Hm. Ich habe das Gefühl, ein großer Teil der Antworten hier dient irgendwie dazu, eine Diskussion, die in diesem Forum an unterschiedlichsten Stellen immer wieder aufflammt, weiterzuführen (die berüchtigte Frage, wie man "richtig" Rollenspiel macht, nämlich). Oh, und ich mag auch Schinken und Schafskäse.
Vielleicht lässt sich meine Frage auch tatsächlich nicht beantworten, ohne vorher festzulegen, welche Art des Rollenspiels man bevorzugt, auch wenn ich mir gehofft hätte, dass es da ein übergeordnetes, allgemeines Set an wünschenswerten Eigenschaften gäbe... Aber dann lese ich als Anwtort von The Fnord: "Er sollte fair sein. Sonst braucht es nichts zum Leiten. Fairness. Das wars: Punkt, aus, Ende. Alles weitere ist optional." ...und ich weiß, auf dieser Grundlage kommen wir nicht zusammen!
Dann muss ich eben eine einschränkende Voraussetzung anbringen: Ich will den Spielleiter NICHT abschaffen! Meine Frage bezieht sich auf Formen des Rollen- oder Erzählspiels, in denen die Funktion des Leiters (im Gegensatz zu der eines bloßen Schiedsrichters und Regelverwalters) ausdrücklich erwünscht ist, und nicht auf den Versuch, die Spielleitung so weit wie möglich zu automatisieren wie in einem MMORG. Unter einem Spielleiter stelle ich mir jemanden vor, der folgende Funktionen erfüllt:
1. Er entwickelt eigenständig einen gröberen oder engeren Handlungsrahmen. Dabei kann er auch auf vorgefertigte Szenarien zurückgreifen, und er kann den Spielern auch viel Freiraum geben, aber er muss eine Vorstellung haben, in welche Richtung sich die Handlung entwickeln soll. Das ist der hauptsächliche Beitrag des Spielleiters zum gemeinsamen Spiel, die grundlegende Art und Weise auf die er sich selbst und seine Kreativität in die Spielrunde einbringt.
2. Er bemüht sich aktiv darum, den Spielspaß sowohl für einzelne Spieler als auch für die Gruppe insgesamt zu maximieren. Dazu gehört insbesondere, den Spielern Freiräume für ihre eigene Kreativität zu bieten; sie zu fordern, aber nicht zu überfordern; und zu verhindern, dass das Spielgeschehen eine eigentlich von der Gruppe unerwünschte, aber nicht mehr aufzuhaltende Eigendynamik entwickelt.
Und weil ich mit diesen beiden Forderungen, die ich eigentlich für selbstverständlich halte, offenbar sowieso bereits so manchen verloren habe, nach dessen Vorstellungen ein Spielleiter keine eigenen Wünsche besitzt, wie sich die Handlung entwickeln sollte, in keiner Weise in den Verlauf des Geschehens eingreift und die Verantwortung dafür, dass es von den Spielern als unterhaltsam angesehen wird, vollständig an diese abtritt, kann ich auch gleich noch eine weitere Funktion postulieren:
3. Er leitet seine Runden in einem individuellen Stil (bzw. unterschiedliche Runden in unterschiedlichen individuellen Stilen), so dass Spieler bei einer Spielrunde im ABC-System beim Spielleiter XYZ nicht in erster Linie einfach nur den Gedanken haben, dass sie ABC spielen, sondern dass sie bei XYZ spielen. Aus meiner Spielerfahrung heraus zumindest kann ich an der Person eines Spielleiters weit besser festmachen, ob mir eine Runde gefallen wird, als am System / der Welt!
Wenn Ihr der Ansicht seid, dass ein Spielleiter diese Funktionen nicht erfüllen können muss oder auch nur erfüllen sollte, in Ordnung - darüber will ich hier nicht diskutieren. Mich interessiert hier nur, welche Qualifikationen Eurer Meinung nach ein Spielleiter besitzen sollte, WENN Ihr mit mir übereinstimmt, dass er sich auch tatsächlich aktiv als Leiter der Spielrunde betätigen sollte!
Es gibt viele Rollenspieler, die nur Spieler sind, weil sie sich die Spielleitung nicht zutrauen, und auch einige, die sie sich zwar zutrauen, aber einfach nicht gut darin sind. Ich habe keinen Zweifel daran, dass sowohl Spielen als auch Spielleiten im Rollenspiel gewisse Qualifikationen voraussetzt, und Spielleiten erheblich mehr als Spielen. Ich bin weiterhin der Auffassung, dass es ein Merkmal eines guten Spielleiters ist, dass seine Spielrunden auch mit weniger begabten Spielern unterhaltsam sind, und ein Merkmal eines schlechten Spielleiters, dass auch gute Rollenspieler seine Spielrunden nicht als unterhaltsam erleben.
Das Hobby Rollenspiel ist ein wenig wie Volleyball: Wenn die Beteiligten einfach zu schlecht darin sind, dann macht es keinen Spaß, weil die Spieler die meiste Zeit damit verbringen, herumzustehen oder ungeschickt weggeschlagene Bälle zurückzuholen. Gute Spieler können den einen oder anderen weniger begabten oder geübten Spieler zwar mitziehen (und im Rollenspiel fällt diese Rolle hauptsächlich dem Spielleiter zu), aber wenn keiner es so richtig kann, oder wenn das Gefälle zwischen den Spielern zu groß ist, dann bleibt der Spaß rasch auf der Strecke. Ich bringe dieses Beispiel hier an, um schon im Vorfeld dem Einwand zu begegnen, man könne doch nicht zwischen guten und schlechten Rollenspielern unterscheiden: Man kann, und das maßgebliche Kriterium ist die Fähigkeit, daran mitzuwirken, dass sich die Beteiligten einer Spielrunde (man selbst eingeschlossen) gut unterhalten!
Also, noch einmal die Frage, aber diesmal unter der ausdrücklichen Voraussetzung, dass es bessere und schlechtere Spielleiter GIBT; und dass es nicht wünschenswert ist, deren Spielbeitrag so weit wie möglich zu elimieren: Was sind Eurer Ansicht nach die wichtigsten Eigenschaften eines guten Spielleiters? Oder, anders herum gefragt: Welche Defizite (allgemeine soziale Schwächen außen vorgelassen) wirken sich am negativsten auf die Befähigung zum Spielleiter aus?