Zornhau
Freßt NAPALM!
- Registriert
- 18. März 2004
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AW: Vorlesetexte in Abenteuern
Was unterscheidet denn einen Vorlesetext, in welchem der alte Piraten-Kapitän den SCs von seiner ersten Fahrt zu einer geheimnisvollen Insel erzählt, von einem HANDOUT eines Tagebuchs eines Piraten-Kapitäns, in welchem er von seiner ersten Fahrt zu einer geheimnisvollen Insel erzählt?
Vorlesetexte zur Informationsweitergabe durch NSCs können ganz unterschiedlich umgesetzt werden. Man kann sie tatsächlich vorlesen. Man kann jeden Informationsschnipsel in freiem Spiel, in freier Rede einfließen lassen, oder man kann sie in anderen Medien (Handouts) übergeben.
Eine Funktion eines Vorlesetextes ist somit Informationen, die für das weitere Geschehen (nicht unbedingt sofort, manchmal auch erst später) wichtig sind, zu vermitteln.
Diese Vorlesetexte halte ich für unproblematisch. - Dazu gehören auch Vorlesetexte zur Lokationsbeschreibung - beschrieben werden hier ja stets die offensichtlichen Eigenschaften einer Lokation und nicht die Details, die erst bei INTERAKTION mit der Lokation entdeckt werden können (Ich mache den Schrank auf. Ich schaue unter dem Teppich nach. Ich schalte den Monitor ein. usw.).
Solche Informations-(Vorlese)-Texte kann man eben auch sehr leicht anders als durch stures Vorlesen des Gedruckten vermitteln.
Dann gibt es aber auch "andere" Vorlesetexte.
Solche, in denen die HANDLUNG der Geschichte vorangetrieben wird. - Diese sind problematisch.
Zuerst die minderproblematischen. Das sind Einleitungstexte. Texte, die eine Szene, einen "Akt", ein Abenteuer, usw. einleiten. - Beispiel: In den "Daring Tales of Adventure"-Pulp-Abenteuern gibt es (der Filmvorlage entsprechend) oft Schnitte, zwischen denen die Handlung (z.B. eine Reise um den halben Globus) vorangetrieben wurde.
So ist in einer hektischen Action-Szene der Oberschurke abermals entkommen. Ende der Szene. Beginn nächster Akt: "Ihr fliegt mit einem Transportflugzeug im Himalaya-Gebirge zu dem mysteriösen Kloster wo ... ". - Die Schiffs-/Bahn-/Flug-Reise bis zum Flugplatz, wo die kleine Transportmaschine bestiegen wurde, alles Einkaufen, Lokalkolorit aufnehmen, usw. wird mit diesem Text den Spielern VERWEHRT.
Das ist der Preis, den man zahlt, wenn man das TEMPO und die DICHTE der interessanten Teile der Handlung aufrechterhalten will. Da paßt nicht das explizite Ausspielen einer viermonatigen Seereise auf einem Baumwollfrachter, wenn es erst wieder interessant wird, sobald die SCs dort sind, wo die WICHTIGEN Teile der Handlung passieren.
Ich halte das für "minderproblematisch", weil die Verwehrung der vollen Verfügung über alle Detailhandlungen der SCs aus einem AKZEPTIERTEN GRUND geschieht. ALLE Spielenden, Spielleiter und Spieler, haben ein (bekundetes) Interesse daran nur die interessanten Teile zu spielen. Die Reise wird mit einer gestrichelten Linie über einer Weltkarte und einem Vorlesetext zum Schildern der sich mit dem neuen Schauplatz, mit dem Szenenwechsel geänderten Stimmung umgesetzt und abgekürzt. Und keiner jammert, daß er noch mal aufs Klo muß oder sein Stofftier vergessen hat!
Stimmung.
Das ist schon ein klein wenig problematischer.
Rollenspiel, genauer Pen&Paper-Rollenspiel LEBT von der Fähigkeit mit Worten, mit Sprache Stimmungen zu erzeugen.
Manch ein Spielleiter ist darin auch von sich aus sehr versiert, andere nicht so, und manche überhaupt nicht.
Helfen hier "Stimmungstexte" zum Vorlesen?
Mir nicht. - Der Text malt die Stimmung einer Szene, einer Lokation, charakterisiert NSCs durch Wortwahl, Kleidung, Gehabe, usw. - Und dann, nach dem Vorlesen der mehr oder (oft) weniger ausgefeilten Stimmungsmache, muß der Spielleiter mit seinen "Bordmitteln" wieder ran und alles andere, was NICHT im Text stand, schildern. Oder den toll charakterisierten NSC nun selbst spielen - und plötzlich spricht der nicht mehr auschließlich in Alliterationen, sondern stammelt oder der Spielleiter verwendet indirekte Rede, weil er selbst eben nicht die ZEIT hat die Worte des NSCs lange auszufeilen.
