Brainstorming Tod der Spielercharaktere

Es handelt sich zwar nicht um eine Anekdote, und ist in Bezug auf das angegebene Thread-Thema auch deutlich off-topic, aber da ich mich durch Ausführungen in diesem Thread hier – vor allem durch einiges das Zornhau sagte – dazu veranlasst sehe, diesen Beitrag zu verfassen, habe ich mich dazu entschlossen ihn hier unterzubringen. Ich habe das Gefühl, dass er in einem eigens eröffneten Thread zu sehr aus dem Zusammenhang der ihn hervorgebracht hat herausgerissen wäre.

Die Frage was Rollenspiel eigentlich darf ist beliebt, aber ich möchte sie so hier gar nicht stellen, noch weniger beantworten. Einiges hierzu ist bereits in vorangehenden Beiträgen gesagt worden, vor allem in Bezug auf mögliche Motivationen des Rollenspiels und Dinge, zu denen Rollenspiel geeignet oder ungeeignet ist. Manche Dinge sind also ungeeignet, sie stören und lenken, vielleicht sogar auf unangenehme Art und Weise, von dem ab, was man sich vom Rollenspiel erhofft. "Würde so etwas einem Spieler gefallen?" ist gefragt worden, in Bezug auf Situationen die dem beschrieben Ziel der gemeinsamen Aktivität zuwiderlaufen. Natürlich nicht. Begriffe wie "Rücksichtnahme" oder "Gruppenvertrag" sind gefallen, um zu erklären, dass das Problem hier in der Überschreitung von, manchmal nur angenommenen, nie ausgesprochenen, Absprachen liegt.
Zornhau war es, der sich darüber gewundert hat, wo meine Motivation liegen könnte, da ich abstritt nur durch en Wunsch nach Unterhaltung getrieben zu sein. Diese Verwunderung wird umso verständlicher, wenn man bedenkt, dass er hier auch die These vertrat, Rollenspiel sei, ausserhalb eines professionellen therapeutischen Umfeldes, prinzipiell für nichts anderes als eben Unterhaltung geeignet.
Diese beiden Punkte habe ich noch einmal herausgestellt, da ich sie für die folgenden Betrachtungen frisch im Gedächtnis der Leser wissen möchte.

Innerhalb einer Runde, deren Gruppenvertrag, dem von Zornhau erwähnten "Normalgebrauch" entspricht, ist die Zielsetzung klassisch Unterhaltung. In einer solchen Runde, beispielsweise auf einer Convention, wo der Gruppenvertrag darüber hinaus nur als eine Annahme existiert, und ob der Tatsache, dass sich die einzelnen Spieler mehr oder minder unbekannt sind, auch gar nicht als etwas anderes existieren kann, in einer solchen Runde also, würde ich vermutlich niemals auf die Idee kommen meine Krebsprobleme ins Rollenspiel einzuflechten.
- Dennoch tue ich genau dies in anderen Runden.
Wenn ich mit den Leuten spiele, mit denen ich auch ansonsten über diese Dinge sprechen würde, mit denen ich tatsächlich über solches spreche, dann tauchen die gleichen Themen auch im Rollenspiel auf. Warum auch nicht? Was sollte sie so plötzlich tabu machen? Was ausser einem gemeinsamen Verständnis, dass einen auch in anderen Situationen, nicht nur am Spieltisch, dazu bringt manche Themen, auch wenn man ansonsten frei über sie spricht, manchmal nicht anzuschneiden?

Kennt jemand hier Captain Chemo? Vermutlich nicht. Folgt man dem Ansatz, dass Spiel, dass Triviales, dass "Unterhaltung" eben nur der Unterhaltung, und nichts anderem dienen kann und darf, dann darf es Captain Chemo nicht geben. Captain Chemo, das sind billige Comicfiguren und billigere Flash-Games. Captain Chemo ist simple, stumpfe Unterhaltung. – Simple Unterhaltung, die über Krebs informiert. Stumpfe Unterhaltung, die krebskranken Kindern über ihr Leiden hinweghelfen soll. Billige Unterhaltung, die von Betroffenen entwickelt wurde.
Nichts als Unterhaltung? – Dann darf es Captain Chemo nicht geben, weil solche Themen für Unterhaltung ungeeignet sind.
Mehr als Unterhaltung? – Dann darf es Captain Chemo nicht geben, weil Unterhaltungsspiele eben nur unterhalten dürfen.
...ich bin dankbar dafür, dass es Captain Chemo gibt, ob es ihn nun geben darf oder nicht...

mfG
jdw

PS: Wenn sich jemand angegriffen fühlen sollte durch diesen Beitrag – Zornhau, besonders einen Teil deiner Beiträge habe ich hier ja (wieder) (in?)direkt angegangen – dann möchte ich mich schon hier dafür entschuldigen. Dieser ganze Themenkomplex, was Rollenspiel darf, warum es das darf, und warum man selbst es betreibt, bewegt mich schon immer sehr - und in dem obigen Spezialfall nur noch mehr als sonst.
 
blut_und_glas schrieb:
PS: Wenn sich jemand angegriffen fühlen sollte durch diesen Beitrag – Zornhau, besonders einen Teil deiner Beiträge habe ich hier ja (wieder) (in?)direkt angegangen – dann möchte ich mich schon hier dafür entschuldigen.
Keine Entschuldigung nötig. Ich fühle mich nicht nur nicht angegriffen, sondern fand es so gut, daß ich eine eigene Diskussion über "Rollenspiele jenseits des 'Normalgebrauchs'" aufgemacht hatte. (Auf daß diese Themen nicht verloren gingen und der hiesige Thread trotzdem vor zuviel Offtopic verschont bliebe.)

