AW: Verteidigungswurf?
SW haben wir noch nicht gespielt. Aber andere Spiele mit festem Verteidigungswert (Scion, D&D) und es kam in beiden Fällen nicht besonders gut an.
Ein wirklich guter Rat ist, bevor man bei Savage Worlds anfängt nur auf der "Papierform" bereits an den Regeln herumzuschrauben, eine Probe-Runde mit den Regeln "by the book" zu spielen.
Such Dir doch eines der One-Sheet-Abenteuer aus, die meist in zwei bis drei Stunden (inklusive Charaktererschaffung) durchgespielt sind, und probiere das unveränderte Regelsystem mit Deinen Spielern aus.
Dann weißt Du genau, WAS sie an den Savage Worlds Regeln problematisch finden. - Einfach nur "ideologisch" einen festen Paradewert abzulehnen, kann natürlich immer noch dabei herauskommen. Aber so gibst Du dem Regelsystem die CHANCE Deine Spieler zu überzeugen.
Offengestanden: ich hatte das GRAUSEN bekommen, als ich mitbekam, daß bei Savage Worlds keine aktive Verteidigung möglich ist. Ich war von RuneQuest und anderen Spielen das aktive Agieren, um meinen Charakter zu schützen, gewohnt.
Doch Savage Worlds BRAUCHT KEINE aktive Verteidigung, weil die SCs eben nicht, wie in anderen entsprechenden Rollenspielen, bei einem Treffer gearscht sind. Es gibt mehr Würfeleien nur dann, wenn auch tatsächlich jemand getroffen hat und man einen Soak-Wurf machen will, d.h. auch tatsächlich der Schaden größer als die Toughness war. - Statt STÄNDIG zu würfeln, ob man etwas aktiv parieren kann, was eventuell eh nie genug Schaden verursacht hätte, um einen zu beeindrucken, würfelt man nur dann, wenn es NÖTIG ist.
Das hat mir deutlicher als solche "ich nage Dir jeden Hitpoint einzeln weg"-Systeme wie D20 mit ja ebenfalls fester Parade gezeigt, daß es NIE der feste Parade-Wert ist, der als Problem empfunden wird, sondern die mangelnde EINFLUSSMÖGLICHKEIT um die Konsequenzen eines Treffers abzumildern oder zu vermeiden. - Und diese Einflußmöglichkeit bieten Systeme wie D&D nicht. Dort ist ein Treffer auch sicherer Abzug von Hitpoints. Bei RuneQuest hingegen WILL man parieren, da man bei einem Treffer sehr, sehr schnell Arme oder Beine verlieren kann und man keinen Regelmechanismus hat, der einem diese Konsequenz erspart.
Savage Worlds hat durch den Wild Card Status die SCs eh schon "abgehärtet", so daß sie mehr einstecken können, als die meisten ihrer Gegner und als jeder Normalo auf der Spielwelt.
Savage Worlds bietet mit den Bennies und dem Soak-Wurf einen REAKTIVEN Mechanismus, der erst dann Würfelei auslöst, wenn es der SPIELER ENTSCHEIDET, und nicht in einer ständigen AT-PA-AT-PA-Würfelei ausartet.
Im Supers-Genre: Der Brick-Charakter bekommt ständig Treffer von der Vielzahl an Minions des Supergegners ab. Die meisten dieser Minions schaffen es mit Ganging-Up +4 (ja, es sind wirklich VIELE Minions) den Brick zu treffen. Doch ist seine Toughness so hoch, daß die Minions schon zweimal explodierende Schadenswürfel bräuchten, um ihm etwas auszumachen. Damit fallen in einer Kampfrunde nur die 5 Angriffe der direkt den Brick umzingelnden Minions an, die auch fast immer treffen, sowie deren Schadenswürfe, die praktisch nie die Toughness des Brick-SCs erreichen. WIE IM COMIC steht er da und hält einfach den Schaden, den die Minions austeilen aus!
Die Alternative mit aktiver Verteidigung: Der Brick muß JEDE Kampfrunden fünf mal seine aktive Verteidigung gegen die fünf Angreifer mit Ganging-Up würfeln. Davon klappen die wenigsten, weil die +4 durch Ganging-Up ja auch erst einmal von der aktiven Verteidigung des Bricks geschlagen werden müssen. Und dann machen die Gegner - wie üblich - nicht genug Schaden. Resultat: DASSELBE, wie wenn er NICHT aktiv verteidigt hätte. Nur mehr Würfelei - und zwar JEDE Runde!
Kommt vielleicht mal ein Treffer über die Toughness, so kann sich der Brick immer noch aussuchen (je nach Edges, die er sonst so hat), ob er den Treffer nimmt und sich leicht im weiteren Kampf behindern läßt, ob er den Treffer nimmt, aber dieser ihn nicht behindert (mit entsprechendem Edge), ob er einen Bennie ausgibt, um einen Soak-Wurf zu machen. - SPIELER-ENTSCHEIDUNG statt Dauerwürfelei.
Ich empfehle wirklich stark eine Vorab-Runde zu spielen mit unveränderten Regeln. - Im Pinnacle-Forum kamen solche "Ändern wir das SW-Regelsystem doch gleich mal vor der ersten Spielerfahrung"-Thread auch immer wieder auf. Und IMMER kam dabei heraus, daß man mit dem "by the book"-SW-Regelsystem besser gefahren ist, weil man mit einer "Lösung" (der Regeländerung) ein vorweggenommenes "Problem" beseitigen wollte, welches in der PRAXIS nicht aufgetreten ist.
Hausregeln sind dann sinnvoll und entstehen ja auch zwangsläufig, wenn im aktiven Spielen der BEDARF ersichtlich ist. Und zwar nicht für einen einmalige Situation, sondern für eine wiederkehrende Situation.
Eine "Antipathie" gegen statische Parade-Werte ist ohne eine praktische Erfahrung im KONKRETEN SYSTEMUMFELD nur reine "Ideologie", aber kein Umstand, der eine Hausregel erfordert.
Savage Worlds hat einzelne Systemteile, die tatsächlich in der Papierform seltsam wirken und, da sie ja nichts neues, sondern größtenteils bewährte Regelmechaniken älterer Systeme sind, den Eindruck erwecken, sie kämen mit denselben PROBLEMEN der älteren Systeme daher. - Das ist aber nicht der Fall.
In der KOMBINATION als SW-Regelkern WIRKEN diese Systemteile alles andere als altbacken-problematisch.
Und die Chance Deine Spieler das SW-Regelsystem mal "by the book" kennenlernen zu lassen, solltest Du ihnen nicht verwehren, finde ich.