AW: Übersetzung von Rollenspielen
Warum überhaupt übersetzen?
Als ich zu Schulzeiten mit dem Rollenspiel anfing, da mußte halt mein Schulwörterbuch manchmal bei Begriffen ran, die kein Pädagogen je im Unterricht behandelt hätte (oft waren diese auch nicht zu finden - aber dafür gab es ja die Stadtbibliothek).
Damals (1979) gab es Rollenspiele eigentlich nur auf Englisch. Später kam in Deutschland noch Midgard hinzu, aber auch damals schon nur für einen geringen Anteil der Rollenspieler eine Alternative.
Heutzutage ist man doch Anglizismen so sehr gewohnt, daß sie als solche schon fast nicht mehr wahrgenommen werden. - Englisch lernt JEDER in der Schule (das Verlernen steht jedem frei - aber diejenigen, die davon Gebrauch machen sind dann in der Regel auch keine Interessenten fürs Rollenspielen).
Klar ist man hier durch Film-Synchronisationen total verwöhnt worden. Unser benachbartes Ausland (ja, auch das deutschsprachige) ist da nicht so fremdsprachen-verweichlicht worden. - Man stelle sich mal vor wie gut die US-Fernsehknüllerserien wie C.S.I.-Dead Dog, Texas ankämen, wenn man sie nur und ausschließlich im Original anschauen müßte...
Aber Rollenspieler wollen ja immer Beides: sie wollen die coolen Spiele, die es bislang nur auf Englisch gab, auch spielen können, und sie wollen sich und ihren Mitspielern keine Fremdsprachenhürden aufbauen.
Call of Cthulhu habe ich seit einem der ersten STARD in Hamburg gespielt. Natürlich mit englischen Regeln. Ich habe die mehrfachen Versuche deutscher Ausgaben angeschaut und mit dann mit Überzeugung die US-Originalbände gekauft. Erst mit Pegasus' neuem Cthulhu ist es einer Übersetzung gelungen, die Originale in manchen Bereichen zu überflügeln. - Das ist schonmal eine gute Sache, wenn eine Übersetzung besser aufgemacht und solider produziert ist, als das Original (das war übrigens bei der deutschen RuneQuest-Fassung und dem deutschen HeroWars auch schon so; wobei HeroWars in der edlen deutschsprachigen Ausgabe aus einem französischen Verlag kommt).
Man kann einen gewissen Trend feststellen: die deutschen Übersetzer versuchen sich gegenseitig mit hoher Produktionsqualität, mit coolerer Optik, mit edlerer Aufmachung und mit Hochpreisigkeit zu überbieten. Die US-Originale kommen da meist schlichter, mieser aufgemacht, schlampig gebunden, fehlerhaft gedruckt etc. daher. Hier kann deutsches Qualitätsbewußtsein noch fröhlich seine Überlegenheit demonstrieren.
Nur - oft liest sich der Inhalt, der gerade auf Englisch noch cool, locker, flockig war, wie eine Anleitung zur Steuererklärung. - Das liegt nicht nur, aber auch daran, daß das Englische etwas kürzere, prägnantere Ausdrücke erlaubt, für die im Deutschen mehr und längere Worte notwendig sind.
Es liegt aber auch daran, daß längst nicht jeder Übersetzer eine gewisse Grundbefähigung zur GUTEN Übersetzung besitzt: ein guter Übersetzer MUSS selbst Autor sein. Und zwar erfahrener Autor. - Wer meint sein Lieblingsspiel, bei welchem er beim Übersetzen schon wie ein Mantra die Originalpassagen auswendig herbeten kann, übersetzen zu müssen, und dabei in der Lage zu sein, einen WIRKLICH für einen Neuling lesbaren und VERSTÄNDLICHEN Text zu produzieren, der dann - eigener Anspruch treibt hier Blüten - auch noch mindestens genauso locker, cool, und flockig zu lesen sein soll,wie das Original, der leidet unter Selbstüberschätzung.
Da gibt es ein paar gute Beispiele in den letzten Jahren für gerade solche tragischen Charaktere.