenny wirkliche Freude bereitete. Nicht allein auch deshalb weil sie verdammt gut war, so gut, dass ihr Mann sich mittlerweile alleine aufs Piercen beschränkte und das Stechen alleine seiner Frau überließ. Meistens zumindest, denn es gab immer noch ein paar Machowichser die sich von einer Frau nicht in die Haut ritzen lassen wollten.
Leider waren es eben diese Typen, meistens geifernde Nazipenner, die das meiste Geld einbrachten. Ein Landser in beinahe Lebensgröße als Rückenmotiv brachte schnell mal einen Tausender extra in die dankbare Familienkasse.
Das Telefon klingelte und Jenny suchte nach dem riesigen schwarzen Ding das sich langsam unter der Bezeichnung Handy in den Köpfen der Bevölkerung festsetzte. Schrecklich wenn man immer und überall erreichbar war. Schrecklich auch der nervtötend sonore Klingelton. Mit etwas Glück würde sich der Scheiß nicht wirklich durchsetzen. Wenn die erste Begeisterung abgeklungen war würden die Menschen erkennen, das das normale Haustelefon vollkommen ausreichte! Mal abgesehen davon, dass diese riesigen Dinger kaum in die Handtasche passten.
Kaum war sie drangegangen, erklang der angenehme Tenor ihres Ehemannes.
„Hey Babe, ich bin’s Tom! Hör mal ich hab hier noch nen Kunden sitzen der sich nen Prinz Albert verpassen lassen will. Scheint ihm voll wichtig zu sein und er zahlt gut!“
Jenny nickte, also nichts Wildes. In einer Stunde würde er nachkommen, spätestens.
„Ok Honey! Ich mach mich dann jetzt auf den Weg, wir sehen uns bei Barney, ja? Steve und Kathi kommen ja auch gleich dorthin, also bis dann…. Lieb dich, verpasst nen heißen Quickie Schatz!“
Sie kicherte leise als sie sein enttäuschtes Stöhnen am anderen Ende der Leitung vernahm.
Ziel, Schuss, Treffer, Versenkt!
„Das haste davon Kapitalistenarsch! Bye!“
Lachend legte sie auf als auch er sich verabschiedet hatte und verdrehte die Augen als er ihr den gewohnten Kuss durch Telefon schmatzte. Sie hasste es wenn er das tat und sie wusste das er es genau deswegen auch nicht lassen konnte.
Schnell schaltete sie noch die Anlage aus, griff dann die schwere Lederjacke und verschwand nach draußen in die kommende Nacht. Was sollte sie noch lange zuhause rumsitzen wenn der einzige Grund dafür noch eine halbe Ewigkeit auf sich warten lassen würde?
Hallo Hamburg!
Jenny Färber kommt und läßt es heute Nacht krachen, komm doch her und mach mit!
Sie lachte vergnügt, es könnte die beste Nacht ihres ganzen Lebens werden.