AW: Sportrollenspiele - Yay or Nay?
Sportler als Charaktere in beliebiger, NICHTSPORTLICHER Umgebung gibt es ja zuhauf im Rollenspiel.
Kaum ein modernes US-Setting, wo man nicht Spielercharaktere findet, die Footballspieler, Baseballspieler oder Cheerleader sind.
Flash Gordon ist ja nicht das erste und nicht das letzte Beispiel dafür, was ein Sportler außerhalb der Wettkampfarena alles REISSEN kann. - Nur ist es bei Flash Gordon, Andrax und Co. eben so, daß ihre sportliche Karriere NUR VERGANGENHEIT des Charakters, die erklären soll, warum diese Charaktere so überaus fit in allen erdenklichen körperlichen Belangen sind.
wenn man sich einmal Sportumsetzungen aus anderen Bereichen ansieht, dann wird auch dort ausgenommen häufig "Sport" nicht das alleinige Merkmal sein
Das ist der eigentliche Punkt: Die für Rollenspiel günstigen Vorlagen sind eher SPORTSPIELFILME (Sport-Bücher, Sport-Comics) als die aktuelle Berichterstattung über Sportveranstaltungen oder dokumentarische Darstellungen.
Das hat für das Rollenspiel auch ganz GRUNDLEGENDE Berechtigung. Schließlich spielt man ja selbst im "historischen" Rollenspiel nur die "Film/Fernsehen/Buch/sonstige Medien-Version" des historischen Rollenspielhintergrunds und versucht NICHT eine historisch-wissenschaftlich dem aktuellen Forschungsstand akkurate Simulation.
Das Rollenspiel ist somit als grundsätzlich nur FIKTION schaffende Präsentationsform eines Themas nicht für eine Umsetzung, nicht für eine akkurate Abbildung von realen Gegebenheiten geeignet. - Spielt man welches historische oder zeitgenössische Setting auch immer, so wird allein schon durch das Spiel mit Spielern, die NATÜRLICH Klischees spielen werden, mit Regelsystemen, die bestimmte Dinge des VOLLSTÄNDIGEN Settings einfach FILTERN werden, soweit vom "Original" abweichen MÜSSEN, daß es so oder so nur eine Fiktion, ein Schatten des Originals ist.
Und wenn man sich nun die Vorlage "Formel 1 Rennen" anschaut, so kann man da sicherlich - nach erster Risus-Analyse - eine ganze Menge SPIELBARER und SPIELERISCH INTERESSANTER Klischees identifizieren. - Doch würde (so spannend manche Vorgänge der wirklichen Formel 1 sein mögen) das alles noch nicht ausreichen um eine für das Rollenspiel interessante Umsetzung zu ermöglichen. (Der Fahrer mit dem Kinn hat "Formel 1 Fahren" 100%, der Fahrer aus dem Land eines großen menschenverachtenden Mobiltelefonproduzenten hat "Formel 1 Fahren" 100% - Wer im Zeittraining den besseren Wurf schafft, der liegt vorne. *gähn*)
Wie sieht denn solch eine Sport-Umsetzung wie z.B. die zum "Formel 1 Rennzirkus" eigentlich in anderen Medien aus?
Da gibt es Spielfilme mit Love-Story (Tragisch! Muß sein!). Oder es wird ein Anschlag auf einen Rennstall verübt. Oder der Rennzirkus wird vom organisierten Verbrechen für seine Machenschaften mißbraucht. Oder der junge, heiße Fahrer wird vom kantigen, aber gütigen Rennstallbesitzer zum Übergewinnerfahrer aufgepäppelt und verknallt sich noch in die scharfe Tochter eines Werbesponsoren, die aber bereits die Verlobte eines anderen Fahrers des Bösen Teams (tm) ist. - Platt? - Vielleicht? - Aber auf jeden Fall unterhaltsamer im Rollenspiel, als knallharte Kalkulationen ausführen zu müssen, um einen Rennstall wirtschaftlich zu führen, als für Sponsorengelder die "Klinke putzen" gehen, etc.
Meines Erachtens BESTES Beispiel für eine spannende und unterhaltsame Umsetzung: Michel Vaillant. Diese Comics konzentrieren sich auf das INTERESSANTE, auf die Fahrer, die Frauen, die Formel-1-Wagen. FFF. - So müßte eine Rollenspielumsetzung eben auch sein.
Realistisch? Bei Michel Vaillant kann man das sogar behaupten. Doch ist nicht der Realismus hier der Selbstzweck, sondern die GLAUBWÜRDIGKEIT der Darstellung. - Und das ist ja bei den Michel-Vaillant-Comics der Fall. Der Zeichner hat sich im Rennzirkus herumgetrieben und sehr glaubwürdige Darstellungen abgeliefert und in den Stories REIN FIKTIVE Dinge erzählt. Natürlich MÜSSEN die HELDEN dieser Geschichten die GEWINNER sein. Und zwar FAIRE und CHARMANTE Gewinner, keine bösen, unrasierten, ellbogeneinsetzenden, "ich schubs Dich von der Piste"-Gewinner.
