Versagen wagen! Warum Misslingen im Rollenspiel interessanter ist als Erfolg

AW: Versagen wagen! Warum Misslingen im Rollenspiel interessanter ist als Erfolg

Bewusstes, gewolltes Versagen um des Versagens willen ist ja NICHT worauf ich hinaus will.
Wenn der Taschenlampenfallenlasser zb. eine Willenskraftprobe / Sanity Check kritisch verreißt, DANN ist das voll okay.
DAS ist das Scheitern und Versagen. Dass dann eben NICHT der Würfel gedreht wird, sondern dass die Spieler zur Improvisation gebracht werden.

Einfach so "weil's zum Charakter passt" inkompetent sein ist dööf und macht keinen Spaß.
 
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Taschenlampenfallenlasser mag keiner.

Das stimmt nur, wenn diese Spieler sonst nix mit dem Versagen anfangen. Wer seinen Charakter nur versagen lässt, um zu sehen was dann passiert... der wird auf wenig Gegenliebe stoßen. Solche Leute sind auch nicht besser als Spieler, die ihre Charaktere jeden Scheiß anstellen lassen um dann zu sehen wie der Rest der Gruppe sich verrenkt um das wieder hinzubiegen.

Aber wer seinen Charakter versagen lässt, weil der Charakter auch und gerade jenseits der Werte etwas einfach nicht kann, der ist zumindest in meiner Runde willkommen. Ich sehe das auf einer Stufe wie Charaktere, die bestimmte NSCs (z.B. Kinder) nicht töten. Oder die bestimmte Dinge einfach nicht tun (z.B. vergewaltigen). Solche Leute will ich in meiner Runde haben.

Spieler, denen es gefällt ihre Charaktere nicht nur als aufgeblasene Mensch-Ärger-Dich-Nicht-Figuren zu spielen, sondern halt auch Eigenschaften hinzufügen, die dem ganzen Spiel etwas mehr Farbe geben. Ob das nun positive Eigenschaften sind ("Mein Charakter ist auf einer heiligen Mission für seinen Gott und kämpft gegen alles Böse und Ungerechte auf der Welt. Dafür bekommt er auch besondere Kräfte von seiner Gottheit verliehen.") oder negative Eigenschaften ("Mein Charakter ist eher konfliktscheu und lässt sich schnell einschüchtern und verunsichern. Gegen eine große Übermacht ergreift er schnell die Flucht.")
 
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Versagen ja, gerne.
Solange Versagen bedeutet "das Spiel geht in eine neue Richtung" (die nicht unbedingt angenehm für den Charakter aussieht) und nicht "Sorry, aber das Spiel ist zuende" (TPKs aus heiterem Himmel mag keiner :D). Sprich: "Spielende" als "Extreme Verkettung von VersagensMOMENTEN" kann ziemlich cool sein, wenn der Spieler nach jdem Versagen FÜHLT, wie der große "GAME OVER"-Schriftzug immer näher kommt und sich was einfallen lassen muss, um ihn wegzuschieben. Da entstehen die coolsten Spielmomente draus.

Passiert der "Kill" dagegen, ohne dass der Spieler eine ENTSCHEIDUNG treffen kann, so ist der Tod weder denkwürdig, noch spektakulär. Der Spieler macht sich einfach einen neuen Charakter und blickt nicht zurück.

Weiteres zum Thema:
Plädoyer für das Versagen
Von Charakteren, dem was sie verdienen, und ihrem Ende
Dem Tod ins Auge blicken (von TPK)
 
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OffTopic
Ich hasse kritische Fehlschläge, v.a. wenn sie zu penetrant sind. Bestes Beispiel altes Star Wars D6 - da geht ein Kampf zwischen zwei Jedi normalerweise genau solange bis einer einen kritischen Patzer würfelt - dann ist er nämlich tot. Wenn das statistisch alle 6 Runden passiert ist das ganz schlecht.
Ein weiteres Opfer eines verbreiteten Vorurteils. Merke: nicht jede 1 auf dem Wild Die ist ein "kritischer Patzer". Bei eventuellem Klärungsbedarf verweise ich auf den D6-Bereich. ;)
 
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Es gibt noch eine Alternative, oder eher einen Kompromiss.