Ich hoffte auf Dein Einverständnis, die Diskussion dazu an anderer Stelle fortzusetzen.

[edit]Im obigen Text wurde auf ein neues Diskussionsthema verwiesen, welches ich damals tatsächlich aufgemacht hatte. Da aber über Wochen hinweg kein Interesse an diesem Thema bestand, habe ich es "aufgeräumt". Infolge dessen habe ich meinen Beitrag hier in die Vergangenheitsform gebracht und den Link auf das nun nicht mehr existente uninteressante Thema entfernt.[/edit]
 
Klar dürfen und müssen SC sterben sie sind doch keine Götter.
und selbst die können sterben.

Je nach dem wie blöd sich ein Spieler anstellt kann das schon mal vorkommen.
Jeder bekommt seine Chance.
 
JA! Finde ich auch! Jeder sollte mal sterben dürfen. Und ehrlich gesagt macht mir auch das spiel mit nem Charakter der schon fast alles kann und den ich nicht weiter entwickeln kann keinen Spass mehr! Und wenn es jemand unbedingt als Meister auf den Tod eines oder mehrerer Spielrcharaktere abgesehen hat dann kan ich nur "Grimzahns Fallen" empfehlen. Das sind fast überwiegend tödliche Fallen drin. Sehr spassig. Vor allem wenn man so Hack and Slay Charaktere hat die ne Tür oder ähnliches einfach mal kaputt schlagen. Die werden überrascht sein! ;)
 
Hmm es gibt auch Systeme da macht es auch Spaß zu spielen obwohl man weiß das man nicht stirbt... Das sind die Systeme die so klischee beladen sind, das sie schon wieder genial sind...
 
Kompletter Gegesatz dazu: Paranoia!

Das RPG indem steht, der SL soll die SC um die Ecke bringen! Aber nachdem die SC erschaffung sowieso da nicht lange dauert (aus Nr. 2 wird Nr. 3) macht es auch spaß!
 
Honigkuchenwolf schrieb:
Hmm es gibt auch Systeme da macht es auch Spaß zu spielen obwohl man weiß das man nicht stirbt... Das sind die Systeme die so klischee beladen sind, das sie schon wieder genial sind...
Du meinst damit bestimmt "Castle Falkenstein", nicht wahr?

Es gibt eben Genres, in denen es höchst unüblich ist vorzeitig abzutreten. "Castle Falkenstein" thematisiert überlebensgroße, elegante Helden einer sehr romantisierten Viktorianischen Steam-Tech-Welt. Es wäre für Alan Quatermain, Sherlock Holmes oder Arsene Lupin ein Unding mit dem gleichen pingeligen Maß gemessen zu werden, wie es andere Genres an den Tag legen.

Die Charaktere in "Castle Falkenstein" haben eine z.T. sehr umfangreiche Hintergrundgeschichte, sehr stark ausgearbeitet, mit viel Liebe zum Detail ausgestattet. Das ist zum einen viel Arbeit und schon etwas anderes als die Nummer eines Paranoia-Klons zu inkrementieren, zum anderen baut man bei solchen intensiven Vorgeschichten auch eine sehr intensive Beziehung zum jeweiligen Charakter auf. Daher möchte man ihn auch nicht verlieren.

Andererseits gilt dasselbe auch für die "Schurken". Man kann nicht einfach solange jemandem Trefferpunkte wegballern, bis er tot umfällt. Auch die Schurken fallen dann eben kampfunfähig um, damit man sie "für immer" (har, har) in ein dunkeles Verließ einkerkern kann (aus dem sie für alle überraschend nach wenigen Wochen wieder ausbrechen werden). Es ist nämlich auch zu schade einen guten Bösewicht einfach so zu verlieren. Selbst Dr. Evil kommt ja immer wieder.

Für solche Genres wie "Castle Falkenstein" sie präsentiert, gelten ganz andere Erwartungen und Balancen in der Spielwelt, womit das Überstehen von Cliff-Hanger-Situationen nicht weniger spannend wird. Es geht ja nicht nur darum, OB man es übersteht, sondern ob man es auch mit guten Umgangsformen tut.
 
Und darüberhinaus ist dem Charakter die Unmöglichkeit seines Ablebens ja nicht zwangsläufig in gleicher Form bewusst wie dem Spieler. Auch und gerade beim Thema Tod kann es sich lohnen diese Dualität noch einmal genauer zu bedenken.

mfG
jdw
 
@ b_u_g. @zornau:

einfach mal ein dickes Lob an euch beide, wie ausführlich ihr das Thema hier konkretisiert und eure Standpunkte verdeutlicht habt. Ich denke jeder, der der Meinung ist, dass Foren nur der Simplen, seichten Unterhaltung dienen dürfte durch eure Posts bekehrt werden!
 
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