So gesehen geht eine Umsetzung im Rollenspiel durchaus.
angefangen beim simplen und allgegenwärtigen Sportthriller oder der Sportkomödie, über Endzeit-Sport (beispielsweise im Film als Salute of the Jugger), Fantasy-Sport (beispielsweise im Brettspiel als Blood Bowl), Dark Future-Sport (beispielsweise im Computerspiel als Deathtrack (um bei einem älteren Titel zu bleiben)).
Interessanterweise wird SPORT interessanter, wenn man das Thema EINGEGLIEDERT in andere Themen anbietet.
Bei RuneQuest auf der Spielwelt Glorantha gibt es die Sportart "Trollball" (von dem es schon lange auch die LARP-Version(en) gibt). Trollball ist so ähnlich wie Bloodbowl und paßt bestens als "Lokalkolorit" für laufende Kampagnen oder auch als zentrales Thema einer Gruppe knallharter Charaktere, die (Salute of the Jugger!) durch die Gegend ziehen von "Spiel" zu "Spiel".
Bei Deadlands gibt es Ähnliches mit "Skull Chucker". Das wird in einer "normalen" Liga (d.h. mit technisch unveränderten Menschen) in Salt Lake City gespielt und ist auch ein Jugger-Spiel. - Außerdem gibt es Varianten, wo mittels Steamtech aufgemotzte Spieler sich mit ihren "Augmentations" beharken können.
Sportler-Charaktere, die NUR ihren Sport im Rollenspiel durchziehen, OHNE WEITERE GESCHICHTEN zu erleben, sind eher langweilig. - Da Rollenspiele GRUPPENSPIELE sind und im Rollenspiel viel miteinander kommuniziert wird, ist die Umsetzung von "Einzelkämpfern" im Sport eher ungeeignet. - Klar, hinter jedem tollen Eiskunst-Solo-Läufer steckt auch ein Team von Trainern, Sponsoren, Dopingärzten, etc. - Doch haben die KEIN SPOTLIGHT (und gerade die Dopingärzte wollen das ja auch garnicht).
Einfacher sind TEAM-Sportarten, wo die Spieler eben die AKTIVEN Teammitglieder spielen. Eben jene, die während des Rugby-Turniers auch tatsächlich in den entscheidenden Spielen etwas ZU TUN haben.
Denn: Spieler wollen mit ihren Charakteren ETWAS TUN KÖNNEN.
Und dieses "etwas" sollte dabei auch entsprechend spannend und WICHTIG im Spielgeschehen sein. Also eben NICHT auf "Gewinne Formel 1 Saison" würfeln, sondern DETAILLIERTESTE REGELN mit möglichst vielen HANDLUNGSOPTIONEN für die Fahrer-SCs über einen - gemessen an der eigentlichen Spielzeit - längeren Zeitraum anwenden.
So etwas wie die detaillierten Kletterregeln, die ich mir mal gewünscht hatte. - Also Regeln, wo (mal anstelle beim Kampfsystem mehr Details, mehr Optionen und mehr Spielzeit vorzusehen) das Kletter AN SICH herausgehoben wird, vor anderen "Nicht-Kletter"-Handlungen.
Der Bedarf an solch einer Hervorhebung der SPORT-Aktionsmöglichkeiten vor "Nicht-Sport"-Aktionen wäre bei einem Sportrollenspiel auf jeden Fall dann vorhanden, wenn der Sport dort nicht nur "nebenbei" passieren soll, sondern den Vordergrund des Geschehens darstellen soll. Ist der Sport nur "Beiwerk", so reicht auch das "Würfle mal auf den Gewinn der Box-WM, Rocky" aus.
Bei Michel Vaillant sind die dort vornehmlich erzählten Arten an Geschichten ziemlich klar.
Was wären denn die Geschichten bei einem Eishockey-Rollenspiel (Slapshot?)?
Und was bei Rollerball (und hier ist zwar das Spiel im Vordergrund, aber es geht im gesamten Film NIE UM DAS SPIEL! - Rollerball als "Spiel", so wie in der außerordentlich schlechten Neuverfilmung des G.E.N.I.A.L.E.N. Klassikers mit James Caan, ist einfach öde.)
Oder bei den Juggern?
Oder bei Rocky I bis XXIV?
Oder Karate Kid?
Oder bei Stihl Timbersports?
Oder Dirty Dancing?
Oder bei so etwas...?
