AW: Wie anstrengend dürfen die Fans für einen Verlag sein?
Wenn es um Verlage und deren Kunden geht, und Fans SIND Kunden(!), dann kann man hier eigentlich nur die Best Practices im Customer Relationship Management empfehlen.
Kundenbeziehungspflege betreibt der Bäcker mit seinen wiederkehrenden Kunden. Und wenn dann mal eine Brezel zu viel Lauge abbekommen hat, dann sagt man ihm das und er entschuldigt sich und gibt einem eine andere und der Kunde ist zufrieden und kauft weiterhin dort ein.
Verlage sind da in ähnlicher Position. Sie haben Produkte, die gekauft werden sollen. Die Kunden haben die Kaufkraft. Man kommt zueinander, wenn die Preisgestaltung und die Produktqualität für BEIDE Seiten gut genug sind, daß das Geschäft auf GEGENSEITIGKEIT zustande kommt.
Aber im Nischenmarkt der Pen&Paper-Rollenspiele sind Verlage noch mehr als in Massenmärkten auf die GUTE Beziehung zu den Kunden angewiesen. - Ob bei einem großen Taschenbuchverlag ein Leser/Kunde eine besondere Beziehung zum Verlag hat oder auch nur haben möchte, weiß ich nicht. Zu den Taschenbuchverlagen, von denen ich meine Fantasy- und Science-Fiction-Romane kaufe, habe ich keine merkliche Beziehung. Bei Verfügbarkeit von inhaltsidentischen Ausgaben entscheide ich sogar nur nach dem Preis.
Beim Rollenspiel ist das anders. Hier bietet man ja als Verlag nicht einfach nur ein Buch. Hier bietet man ein in Buchform dargereichtes "Betriebssystem" für Rollenspielrunden an. Samt zusätzlicher "Software" wie Abenteuern, Quellenbänden usw. und Zubehör wie Bennies, Miniaturen usw.
Daher ist die Beziehung zu Rollenspielverlagen eher vergleichbar mit der Beziehung zu IT-Herstellern. - Apple. Manche lieben Apple, manche hassen Apple, manche mögen Apple-Produkte, sind aber mit SCHLUDRIGKEITEN, die sich Apple erlaubt, höchst unzufrieden und reden darüber!
Auch Apple hat "unbequeme Fans".
Aber Apple geht damit einfach weniger "divenhaft" um, als dies vornehmlich deutsche (auch manche anglo-amerikanische) Verlags-PERSONEN tun.
Wer als MENSCH in einem Kleinverlag vor lauter Eitelkeit JEDE Kritik an Produkten, Produktpalette, Produktstrategie als PERSÖNLICHEN ANGRIFF versteht, der ist einfach nicht kritikfähig und längst nicht professionell genug, um einen Verlag unter den wirtschaftlichen Notwendigkeiten, die eben auch die Kundenbeziehungspflege darstellt, führen zu können.
Somit sind "unbequeme Fans" NICHT ein "Problem", sondern sie sind einfach eine CHANCE für den Verlag zu zeigen, wie kritikfähig er ist und wie professionell er Kundenbeziehungspflege zu betreiben in der Lage ist.
Daß so manche deutschen Verlage aktuell und in der Vergangenheit in dieser Hinsicht wirklich SCHWER VERSAGT haben, sollte man NIE vergessen! - Es gibt aber auch hierzulande Gegenbeispiele und somit kann man es nicht generell über einen Kamm scheren. - Die VERSAGER im Kundenbeziehungspflege-Bereich sind stets recht "individuell" geprägt. Parallelen finden sich vornehmlich in den Punkten Kritikunfähigkeit, Unwilligkeit die Kundenbasis anzusprechen, persönliche Eitelkeit, fehlende professionelle Distanz. Die individuellen Ausprägungen können hier aber durchaus unterschiedliche Schwerpunkte setzen.
Ganz krass auffällig wird eine mangelhafte Kundenbeziehungspflege natürlich, wenn man einen VERGLEICH anstellen kann.
Bei Engel gab es z.B. KEINEN anderen Verlag, der auch Engel-Produkte anbot. Daher war die Kunden-VERACHTUNG, mit der F&S angetreten ist, ausgesprochen einzigartig und ohne vergleich ein Absolutum an Tiefpunkt im deutschen Rollenspielverlags-Kundenbeziehungsmanagement.
