AW: Wie tot ist SLA Industries im Moment?
Ich sehe jedoch nicht, wie man SLA Industries einer breiteren Interessentenschaft schmackhaft machen kann. Es hat eben einige "unverdauliche" Elemente, die nicht so recht in der Breite ziehen werden.
Welche Elemente sind das deiner Meinung nach?
Die hier beschriebenen:
http://www.blutschwerter.de/f82-sla-industries/t2145-einfuehrung-sla-industries.html
Im gesamten "Flavor-Text" der Kurzeinführung ist Material drin, was manch einer (u.a. ICH) für "unverdaulich" hält - vor allem, wenn es die SCs als AKTIV AUSFÜHRENDE dieser "Unverdaulichkeiten" betrifft. - Ich kann sagen: Ich will so etwas nicht spielen ... und das wollen auch eine ganze Menge anderer Rollenspieler nicht.
Zudem kommt die heutige Zeit daher und pfuscht in die Rezeption der vielleicht damals eher noch als "cool" und "krass" geltenden Setting-Elemente rein:
Technolgie, Biotech, Magie und fremde Rassen laufen Amok in einer Welt in der es nur zwei Arten von Menschen gibt die Reichen & Berühmten und die ewigen Verlierer. Wie viel ist ein Mensch bereit zu tun um zur ersten Gruppe zu gehören?
DAS IST UNSERE WELT! (Minus Magie und fremden Rassen - aber nimm einfach statt dessen Esoterik, Sekten, und Überfremdung, dann paßt es wieder.)
Die soziale Schere ist weiter offen denn je. - Und verdammt viele LEIDEN heutzutage darunter! Auch die, denen es (noch) gut geht, weil sie nicht wissen, wie lange noch!
In solch einer Zeit der ständigen und ganz realen Drohung eines schweren sozialen Abstiegs in ein aus ideologischen Gründen mehr und mehr zerrüttetes und zerlöchertes Soziales "Netz", welches nur noch aus Löchern ohne Tragkraft besteht, ist die Attraktivität eines solchen fiktiven, überzeichneten Settings wie SLA deutlich geringer geworden.
Cyberpunkiges und soziale Dystopien kommen am Besten, wenn die Leute SATT sind und einen GRUND suchen "es sich mal wieder dreckig ergehen zu lassen" (aber bitteschön nur den Charakteren im Spiel!).
Geht es den Leuten beschissen, dann zieht die HEILSAME Idylle einer Fantasy-Welt, in der der Mut des Einzelnen noch etwas zählt, in der man HELD ist und nicht einfach nur ein weiteres namenloses Rädchen, das nicht beachtet wird - oder, wenn es nicht mehr rund läuft, auf den Schrott geworfen wird.
Die Pulp-Spiele-Renaissance kam ca. 2003 so langsam auf. Es wurden damals immer mehr Spiele, die "leichtherzigeres" Spiel statt "Tiefgang" oder Emo-Jammertälern geboten haben.
Die "Schluß mit Lustig"-Mentalität, die sich in NDE-Spielen und erst recht (weil englisch, daher krasser und brutaler als andere) in SLA und a/state und anderen Rollenspielen darstellte, stammt aus einer Zeit, wo die ALLTAGS-VERZWEIFLUNG noch nicht so brutal war.
In schlechten Zeiten ist mit Cyberpunk RPGs nicht wirklich Geld zu verdienen, denn Escapismus ist auch ein Verkaufsfaktor. Wer spielt Dark Future, wenn er die schon privat hat.
Das trifft m.E. den Kern.
Wenn eh schon der Alltag scheiße ist, dann braucht man das nicht auch noch ins Extrem aufgedreht im Rollenspiel. - Und SLA als Setting dreht die Regler auf Anschlag.
Der Menschenschlag, der in heutigen Zeiten solche Depri-Erlebnisse der eigenen Bedeutungslosigkeit im Spiel erleben will, dürfte eine deutliche Minderheit der Rollenspieler darstellen.
Eine Realität, die so unmenschlich wird, daß man ihrer GERNE entflieht, fördert nicht gerade das Bedürfnis nach dem Spielen von "kleinen namenlosen Rädchen, die unbarmherzig zerrieben werden von einer Konzernmaschine ohne Seele und ohne Gewissen".
Man schaue sich neben den frühen Pulp-Spielen mal die in letzter Zeit geradezu wie Pilze aus dem kreativen rollenspielerischen Nährboden schießenden Sword&Sorcery- und Sword&Planet-Spiele an.
Da sind noch RICHTIGE Männer und RICHTIGE Frauen dabei der Welt IHREN Stempel aufzudrücken. Der Einzelne ist es, der den Unterschied macht. Es ist die Tat des Einzelnen, des HELDEN, die ganze Sternenreiche erhalten oder zugrunde gehen lassen kann.
In Sword&Sorcery ist JEDER ein Mr. Slayer - nur seiner eigenen Moralvorstellung folgend. - Jedoch mit dem Unterschied, daß JEDER auch den SYMPATHIE-Anspruch hat. Jeder HELD ist, wenn auch brutal und rücksichtslos, so doch SYMPATHISCH. Es ist ein Kerl, wie Du und Ich, den es hier nackt und schutzlos auf den Mars mit seinen Aliens verschlagen hat, und der sich die schärfsten Weiber anlacht und sich nur kraft seiner inneren Aufrichtigkeit, seiner inneren UNZERSTÖRBARKEIT und seines WILLENS niemals aufzugeben in der Welt durchsetzt.
Diese Art Spiele sind aktuell immer beliebter und treffen ganz offensichtlich eher den Nerv der Zeit, als depressiv-hoffnungslose Industrie-Unmenschlichkeits-Settings.
ob durch einen äußeren Einfluss z.B. Retrowelle es wieder aufersteht. Letzteres sehe ich aber derzeit nicht.
"Die Retro-Welle" betrifft ja auch nur Spiele, die eben NICHT so herunterziehend, so hoffnungsloskeitsorientiert sind, sondern die OPTIMISTISCH sind. - Traveller: Entdecke neue Welten! Mache Deinen Weg in einem weiten Universum. - D&D-Retro-Klone: Sei einfach der beste Krieger, Magier, Priester, Dieb, der Du sein kannst. Such Dir Deinen Weg in dieser idyllischen Fantasy-Welt selbst, bewahre sie vor den ZWEIFELSFREI Bösen, werde zum Helden - Du hast IMMER eine FAIRE Chance!
SLA: Das persönlich zugängliche Universum ist ein GEFÄNGNIS. Und Du hast NIE eine Chance. Eine faire schon gleich garnicht. - Zumindest ist das MEIN Eindruck vom SLA-Setting.
Und das ist so ziemlich so "anti-retro", wie es nur gehen kann.
Die Frage, wie tot SLA Industries im Moment ist - also IM MOMENT (heute, in dieser Zeit der Depressionen) - kann man nur mit tot. Und zwar ganz. - Was sich noch an SLA zu bewegen scheint, das sind die unentwegten Würmer, die für scheinbare Bewegung sorgen, während sie sich vom Fleische des Kadavers ernähren.
Wenn sich die Zeiten ändern, wenn man niederschmetternde Hoffnungslosigkeit wieder besser erträgt, dann könnte man auch mal wieder SLA ausgraben und das Spiel dort als ABWECHSLUNG zum Alltag erleben. - Aktuell ist jedoch der Alltag für viele BITTER genug, so daß man gerne mal einen anderen Geschmack kosten möchte.