Kurz: Das Etikett Dark wird einfach inflationär für alles mögliche benutzt, es gibt praktisch keine normale Fantasy mehr, von der es sich abheben könnte. Daher halte ich es im Augenblick für reichlich nichtssagend.
Das hat "Dark" mit "Pulp" oder "-Punk" gemein.
Da diese Vorsätze oder Anhängsel wirklich zu KEINER Abgrenzung beitragen, kann man sie genauso gut weglassen, ohne daß irgendwelche Information verloren geht.
Ist Mantel&Degen eigentlich Pulp (actionreiche Fechtduelle, viel Kollateralschäden, Verfolgungsjagden, unkaputtbare Helden) oder Dark (bitterste Konsequenzen, endlose Rachepläne, die wie bei der Graf von Monte Christo brutal durchgezogen werden, boshafte Intrigen des Kardinals, Folter in der Bastille, erbarmungsloses Sklavenlos) oder Punk (verarmte Adelige begehen ständig Schurkereien, nur um etwas zu Essen zu bekommen, Dreck und Seuchen bei der Belagerung von La Rochelle, ein abgehärmter, freudloser Puritaner kämpft sich mit Pistole und Rapier quer durch den Schwarzen Kontinent, watet durch Dreck und Blut und Gedärme und mehr Blut)?
Richard Lesters Musketier-Zweiteiler ist in meinen Augen nicht dark (da sehr humorvoll umgesetzt), dafür aber punkig (verarmte Adelige, die Pariser Gesellschaft "von unten", Dreck und Hoffnungslosigkeit wird durchaus dargestellt, daß einem das Lachen im Halse steckenbleibt) und pulpig (furiose, gewitzte Fechtszenen, Ausnutzen aller Gegebenheiten eines Schauplatzes).
Andere Verfilmungen und andere Mantel&Degen-Stoffe sind hier von der Gewichtung ganz anders gelagert.
Vor allem ist diese Gewichtung aber ALLEIN IM ZUSCHAUER bzw. bei Spielen ALLEIN IM SPIELENDEN gelegen.
Der Spieleentwickler kann nur wenig tun, um ein Setting WIRKLICH "dark" oder "punkig" oder "pulpig" zu machen. (Das gelingt bisweilen durch geradezu geniale Regelmechaniken, die man bei regeltreuem Spiel auch nicht umgehen, vermeiden oder auch nur beugen kann.)
Deadlands ist an den Italo-Western orientiert (übrigens: Bonanza ist in der Tradition der Familiengeschichten und Edelwestern angesiedelt, Spiel mir das Lied vom Tod ist ein Italo-Western, was ein markant anderes und - vor allem - EIGENSTÄNDIGES Western-Subgenre ist). Aber Deadlands hat neben dem "Grit" auch Horror und Steampunk als Elemente eingebaut. Das Setting bietet also einen enorm breiten "Spielraum", in welchem ein Spielleiter seine Kampagne ansiedeln kann. - Ein Spielleiter spielt das Element Steampunk runter, Verrückte Wissenschaft taucht bei ihm kaum auf, Monster ebenso, so daß er praktisch kaum übernatürlich angehauchte "normale" harte (Italo-)Western-Geschichten spielt (wie in den All Star Western Comics, in denen aktuell ja Jonah Hex geradezu deadlandsartige Abenteuer erlebt). - Ein anderer Spielleiter fährt stark die Steampunk-Schiene, läßt die SCs in die urbane Hölle von Junkyard, der höchstindustrialisierten Stadt der Welt, eintauchen und sich den dortigen Problemen des "Fortschritts von ganz unten betrachtet" stellen. Übernatürliches kann hier eine Rolle spielen, aber Western ist zwischen all den Dampfmaschinen, Uhrwerkrobotern usw. kaum noch zu erkennen.
Somit ist Deadlands durchaus eine Art "darkes" Rollenspiel. Aber OB es für die eigene Runde WIRKLICH "dark" ist, das weiß man erst, wenn man es bei einem bestimmten Spielleiter in einer bestimmten Gruppenzusammensetzung spielt.
Da kann man das "dark" genauso gut weglassen und einfach nur Deadlands spielen.