Bei Savage Worlds hingegen GIBT es andere Verlage. Es gibt den Lizenzgeberverlag, es gibt viele Lizenznehmerverlage (auch in anderen europäischen Ländern), so daß man einfach nur dorthin schauen kann, um zu sehen, wie ein anderer Verlag, der DASSELBE Produktspektrum bewirtschaftet, mit seinen Kunden umgeht. - Und hier schneidet eben Prometheus Games im Vergleich mit Ramel in Polen, mit Triple Ace Games in UK, mit Reality Blurs oder Pinnacle in USA NICHT GUT ab.
Kann man Vergleiche ziehen, so WERDEN sie auch gezogen!
Darauf sollte sich JEDER Lizenznehmer einstellen!
Wer heute eine Lizenz eines US-Produkts eines US-Verlags erwirbt, um es auf Deutsch herauszubringen, der MUSS sich an der Meßlatte des US-Verlages für Kundenbeziehungspflege messen lassen. - Ist er dazu nicht bereit, oder sieht er nicht, daß er auch nur einen Teil des dort vorgelegten Stands an Kundenbeziehungspflege hinbekommen kann, dann MUSS er sich entscheiden: Läßt er das Lizenzvorhaben ganz sein, oder findet er Wege, wie er den hiesigen Kunden das bieten kann, was die Kunden dieses Produktspektrums üblicherweise an Pflege erwarten, ODER spielt er Teflon-Billy und jede Kritik, jede Anfrage, jede Äußerung der Kundenseite gleitet an ihm ab und er hofft sich, daß er trotz des Anschweigens der Kunden dennoch genug Produkte verkaufen kann, um das Ganze wirtschaftlich betreiben zu können.
Letzere "Lösung" ist hochriskant. - Für JEDEN enttäuschten, unzufriedenen, verprellten Kunden kaufen andere die Produkte NICHT. - Daher kann man sich solch einen Weg NUR in Massenmärkten, aber nicht im Pen&Paper-Nischenmarkt erlauben.
Somit ist die Entscheidung einfacher: Kann man bei einem Lizenzvorhaben WIRKLICH die Erwartungen der Kunden in puncto "Betriebssystem-Support" erfüllen, oder nicht. - Kann man es nicht, dann läßt man es besser bleiben.
Wie viele Anläufe hatte Cthulhu in Deutschland gebraucht, bis es sich mit der Pegasus-Ausgabe in einem Maße etablieren konnte, daß Produktqualität, Absatz UND SUPPORT, also Kundenbeziehungspflege stimmten? - Eben.
Manchmal ist es eben NICHT DER ERSTE Lizenznehmer einer gut verkaufbaren Produktpalette, der es so hinbekommt, daß es Bestand hat. Manchmal braucht es zwei oder drei Anläufe, bis es die RICHTIGEN Leute RICHTIG hinbekommen.
Daher ist es eine Frage des MARKTES.
Wer seine Kunden, die mit ihrer Kaufkraft "wedeln" und gerne mehr Produkte in der Qualität der bisherigen kaufen würden, nicht adressiert, der hat das Geld dieser Kunden offensichtlich nicht nötig. - UND ihm ist es EGAL, ob diese "Verhinderten Kunden" durch ihre Unzufriedenheit mit den Kundenbeziehungsmanagement auch andere "Noch-nicht-Kunden" vom Einkauf in die hiesigen Produktreihen abbringen.
Man bedenke gerade bei Lizenzprodukten: Der KUNDE hat immer die Entscheidung, ob er lange warten und dann die teuere deutsche Lizenzausgabe erwerben möchte, oder ob er auf die gesamte Fülle an Produkten im englischen Original zugreifen möchte UND den netten, freundlichen, kundenbeziehungspflegenden Support der englischen Verlage in Anspruch nehmen möchte.
Diese Entscheidung trifft KEIN noch so "unbequemer Fan" für einen anderen Kunden. Diese Entscheidung trifft der betreffende Kunde stets ALLEIN!
Wenn also der deutsche Verlag KEINEN Mehrwert oder gar noch nicht einmal einen GLEICHEN WERT wie das englische Original zu bieten hat, UND darüber hinaus auch noch mit einer unangenehmen Art der Kundenkommunikation auf Kritik reagiert, dann darf sich der deutsche Verlag nicht wundern, wenn er weniger absetzen kann, als er es könnte, wenn er als NETTER, UMGÄNGLICHER, ZUGÄNGLICHER, seine Fans WERTSCHÄTZENDER Verlag aufträte.
Kundenbeziehungspflege wirkt sich in ihrer Qualität DIREKT auf den Umsatz aus!