Beispielweise bei D20 gibt es die AP (Action Points), die wir auch in unsere Starship Troopers-OA Mod reingenommen haben, weil uns die Grundidee sehr gut gefiel.
Da hat man ein gewisses Konto an "Heldenpunkten" (quasi der Protagonistenbonus) mit denen man sich im Notfall Teilerfloge "kaufen" kann. Man hat davon nicht sehr viele (und sie regenerieren erst nach Ende des Einsatzes) und wird sie daher nicht für unwichtige Sachen verschleudern, aber hat die Chance etwas DOCH noch zu schaffen, wenn es wirklich wichtig ist (z.B. dem Tanker Bug die Unterlauf-Bugshotflechettes durch den Kopf jagen kurz bevor er die gesamte Squad einäschert). Für ganz besonders heroische Aktionen kann man auch AP zurückgewinnen, egal ob man jetzt direkt welche eingesetzt hat oder nicht.

Das passt natürlich speziell zu sehr cineastischen Settings. Es stellt imo einen schöne Möglichkeit dar den "einen nervigen dummen Patzer der alles ruiniert" auszugleichen. Wenn der Plan größere Haken hat oder die Situation sowieso schon extrem kritisch ist hilft einem das natürlich auch nicht mehr. Aber dann lag es an den Spielern und nicht daran, dass einer acht Einsen gewürfelt hat (alles schon erlebt).


@Toa: KA wie die Originalregeln da sind, ich kenn mich mit D6 nicht aus, wir haben das einfach gehausregelt und es hat funktioniert. Damit war die Sache für mich damals erledigt und in Ordnung.
 
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Für mich gehörte im Laufe meines Spielleiterdaseins "Versagen wagen" quasi zum Stil.
Ich kenne mein bevorzugtes Setting, und wenn ich mir mal nicht sicher bin, improvisiere ich eben - oder ich lese schnell einen Absatz nach (passt immer gut in eine Raucher-, Toiletten-, oder Pizzabestellungspause).

Ich gehöre zu der Fraktion von Spielleitern, die eher selten "Abenteuer" vorbereitet oder auf eben solche zurückgreift.
Ich leite lieber spontan, gebe den Spielern (und ihren Charakteren) lieber Gelegenheit, ihren eigenen Zielen und Motivationen entsprechend zu folgen. Wenn die Gruppe lieber nach "B" anstatt nach "A" reist, wirft mich das noch lange nicht aus der Bahn, und ich stelle auch keine fiesen Weichen um, nur um sie am Ende dann doch nach "A" zu lotsen. Die Spielwelt lebt, und wenn die Charaktere den fiesen Oberbösewicht nicht ins Handwerk spucken, dann erleben sie eben ihre üble Überraschung, sollten sie zurückkehren.
Außerdem sind meiner Erfahrung nach engagierte Spieler, die ihren Charakteren Ziele stecken und Motive mit auf den Weg geben, viel enthusiastischer am Spiel beteiligt, wenn sie ihren Zielen und Motiven gerecht handeln dürfen.
Sie nehmen mir als Spielleiter einfach die "Wo schicke ich sie nun hin?" Frage ab.

Und zu alledem gehört meiner Meinung nach auch, dass ihre Würfel ihr Schicksal bestimmen können.
Wie beispielsweise schon angesprochen, ist ein Kampf eine gefährliche Angelegenheit, und Spieler, die ihre Charaktere sich in einen solchen stürzen lassen, müssen sich eben bewusst sein, dass diese Geschichte auch ganz fies ins Auge gehen kann.
Deshalb mag ich Regelwerke wie HârnMaster oder Gemini (und ähnliche Vertreter), die wegen ihrem "Realismus" die Gefahr des Kampfes spürbar und grafisch machen.

Wegen meines Würfelglücks, das selbst ich von Zeit zu Zeit mal haben kann, fühlten sich meine Spieler damals unsicher, ob ich sie nicht "betrüge" - ob nun im positiven oder negativen Sinne - und trugen die Bitte an mich heran, von da an offen zu würfeln. Ich sagte ihnen, dass sie dann auch mit den Folgen zu leben hätten, auch wenn diese wirklich fatal sein würden. Sie willigten ein, und von da an würfelte ich offen.

