AW: Weltenrettung oder Kette von Ereignissen?
Muss eine Plot-Point-Kampagne immer gleich die Welt retten?
Nein. Machen auch nicht einmal die meisten der bereits erschienenen PP-Kampagnen. - Es geht dabei aber immer um einen WESENTLICHEN Konflikt im Setting. Nicht um "Kleinscheiß", sondern um etwas, wo die SPIELER/SCs es sind, die den Unterschied machen. Etwas, wo die SCs die GESCHICHTE der Welt schreiben!
Schleche PP-Kampagenen wie die in Shaintar z.B. sorgen durch Deprotagonisierung der SCs dafür, daß diese nur dabei, statt mitten drin sind. Das ist KEINE echte PP-Kampagne.
Aber selbst im für viele PP-Kampagnen tauglichen Necropolis-Setting, wo ja eigentlich mehr oder minder "gesichtslose" Armeen aufeinanderprallen, sind es die SCs und damit die SPIELER, die in der PP-Kampagne zur Rückeroberung von New Budapest die HAUPTROLLE spielen. Es sind durch die GESAMTE Kampagne IMMER und AUSSCHLIESSLICH die Aktionen der Spieler bzw. die Erfolge und Mißerfolge der SCs, die den Verlauf dieser Kampagne beeinflussen.
Das macht eine STARKE PP-Kampagne aus:
Entscheidungsfreiheit und BEDEUTSAMKEIT der Entscheidungen.
Beides muß gegeben sein.
Auch bei einer "Kampagne" zur Nachforschung nach dem Grund der Verstopfung von Bauer Alriks Lieblings-Kuh kann man Entscheidungen treffen. Aber diese sind noch nicht einmal von regionaler Bedeutung und KEINE noch so ausführliche und detailversessene aventurische Enzyklopädie wird die Magenverstimmung dieser Kuh als historisch bedeutsames Ereignis aufführen.
Eine PP-Kampagne muß NICHT ALLE Konflikte eines Settings lösen - ja, ich gehe sogar soweit, daß ich sage, sie DARF NICHT ALLE lösen, denn manchmal will man einfach in derselben Welt WEITERSPIELEN. Und das muß möglich sein!
Ich kenne einige 50 Fathoms Gruppen, wo man nach der eigentlichen PP-Kampagne einfach weitergespielt hat. Das Setting gibt das her, die Savage Tales geben das her, die Abenteuer-Generatoren geben das her. - In Caribdus gibt es so viele weitere Konflikte, die sich zu den notwendigen WELTBEWEGENDEN Bedeutungen auswachsen können, daß man sie entsprechend ins Zentrum einer eigenen Kampagne stellen kann.
Weltbewegend bedeutet nicht zwangsläufig "weltenrettend"! - Die Welt an sich, deren Fortbestand muß nicht einmal in Gefahr sein. Das Ausmaß der Konflikte für eine PP-Kampagne kann sehr unterschiedlich aussehen.
Es ist nur wichtig, daß diese Kampagne nicht UNWICHTIGEN KLEINKRAM behandelt, sondern eben innerhalb der Spielwelt BEDEUTSAME Dinge ins Zentrum setzt und die Welt BEWEGT.
Muss eine PPC sich immer an dem EINEN Konflikt eines Settings aufhängen?
Ein Setting, daß nur "den einen Konflikt" hat, ist meiner Ansicht nach nicht nur für eine PP-Kampagne ungeeignet, sondern auch noch langweilig.
Ungeeignet, weil ja eine PP-Kampagne an sich schon impliziert, daß man sich neben den Plot-Points IMMER auch mit anderen Konflikten und Konfliktherden im Setting auseinandersetzen muß. - KEINE PP-Kampagne läßt sich befriedigend spielen, wenn man NUR die Plot-Points herunterhetzt. Das Besondere ist ja gerade, daß der PP-Handlungsbogen von anderen gekreuzt wird, überdeckt wird, immer mal wieder hervor kommt, nie wirklich weg ist, auch wenn gerade die SCs was ganz anderes machen und was ganz anderes im Zentrum ihrer Aufmerksamkeit haben.
Wichtig ist auch: Plot-Points dürfen nicht einfach zu ignorieren sein! Jedenfalls nicht, wenn sich die SCs auf diese PP-Kampagne anfänglich eingelassen haben.
PP-Episoden (anders als Savage Tales) sind NICHT optional, möglicherweise gibt es alternative PPs, aber keine, die einem das Fortführen des HAUPT-Handlungsbogens zur Wahl stellen.
Das ist ein Punkt, weshalb PP-Kampagnen so schwierig zu erstellen sind, daß ich gerade bei der Vorlage z.B. von Dawn of Legends hier nichts Gutes erwarte (Shaintar hat ja schon schwer enttäuscht und Sundered Skies ist haarscharf am Grat entlang geschrammt.).
