Rocky Racoon schrieb:
Ich fand es schon in meiner eigenen Jugend so maßlos verlogen, in einer Zivilisation, die auf maßloser Gewalt gegründet ist, in der mir in der Schule Konfrontation mit dem Holocaust und in den Nachrichten mit Hoyerswerda und Srebrenica (nicht den Städten selbst natürlich, waren halt die frühen 90er) zugemutet werden, mir in fiktiven Medien keine echte, konsequenzenbehaftete Gewalt (oder Sexualität) zugetraut wurde.
Ähm ... ich weiß ja nicht welches Ausnahmeexemplar an selbst-reflektiertem Jugendlichen du einst warst. Die Erfahrung, die ich mit Gewaltmedien in der Schulzeit gemacht habe beschränkte sich auf Braindead, Mortal Kombat, Tanz der Teufel, Nightmare on Elm-Street, Gesichter des Todes, sämtliche Filme mit Bruce Willis, Sly Stallone und Arnold Schwarzenegger und für die ganz harten unter uns Jörg Buttgereit Filme ....
In diesen fiktiven medialen Substraten war von echter, konsequenzbehafteter Gewalt keine Spur. Da ging es meistens um Gewalt und Selbstjustiz, der Gewalt und der Selbstjustiz selbst wegen. Und wir fanden es geil ... wir fanden damals, dass ein Film nur dann gut war, wenn noch mehr Blut drin vor kam. Im Grunde waren wir ziemlich fernab dessen was man reflektiert im Umgang mit Gewalt nennen könnte.
Und deshalb habe auch ich selbstverständlich in früher Jugend den Jugendschutz umgangen. Weil ich mich einfach in meiner Fähigkeit, damit umzugehen, nicht ernstgenommen gefühlt habe.
Und aus obiger Begründung heraus, habe ich, haben wir (meine Schulkollegen unter anderem) das auch getan. Wir haben uns einen Scheiß daran gestört was ab 18 ist. Meiner Ma war es eh egal, obwohl ich Zombiefilme offensichtlich nicht vertragen habe. Ich hab dann höchstens Anschiss gekriegt, wenn ich Nachts nicht pennen konnte und morgens zu müde für Schule war. Einerseits wurde man also von Brüdern und Schulkollegen auf fiktiv-mediale Substrate heiß gemacht, andererseits hat mans dann aber auch ohne Albträume nicht verpacken können. Hätte ich ein wirklich konsequentes Verbot gut gefunden? Nein, auf keinen Fall. Hätte es mir geholfen?! Wahrscheinlich schon, weil ich mich nicht zu früh mit scheiße wie Blut und Gewalt auseinandergesetzt hätte, die jeglicher realistischer Darstellung strotzte.
Trotzdem - auf der anderen Seite - hat es mich jetzt auch nicht roh oder gefühlskalt gemacht. Ich kann echte, von fiktiver Gewalt unterscheiden. Tote Menschen im Film können witzig sein, Metzelszenen bei Rambo durchaus amüsant, befreiend geradezu. Ähnliche Bilder aus der Welt sind alles andere amüsant oder befereiend oder witzig.
Was du hier in meinen Augen beschreibst ist das andere Extrem. Einerseits heißt es immer: Fiktive Gewalt schafft Amokläufer. Quatsch. Aber so zu tun, als sei der durchschnittliche Kind/ Jugendliche in der Lage völlig reflektiert mit fiktiver Gewalt in Fernsehen und anderen Medien umzugehen ist ein Trugschluss. Einige wenige mögen das können ... und vielleicht warst du so einer. Aber die breite Masse kriegt das mitnichten hin. Die können nicht zwingend direkt unterscheiden zwischen real und fiktiv oder aber kriegen zumindest mächtig Albträume von verstörenden Bildern.
Überleg doch mal wie viele Jugendliche heute ihr erstes Mal erleben. Für uns noch ein Akt der Scham, der Panik, des Unbedarften und des Ausprobierens. Geh mal auf die Notfallstation einer beliebigen Kinder- und Jugendpsychiatrischen Klinik. Mädels, die sich voll abgeschossen haben und keinen Plan haben, warum ihnen der Hintern überhaupt weh tut. Oder aber eben welche, die völlig mechanisch alles abarbeiten, was sie da auf youporn gesehen haben ... Mädels und Jungs die Dinge mitgemacht haben von denen wir nicht mal gewagt haben zu träumen. Es gibt nen Grund warum auch Pornografie für Jugendliche nicht unbedingt ratsam ist, auch wenn sie bereits eigene sexuelle Erfahrungen gemacht haben.
An diese Bilder, die mal mehr mal weniger unreflektiert verarbeitet werden passt sich aber die gesamte Sprache und das Verhalten an. Und das wiederum, als Teil der Kompensation, kann dann wiederum verstörend wirken auf Menschen, die solcherlei Inhalte nicht konsumieren. Ein Jugendlicher, der mir mit fettem Grinsen im Gesicht erklärt wie geil die eine Szene war in der "der [generischer Typ] mit der [generische Waffe] ge-[generisches gewaltätiges Verb] wurde" kann von mir erstmal so nicht ernst genommen werden. Die wenigen Exemplare, die wirklich reflektiert mit diesen Inhalten umgehen ... hab ich bisher noch nicht getroffen.
Jugendschutz ... ist schon eine feine Sache ... er wird eben nur ... umständlich, undurchsichtig und völlig obsolet durchgeführt.
Da ist es auch scheißegal, ob wir Erwachsenen das schon tausendmal in besser gesehen haben.
Täusch dich mal nicht ... du verpasst nen wirklich guten Film, mit einer hervorragenden Hauptdarstellerin.
Ich bin nicht die Zielgruppe, aber ich glaube, er ist für die Zielgruppe und den medialen Diskurs mit ihr und über sie gut.
Ich wills hoffen ... deswegen verzeih ich ihm ja auch den einen oder anderen Faux Pas ... aber ganz ehrlich: Der ist besser als Running Man .... (auch so einer der Filme, der furchtbar schlecht gealtert ist).