Das ganze ging auch meistens gut für die Charaktere aus - auch wenn sie oft wirklich ordentlich zu knabbern hatten.
Und selbst bei einem System wie HârnMaster, von dem ja viele denken, es meuchle die Charaktere nur so dahin, ging dies lange Zeit ohne tote Charaktere aus - auch wenn mal bleibende Schäden blieben. Ich erinnere mich da noch gut an die Zeit, die der Magier unserer Gruppe mit einer Behinderung zu kämpfen hatte, bis er den Nachteil, den er dadurch erlitten hatte, ausgleichen konnte. Und dieser Spieler war entsprechend stolz darauf, was sein Charakter erreicht hatte. Noch heute benennt er Charaktere in Online-Rollenspielen nach ihm.
Ein anderes (erdachtes) Beispiel könnte auch der Charakter sein, der im Kampf ein Auge verliert und eine hässliche Narbe übers halbe Gesicht davon trägt. Seine Sehkraft ist beeinträchtigt. Seine Attraktivität wohl auch. Aber richtig ausgespielt kann er sich damit ein Auftreten aneignen, mit dem er sich Respekt verschafft.

Natürlich kann es auch mal gehörig schief gehen - ist mir auch schon in einer meiner Kampagnen passiert.
Sehr unglückliche Würfe der Spieler, unausgegohrene Pläne der Charaktere, und üble (offene) Würfelwürfe meinerseits zogen damals ein wirklich extremes Ende nach sich. Die gesamte Gruppe ging drauf.
So war die neue Kampagne bereits nach acht Spielsitzungen vorüber.
Nachzulesen ist das ganze auf meiner HârnMaster Website im Kampagnen-Bereich. Die Kampagne nannten wir damals mangels Ideen "Die vier Gefährten", und einer der Spieler (Oliver) schrieb das Tagebuch dazu.

Hat das üble Ende die Spieler abgeschreckt?
Nein. Wir erschufen schon bald die nächste Generation von Charakteren
 
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Um nochmal auf den Threadtitel zurück zu kommen: Ob Erfolg oder Misserfolg das Interessantere am Spiel ist, ist eigtl egal. Ständiges Versagen ist genau so unschön wie ständiges Gelingen. Ich mag gewisse Maskerade-Erzähler, die den SCs ständig irgendwelchen Mist anhängen und sie wie inkompetente Vollpfosten dastehen lassen, genau so wenig wie die DSA-Meister, die den inkompetenten SCs ständig den Hintern retten (wobei Ersteres spieltechnisch noch weniger Bedarf hat).
Erfolg ist nur dann welcher, wenn er fair erspielt wurde - und auch Misserfolg ist nur dann bewegend, wenn die Möglichkeit eines Erfolgs bestand. Entsprechend braucht man sich auch nicht wundern, wenn sich die Spieler irgendwann kaum noch für das Spielgeschehen interessieren, wenn sie es ohnehin nicht beeinflussen können.
Von Spielerseite aus sehe ich auch wenig Reiz darin, extreme Über-SCs oder extreme Vollidioten zu spielen. Das macht das Spiel sehr einseitig und damit auf die Dauer langweilig. In ihrer Synthese werden Stärken und Schwächen erst reizvoll für das Spiel, entweder als Allrounder-Konzept oder als stark definiertes Profil.
Abwechslung macht das Spiel.
 
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Mal nebenbei: Misslingen ist auch RL interessanter und lehrreicher als im Rollenspiel. Nur halt nicht unbedingt spaßiger.
 
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ich fand infernal teddys ansatz gut. wenn es mehr charaktere gibt die in ihrer vita deutliche weisse flecken aufweisen was wissen und fähigkeiten angeht macht das für mich als spieler und SL deutlich mehr her als wenn ich es nur mit diesen "mein charakter hat eigentlich keine schwächen, und wenn doch dann will ich in diese richtung nicht spielen" langweilern zutun zu habe.
aber wenn die charaktere dann eben auch die dinge machen die sie nicht oder eher schlecht können und dabei versagen und damit umgehen, das ist dann für mich schönes rollenspiel.
und ich schliesse mich an. kritische patzer in dingen die zumindest nicht wirklich unsicher sein sollten machen mir selten freude. geht mal - öfter nervts.
 
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Mal nebenbei: Misslingen ist auch RL interessanter und lehrreicher als im Rollenspiel. Nur halt nicht unbedingt spaßiger.