Stimmungstexte stellen für mich die krassesten Brüche in der Stimmung einer Spielrunde dar und sind nach meiner Erfahrung besser zu vermeiden. Lieber all die Informationen darin in eigenen Worten und mit selbstgemachter Stimmung wiedergeben, als einen krass anderen Stil einfach nur vorzutragen.
Stimmungstexte sind problematisch, weil ärgerlich, aber sie sind immer noch tolerierbar.
Die WIRKLICH PROBLEMATISCHEN Vorlesetexte mit Handlungsvortrieb (egal ob Stimmung oder nicht), sind die, welche den Spielern die INTERESSANTEN Teile der Handlung VERWEIGERN!
Da agieren NSCs als Helden und lassen die SCs als Statisten dastehen. Da werden in der Spielwelt Fakten geschaffen, die zu verhindern oder zu beeinflussen im unabstreibaren Bereich der Möglichkeiten der SCs läge, die aber durch den Vorlesetext zum Zuschauen verdammt werden.
Das stellt einen STARKEN Eingriff in die Rolle der SCs für die gesamte Kampagne, für das gesamte Abenteuer dar. Das ist auch nicht ein Deus-ex-Machina-Eingriff, um den SCs, deren Spieler versagt haben, noch einmal den Arsch zu retten, sondern das stellt die SCs einfach hintenan. Und das in ihrem eigenen Film!
Mit solchen Vorlesetexten - und daher auch mit solchen Abenteuern insgesamt - habe ich die allergrößten Probleme.
Diese "vorbestimmten Szenen zum Zuhören" sind das genaue Gegenteil von Rollenspiel. Rollenspiel heißt MITMACHEN. Im Rollenspiel sind die Kameras auf die SCs gerichtet. Dort passiert das Interessante. Alles andere setzt nur die Szene für die bemerkenswerten Aktionen der SCs. - Und diese Nicht-Rollenspiel-Szenen machen das alles kaputt.
Sie weisen den SCs eine Bedeutungslosigkeit für das Spiel mit ihrem Namen im Vorspann zu, die nicht nur unbefriedigend ist, sondern einfach kein Rollenspiel mehr darstellt.
Das finde ich nicht mehr zu Tolerieren.
Daher sind solche Texte auch oft schon KO-Kriterien gewesen bei der Entscheidung, ob ich das betreffende Abenteuer meinen Spielern leiten werde oder nicht.
Was unterscheidet denn einen Vorlesetext, in welchem der alte Piraten-Kapitän den SCs von seiner ersten Fahrt zu einer geheimnisvollen Insel erzählt, von einem HANDOUT eines Tagebuchs eines Piraten-Kapitäns, in welchem er von seiner ersten Fahrt zu einer geheimnisvollen Insel erzählt?
Vorlesetexte zur Informationsweitergabe durch NSCs können ganz unterschiedlich umgesetzt werden. Man kann sie tatsächlich vorlesen. Man kann jeden Informationsschnipsel in freiem Spiel, in freier Rede einfließen lassen, oder man kann sie in anderen Medien (Handouts) übergeben.
Eine Funktion eines Vorlesetextes ist somit Informationen, die für das weitere Geschehen (nicht unbedingt sofort, manchmal auch erst später) wichtig sind, zu vermitteln.
Diese Vorlesetexte halte ich für unproblematisch. - Dazu gehören auch Vorlesetexte zur Lokationsbeschreibung - beschrieben werden hier ja stets die offensichtlichen Eigenschaften einer Lokation und nicht die Details, die erst bei INTERAKTION mit der Lokation entdeckt werden können (Ich mache den Schrank auf. Ich schaue unter dem Teppich nach. Ich schalte den Monitor ein. usw.).
Solche Informations-(Vorlese)-Texte kann man eben auch sehr leicht anders als durch stures Vorlesen des Gedruckten vermitteln.
Dann gibt es aber auch "andere" Vorlesetexte.
Solche, in denen die HANDLUNG der Geschichte vorangetrieben wird. - Diese sind problematisch.
Zuerst die minderproblematischen. Das sind Einleitungstexte. Texte, die eine Szene, einen "Akt", ein Abenteuer, usw. einleiten. - Beispiel: In den "Daring Tales of Adventure"-Pulp-Abenteuern gibt es (der Filmvorlage entsprechend) oft Schnitte, zwischen denen die Handlung (z.B. eine Reise um den halben Globus) vorangetrieben wurde.
So ist in einer hektischen Action-Szene der Oberschurke abermals entkommen. Ende der Szene. Beginn nächster Akt: "Ihr fliegt mit einem Transportflugzeug im Himalaya-Gebirge zu dem mysteriösen Kloster wo ... ". - Die Schiffs-/Bahn-/Flug-Reise bis zum Flugplatz, wo die kleine Transportmaschine bestiegen wurde, alles Einkaufen, Lokalkolorit aufnehmen, usw. wird mit diesem Text den Spielern VERWEHRT.