Savage Tales sind OPTIONAL. Nur DASS man Savage Tales zwischen den Plot-Points spielt, ist NICHT optional, sondern gehört zwingend zur Grundidee der PP-Kampagne dazu!
Und was wenn ein Setting mehr als einen Konflikt hat?
Dann hat es das Potential einen Haupthandlungsbogen (PP-Kampagne) und mehrere ggf. auch verbundene Handlungsbögen von Savage Tales zu tragen. - Erst dann würde ich mir überhaupt Gedanken machen hier eine PP-Kampagne anzusiedeln.
Ein One-Trick-Pony-Setting trägt eine Kampagne. Genau EINE. Das ist zuwenig für eine PP-Kampagne.
Oder reicht eine gute Story? Reicht es den Spielern eine Richtung aufzuzeigen und die Geschichte durch Ereignisse am Laufen zu halten?
Ein isoliertes Einzelabenteuer kann eine "gute Story" sein. Auch eine Reihe an 20 isolierten Einzelabenteuern können jedes für sich "gute Stories" sein. (So funktionieren ja viele Fernsehserien.) - Aber das ganze gibt noch keinen übergreifenden Handlungsbogen, der irgendwie nach Kampagne aussieht.
Somit: Für das Spielen reicht eine "gute Story" oder zwanzig. - Für eine PP-Kampagne AUF KEINEN FALL.
Nur EINE "gute Story" zu haben, die aber zum einen nicht so stark ist, daß sie auch bei Hineinmischen anderer Stories (Savage Tales) von selbst wieder nach vorne drängt, und die zum anderen auch nicht BEDEUTEND genug für die Spielwelt ist, daß man den Eindruck hat "Hier haben wir als Spieler dieser Spielwelt unseren Stempel aufgedrückt", das ist zu wenig. - Zumindest zu wenig für eine PP-Kampagne.
Daher ist es ja auch so SCHWER eine PP-Kampagne zu entwerfen.
Die Besonderheit der PP-Kampagne, der "unsinkbare" Handlungsbogen, ist eben etwas BESONDERES.
Im Fernsehen hat Babylon 5 das sehr gut vorgemacht. Es gibt jede Menge nicht oder nicht nur auf dem Haupthandlungsbogen angesiedelter Folgen um einzelne Aspekte des Settings darzustellen, einzelne weitere Konflikte erst einmal bekannt zu machen. Diese weiteren Konflikte kommen dann, wenn es um den Hauptkonflikt (nicht des Settings, sondern nur des gewählten PP-Kampagnen-Handlungsbogens) geht als KOMPLIKATIONEN zum Tragen. Sie sorgen für kollidierende Ziele bei den wichtigen Charakteren (vornehmlich den SCs!). Und diese weiteren Komplikationen entstehen in ihrer starken Wirkung nur, WEIL man sie in Savage Tales mal einen oder mehrere Spielsitzungen lang schon früher vorgestellt hat.
Savage Tales dienen zur Vertiefung der Kenntnisse des Settings, zum Einblick in die weiteren Konflikte und zum Vorbereiten von Komplikationen, die kommen können, oder auch nicht.
Der "unsinkbare" Handlungsbogen kann jedoch NIEMALS unter lauter Savage Tales untergehen, weil er sich MIT GEWALT immer wieder den SCs in den Weg schiebt.
Das ist besonders wichtig, weil so die SCs auch ständig an WIRKLICH BEDEUTSAME Themen des Settings herangeführt werden.
Der sich in den Weg schiebende Handlungsbogen der PP-Kampagne darf daher nicht einfach zu ignorieren sein. Es geht immer noch um Entscheidungsfreiheit der Spieler. Daher MUSS der PP-Handlungsbogen einen starken "Sog" ausüben, so daß die Spieler sich damit befassen WOLLEN.
Das macht PP-Kampagnen auch so schwierig.
Theoretisch kann man auch nur eine Kette von Konflikten bearbeiten, aber als Spieler finde ich es immer befriedigender einen großen Konflikt zu lösen.
Eben. Genau so ist es. - Kleinscheiß macht schon auch mal Spaß, aber das Gefühl, wenn man wirklich etwas RELEVANTES in der Spielwelt bewegt hat, ist eben schon noch eine Qualität für sich.
Mich würde eine Kampagne reitzen, in der die SC wirklich einen Unterschied machen und ggf. sich auf die Seite des Bösen(tm) schlagen können.
Das "ggf." dürfte wirklich SCHWER zu entwickeln sein.
Wenn sich die Spieler für die eine oder die andere Seite entscheiden können, und man danach letztlich zwei getrennte PP-Stränge verfolgen muß, dann bedeutet daß enorme Schwierigkeiten für den Entwickler der PP-Kampagne und "verschwendete" Seiten im Settingbuch.