Nicht zwangsläufig. Es gibt ne Menge Leute, die ihr Leben versauen und nichts draus lernen und ne Menge Situationen, die potentiell tödlich ausgehen, so dass nachher niemand mehr da ist, der was draus lernen könnte, oder die einfach nur ein beschissener Zufall sind, so dass sich nichts draus lernen lässt. Es wäre schön, wenn sich aus jeder erbärmlichen Situation etwas lernen ließe, damit das nächste Mal nicht so erbärmlich aussieht. Ist aber nicht so. Trotzdem: Ich schätze meine Freiheit, meine Risiken kalkulieren zu können und hin und wieder etwas eigentlich Saudämliches zu tun, auch wenn ich dann mit den Konsequenzen leben muss. Im Rollenspiel nehme ich mir gern die gleiche Freiheit.
 
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Man lernte immer was aus Fehlschlägen.
Nur dieses 'was' kann sehr vieles sein.
 
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aber wenn die charaktere dann eben auch die dinge machen die sie nicht oder eher schlecht können und dabei versagen und damit umgehen, das ist dann für mich schönes rollenspiel.

Kommt aber immer darauf an, warum sie das machen. Wenn ich etwas nicht kann und es mache und dann versage hat das nicht was mit schönem Tatendrang zu tun, sondern vielleicht auch mit Übermut oder Hang zur Selbstdarstellung. Ob das unbedingt immer so angemessen ist wage ich zu bezweifeln. Bezogen aufs Spiel würde ich das ungern mit "schönem Rollenspiel" gleichsetzen wollen. Versagen und damit umgehen generell sind vielleicht überhaupt Rollenspiel. Einen Charakter spielen, der eiskalt ist und keine Fehler hat und überhaupt total der Einzelgänger (ist ja enorm beliebt bei vielen) der ist bestenfalls rollenspieluntauglich. Aber sonst.

Ohne Herausforderungen wirds langweilig soviel ist mal klar. Und wenn ich als Spieler vom SL immer alles in den Hintern geschoben bekomme, dann auch. Schönes Rollenspiel ist, wenn alle hinterher mit nem guten Gefühl nach Hause gehen und nicht weil ein inkompetenter versagt hat - das war zu erwarten, egal wie toll der mit diesem Umstand nun umgeht - was nicht heißen soll, dass diese Situation nicht auch Spaß bringen kann. Nur so generell würd ich das halt nicht sagen.
 
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Ohne Herausforderungen wirds langweilig soviel ist mal klar. Und wenn ich als Spieler vom SL immer alles in den Hintern geschoben bekomme, dann auch. Schönes Rollenspiel ist, wenn alle hinterher mit nem guten Gefühl nach Hause gehen und nicht weil ein inkompetenter versagt hat - das war zu erwarten, egal wie toll der mit diesem Umstand nun umgeht - was nicht heißen soll, dass diese Situation nicht auch Spaß bringen kann. Nur so generell würd ich das halt nicht sagen.

und da habe ich meine aussage schon extra nicht generalisiert ...

ich wollte auch vor allem auf den umstand hinaus das sich spieler trauen sollen charaktere zu wagen die nicht alles können, aber eben auch zu diesen "schwächen" stehen sollen indem sie diesen im spiel dann auch raum geben - was natürlich auch heissen kann darin zu versagen.
... und ja, meine definition von "schönem rollenspiel" ist durchaus noch etwas komplexer.
 
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naja misslingen is auch ne sache.... und kommt aufs system an.
Bei D&D ist man The Hero und muss am Ende gewinnen. Das impliziert die Hintergrundwelt. Dazwischen versagen ist schon okay,aber am Ende triumphiert das Gute!
Bei UA oder Cthulu sieht das schon anderst aus. Da ist versagen auch drin und ein teil vom lernprozess..bei UA mehr als bei Cthulhu

natürlich gibts auch "gutes" und "schlechtes versagen. Gutes versagen ist, wenn der chara für einen Slapstick-Moment sorgt indem er eine Lauschen_probe verpatztdie Tür öffnet,demn gegner anguckt die Tür wieder zuknallt und meint "ehm..Falsche Tür."
Schlechtes Versagen ist,wenn der/die Spieler eben gerade DEN Wurf nicht packen,den der Spielleiter braucht um irgendwelche Plothooks aufzudecken.

my 2 cents
 
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