Das ist der Preis, den man zahlt, wenn man das TEMPO und die DICHTE der interessanten Teile der Handlung aufrechterhalten will. Da paßt nicht das explizite Ausspielen einer viermonatigen Seereise auf einem Baumwollfrachter, wenn es erst wieder interessant wird, sobald die SCs dort sind, wo die WICHTIGEN Teile der Handlung passieren.
Ich halte das für "minderproblematisch", weil die Verwehrung der vollen Verfügung über alle Detailhandlungen der SCs aus einem AKZEPTIERTEN GRUND geschieht. ALLE Spielenden, Spielleiter und Spieler, haben ein (bekundetes) Interesse daran nur die interessanten Teile zu spielen. Die Reise wird mit einer gestrichelten Linie über einer Weltkarte und einem Vorlesetext zum Schildern der sich mit dem neuen Schauplatz, mit dem Szenenwechsel geänderten Stimmung umgesetzt und abgekürzt. Und keiner jammert, daß er noch mal aufs Klo muß oder sein Stofftier vergessen hat!
Stimmung.
Das ist schon ein klein wenig problematischer.
Rollenspiel, genauer Pen&Paper-Rollenspiel LEBT von der Fähigkeit mit Worten, mit Sprache Stimmungen zu erzeugen.
Manch ein Spielleiter ist darin auch von sich aus sehr versiert, andere nicht so, und manche überhaupt nicht.
Helfen hier "Stimmungstexte" zum Vorlesen?
Mir nicht. - Der Text malt die Stimmung einer Szene, einer Lokation, charakterisiert NSCs durch Wortwahl, Kleidung, Gehabe, usw. - Und dann, nach dem Vorlesen der mehr oder (oft) weniger ausgefeilten Stimmungsmache, muß der Spielleiter mit seinen "Bordmitteln" wieder ran und alles andere, was NICHT im Text stand, schildern. Oder den toll charakterisierten NSC nun selbst spielen - und plötzlich spricht der nicht mehr auschließlich in Alliterationen, sondern stammelt oder der Spielleiter verwendet indirekte Rede, weil er selbst eben nicht die ZEIT hat die Worte des NSCs lange auszufeilen.
Stimmungstexte stellen für mich die krassesten Brüche in der Stimmung einer Spielrunde dar und sind nach meiner Erfahrung besser zu vermeiden. Lieber all die Informationen darin in eigenen Worten und mit selbstgemachter Stimmung wiedergeben, als einen krass anderen Stil einfach nur vorzutragen.
Stimmungstexte sind problematisch, weil ärgerlich, aber sie sind immer noch tolerierbar.
Die WIRKLICH PROBLEMATISCHEN Vorlesetexte mit Handlungsvortrieb (egal ob Stimmung oder nicht), sind die, welche den Spielern die INTERESSANTEN Teile der Handlung VERWEIGERN!
Da agieren NSCs als Helden und lassen die SCs als Statisten dastehen. Da werden in der Spielwelt Fakten geschaffen, die zu verhindern oder zu beeinflussen im unabstreibaren Bereich der Möglichkeiten der SCs läge, die aber durch den Vorlesetext zum Zuschauen verdammt werden.
Das stellt einen STARKEN Eingriff in die Rolle der SCs für die gesamte Kampagne, für das gesamte Abenteuer dar. Das ist auch nicht ein Deus-ex-Machina-Eingriff, um den SCs, deren Spieler versagt haben, noch einmal den Arsch zu retten, sondern das stellt die SCs einfach hintenan. Und das in ihrem eigenen Film!
Mit solchen Vorlesetexten - und daher auch mit solchen Abenteuern insgesamt - habe ich die allergrößten Probleme.
Diese "vorbestimmten Szenen zum Zuhören" sind das genaue Gegenteil von Rollenspiel. Rollenspiel heißt MITMACHEN. Im Rollenspiel sind die Kameras auf die SCs gerichtet. Dort passiert das Interessante. Alles andere setzt nur die Szene für die bemerkenswerten Aktionen der SCs. - Und diese Nicht-Rollenspiel-Szenen machen das alles kaputt.
Sie weisen den SCs eine Bedeutungslosigkeit für das Spiel mit ihrem Namen im Vorspann zu, die nicht nur unbefriedigend ist, sondern einfach kein Rollenspiel mehr darstellt.
Das finde ich nicht mehr zu Tolerieren.
Daher sind solche Texte auch oft schon KO-Kriterien gewesen bei der Entscheidung, ob ich das betreffende Abenteuer meinen Spielern leiten werde oder nicht.