Wahlfreiheit ist eine Sache, aber die grobe RICHTUNG umzukehren, bedeutet einfach die Kampagne zu verlassen. - Das steht einem egal ob PP-Kampagne oder andere Kauf-Kampagnen jedoch IMMER FREI. - Man kann JEDE Kampagne "anspielen" und dann vom vorgezeichneten Handlungsbogen der Kauf-Kampagne abweichen und NIE MEHR zurückfinden. - Eine PP-Kampagne sieht vor, daß man IMMER vom Handlungsbogen abweichen soll, aber auch, daß man FREIWILLIG wieder zurückfindet (gemeint ist: daß man auf den nächsten Plot-Point dann auch mit gutem In-Game-Grund wieder einsteigt, statt aus der PP-Kampagne auszusteigen).
Auch das macht eine PP-Kampagne so schwierig zu entwickeln.
@Zornhau: du willst ja normalerweise sofort losspielen können, ohne viel Zeit investieren zu müssen. Währe für dich eine PPK in der ggf. über 50% der PPs niemals gespielt werden (weil nicht gewählte Alternativen) den Aufwand wert?
Nein. Niemals!
Eine PP-Kampagne, in der so ein starke Anteil an "ungespielten" PLOT-POINTS(!) vorkommt, taugt nichts. - Da hat der Entwickler seine Arbeit schlecht gemacht!
Ungespielte Savage Tales sind ein anderes Thema. Diese stellen ein ANGEBOT dar. Einzelne kann man in die Kampagne einflechten, oder aber als One-Shots auf Cons spielen, oder einfach liegen lassen. - Die Plot-Points hingegen MUSS man spielen, wenn man den Haupthandlungsbogen und somit die BEDEUTSAMEN Spielweltänderungen erleben will.
Hierbei gibt es durchaus PP-Kampagnen mit Verzweigungen. Hier kann auch mal ein PP als Alternative zu einem anderen anstehen (sollte aber besser nicht!). Was nicht sein kann, ist ein PP, der einfach optional ist. Denn dann handelt es sich um eine Savage Tale.
Einfacher Test: Ändert sich der Handlungsbogen WESENTLICH, wenn ein PP herausfällt? Falls nein, ist es kein PP!
Unterschiede gibt es bei bestimmten Formen der PP-Kampagne. - So ist die Neu-Budapest-Feldzugs-PP-Kampagne so ausgelegt, daß es dort ein GEFLECHT an möglichen Plot-Points gibt. Man kann sogar den gleichen Plot-Point zweimal angehen. - Wie geht das? Das geht, weil es sich um eine besondere Form der Plot-Points handelt: Um militärische Missionen. Nimmt man die Bunkerstellung nicht beim ersten Mal ein, so kann man nach Neuformierung einer zweiten Angriffstruppe einen weiteren Versuch wagen. Effektiv ist das NICHT DERSELBE Plot-Point, weil die Leute (Gegner wie Verbündete) andere sind (nur die SCs sind dieselben, falls sie alle den mißlungenen ersten Angriff überlebt haben sollten). Es ist nur die gleiche Mission.
Die "normaleren" PP-Kampagnen haben KEINE solche Netz- oder Geflecht-Struktur. Sie spielen auch nicht in so knappem zeitlichen Rahmen wie die Weird-Wars-Necropolis-PP-Kampagne.
Gemeinsam haben aber alle PP-Kampagnen, daß man ihren Haupthandlungsbogen NICHT IGNORIEREN kann.
Bei Necropolis wird man einfach auf die nächste Mission kommandiert - das ist die einfachste Art, die aber nur im militärischen Rollenspiel so funktioniert - mit dem Nachteil, daß die einzelnen Savage Tales auch nicht wirklich "Neigungs-Abenteuer" einzelner SCs sind, sondern auch nur der Gruppe als Ganzes per Befehl verpaßt werden.
Savage Tales in normaleren PP-Kampagnen sind meiner Erfahrung nach stärker von den Neigungen und individuellen Zielen der einzelnen Charaktere bestimmt. (Wie in einer Fernsehserie eine Folge, die sich nur oder hauptsächlich mit einem oder wenigen der Hauptcharaktere befaßt.)
Eine PP-Kampagne, wo man die PPs in dem oben angegebenen Anteil nicht spielt, die taugt nichts.
Für 7000 Parsec kann ich Dir empfehlen mal einen Blick auf "The Traveller Adventure" zu werfen. Das ist eine der frühesten mir bekannten Plot-Point-Kampagnen. - Die Haupt-Szenarien darin, sind nicht zu ignorieren und haben starken "Sog" auf die SCs. Die Neben-Szenarien sind die Savage Tales. Und Abenteuer-Generatoren sind auch drin.
The Traveller Adventure hat schon vor 30 Jahren vorgemacht, wie eine PP-Kampagne aussehen muß.