Pumping Iron
Oder ist dieser "Sport" nicht doch wieder NORMALES Rollenspiel, wie hier?
Stay Hungry
Wenn ein Sport-Rollenspiel nicht VIEL MEHR zu bieten hat, als NUR den Sport, dann wird es schnell langweilig. - Das ist auch verständlich, denn eine einzige Sportart immer wieder und wieder durchzuspielen ist sehr SCHMALSPURIG (und da kann das Regelsystem noch so viele Details für diese Sportart aufweisen). - Also muß immer auch noch eine andere Geschichte dabei sein.
Das Team soll aufgelöst werden. Der Trainer möchte seine Ex-Frau zurückgewinnen. Der beste Spieler treibt seine Frau in die Alkoholabhängigkeit. Der Manager will sich lukrativ rechtzeitig vor der Auflösung absetzen. - Um den Sport, um das Spiel geht es hier bestenfalls nur die halbe Zeit (eher weniger!). - Es geht um ALLES ANDERE AUSSER um das Spiel!
Ob das der obige Film als Vorlage ist, ob das Rocky ist, oder Karate Kid, oder Chariots of Fire, oder das Wunder von Bern, oder Shaolin Soccer (genialer Film!), oder Haie der Großstadt (Billiard ist ja auch Sport - und kann über Stunden spannende Unterhaltung bieten, wie das gestrige Finale der Snooker Welsh Open gezeigt hat). - Wenn man NUR den Sport im Rollenspiel (oder im Spielfilm) zeigen möchte, dann reißt das keinen vom Hocker.
Und auch der Vergleich mit anderen Umsetzungen hinkt.
Miniaturenspiel-Fußball ist ÖDE verglichen mit Miniaturen-LIVE-ACTION-Fußball (auch als Tipp-Kick bekannt) oder Tischfußball - wenn man denn schon nicht gleich das Leder selbst treten gehen mag.
Computerspiel-Fußball ist z.T. ödes "Vereins-Management"-Herumgetue und zum anderen Teil bietes es oft viel ECHTZEIT-KLICK-ACTION. Längst nicht so packend wie Tipp-Kick oder Tischfußball, aber besser als andere Umsetzungen. Solche schnelle Aktion mit vielen GLEICHZEITIGEN Aktionsmöglichkeiten, wie im Computer-Fußball-Simulator kann man im Pen&Paper-Fußball-Rollenspiel eh nicht bieten. (Und wenn schon so manche beim Vorschlag Rollenspiele mit Miniaturen zu spielen wieder ihre Inkontinenzwindeln wechseln müssen, so ist zu erwarten, daß sie ihre ach so tolle "Vorstellungskraft" noch weniger durch eine hier eventuell einschiebbare Computerspieleinlage "einengen" lassen würden. - Die nächste Windel für den Herrn mit der Miniaturenallergie bitte.)
Sport lebt ganz stark von der "Live-Action"-Komponente. - Sportübertragungen (am Besten "Live") sind daher auch (für die Fans dieser Sportart) das Interessanteste. Konserven sind schon nicht ganz so frisch und spannend, aber auch noch interessant.
Spielfilme, wo man Sport nur mit viel gequältem Familiendrama ("Vater, diesen Homerun widme ich Dir. Dir allein!" *schluchz*) verdünnt serviert bekommt, sind da schon SEHR auf ein Nischenpublikum ausgerichtet.
Auch die entsprechenden Computerspiele adressieren eher die Nischen, wenn es sich um "nicht-brutale" Sportarten handelt. - Golf-Simulatoren, Tennis, Fußball, Basketball. *gähn* - Das verkauft sich nur an Softies und alte Säcke. Was geht sind KAMPFSPORT-"Simulatoren" (ob Karate, Catchen, Car-Theft - oder ist letzteres eventuell garkein Sport?).
Daher ist auch ein Catcher-Rollenspiel ein blöde Idee. - Beim Catchen will man ACTION und man will sie SEHEN (deswegen sind die Catch-Techniken auch so langsam und so auffällig - damit eben der letzte faule Chipsfresser mit Bier in der Birne die noch erkennen kann). - Und was soll man davon, also von den KERNQUALITÄTEN einer Catch-Veranstaltung im Rollenspiel als Hauptgeschichte spielen?
In vielen (Fantasy-)Rollenspielen werden ja Gelegenheiten zum Ringkampf, Faustkampf, Weitsprung, Zielschießen, usw. angeboten. Oft im Rahmen von Jahrmarkts-Kolorit, an welchem sich die SCs auch beteiligen können. - Aber eben nicht im Vordergrund. Nicht mit Sport als DEM KERNTHEMA. - Und das ist auch gut und richtig so.
Das Interessanteste am Sport ist das SICHTBARE. - Und da können Rollenspiele schlecht punkten.