AW: Sportrollenspiel?
Silvermane schrieb:
Was uns zur Frage bringt, wie man koordiniertes Vorgehen zwischen 2 Gruppen á 11 Einzelindividuen sowie dem "Stammpersonal" an Schiedsrichtern, Ersatzleuten und Sanitätern vernünftig umsetzen will, wenn es vordergründig um das Erzählen der Geschichte einiger weniger herausragender Persönlichkeiten geht...
Es muß ja nicht um die wenigen Stars gehen, sondern der "Charakter" könnte eben eine ganze Mannschaft sein, bzw. der Charakter ist der Mannschaftsführer und alle Spieler sind diesem bei- oder untergeordnet. Solche "Gruppencharaktere" sind z.B. bei HeroQuest der Normalfall. Da gibt es einen Führer der Gruppe und - für unterschiedliche Spezialitäten (z.B. Torwart) - eben andere Charaktere, die sich im Beziehungsgraphen diesem unterordnen. Was bei Heldentruppen, bei Kulten, bei Reisegruppen funktioniert, das kann auch bei Mannschaftssportarten funktionieren. Nur: HeroQuest hat ein recht abstraktes Konfliktauflösungssystem. Das wäre vielleicht zu abstrakt, wenn eine Erwartung an spannende Ballaktionen und ähnliche, detaillierter gewünschte Aspekte eines Mannschaftssportes bestehen.
Silvermane schrieb:
...oder auch "Wenn ich Fußball spielen will, kauf ich mir FIFA 2009 oder Tippk(l)ick."
Beides ist anders/wäre anders als ein Fußball-Rollenspiel. Und selbst in einem Fußball-Rollenspiel müßte man sich überlegen, ob da der Fokus wirklich auf dem einzelnen Spieler liegen würde, oder auf der "Führungsmannschaft" des Vereins, die Sponsorengelder finden, Marketing betreiben, die privaten Skandälchen ihrer Spieler dementieren, Spieler ein- und verkaufen müssen, gehen soll.
Tipp-Kick hat hingegen eine ganz klare Ausrichtung: Live-Action-Fußball-Tabletop. Und das macht es verdammt gut. Man hat aber beim Tipp-Kick nicht so sehr das Gefühl, daß man eine Fußball-Simulation spielt, sondern man spielt "Tipp-Kick". Ein mit Elementen des Fußballs verknüpftes Tabletop-Reaktionsspiel, welches soviel Eigenes, soviel Eigenheiten und soviel abseits vom Fußball-Bild mitbringt, daß es für sich selbst zu begeistern vermag.
Silvermane schrieb:
Sport ergibt nur selten gute Stories.
Doch, Sport gibt sehr wohl tolle, spannende Geschichten. Nur drehen sich diese allein um die Ausübung, den Wettkampf, den Erfolg, die Niederlage, die Vorbereitung, das Training, den Willen und die Leistung. - Das wird recht schnell langweilig. Wäre das nicht so, dann bräuchte man nämlich in Boxerfilmen nie etwas anderes als das Training, die Kampfvorbereitungen und den Kampf selbst zu zeigen. Doch das ist für die meisten Normalkonsumenten nicht mehr als genau einmal interessant.
Silvermane schrieb:
Oder warum stürzt sich wohl die Boulevardpresse wie eine Horde ausgehungerter Aasgeier auf das Privatleben der Sportler?
Weil sie Schweine sind?
Aber auch, weil Sportler durch ihre in der Öffentlichkeit zelebrierten Erfolge (und Mißerfolge) im Fokus der Aufmerksamkeit stehen. Und wie bei jedem Promi können sie nichtmal Scheißen gehen, ohne daß ein "Journalist" etwas davon mitbekommt und ohne daß ein Verlag diesen Privatkram auch noch kauft und veröffentlicht. - Klar, das müßte nicht so sein. Aber die Menschen, alle, sind neugierig. Und man kann seinen eigenen, deprimierenden Hartz IV Alltag vielleicht ein wenig besser ertragen, wenn man weiß, daß Oliver Kahn ständig im Stehen pinkelt und dabei immer die Klobrille versifft. Juchu! Das rettet wieder den Tag und man ist selbst nicht so jämmerlich.
Das ist NICHT zynisch gemeint! - Es hilft tatsächlich. Wer kann es denn schon ertragen, wenn man selbst nicht so erfolgreich, so schön, so stark, so reich ist, daß man solche Super-Idole stets im Glanzlicht vorgeführt bekommt? Das macht zornig. Das ärgert oder deprimiert einen, weil man - mit Recht - neidisch ist. Warum sollten diese Leute denn soviel besser, soviel bessere Menschen als man selbst sein? - Und genau deshalb ist es wichtig, daß die Revolverpresse auch die Schattenseiten zeigt: die Krebsoperationen, das ungeschminkte Gesicht, das unbeholfene Techtelmechtel im Swimmingpool. Das holt die "Sterne" wieder auf den Boden aller anderen Menschen herab. - Daher braucht es so etwas eben auch.
Silvermane schrieb:
Ich stelle mal die Behauptung auf, das sich (Mannschafts)Sport im klassischen Sinne keinen Meter weit für Rollenspielszenarien eignet, da das Individuum und seine Entscheidungen hier keinen wirklichen Wert hat.
Wenn ich einen Offiziers-Spielercharakter habe, der einen Trupp von 20 Marines anführt, um eine Bunkerstellung im Dschungel auszuheben, dann hat der einzelne Soldat, den er kommandiert, auch nicht diesen Fokus. Er steht sozusagen "auf seinem Ausrüstungsbogen". Das ist bei jedem Genre, in welchem eine echte Hierarchie mit Befehlsgewalt vorliegt, der Fall. Der Spielercharakter, der in AD&D seinen Stronghold gebaut hat, der Men@Arms, Henchmen, Hirelings, Follower hat, wenn dieser "Fürst aus eigner Macht" nun bedroht wird von einem übelen Nekromanten, der sich an seiner Landesgrenze breit gemacht hat, dann wird es Krieg geben. Im Krieg wird er Späher ausschicken. Er wird seine Truppen ausrüsten. Er wird fähige, erfahrene Unteroffiziere suchen müssen. - Gespielt wird der Fürst UND all seine Truppen. - So war das zumindest im alten AD&D 1st Ed. noch. Und das hat sich in diesen Ebenen des Rollenspiels nicht groß geändert. Wer Verantwortung für eine Gruppe an unter- oder nebengeordneten Menschen übernimmt, der steht aus der Gruppe heraus. Auch ein Erster unter Gleichen ist zunächst einmal ein Erster.
Und auf dieser Basis kann man auch ein Mannschaftsspiel angehen. Es muß nur einen SC geben. Der Rest können "Extras" sein. Wenn bestimmte Rollen in der Mannschaft und der Umgebung besetzt werden sollen (wie Trainer, Masseur, Links-Außen, Quarterback, ... ) dann können diese auch von SCs, und somit in sofort prominenterer Rolle besetzt werden, müssen aber nicht.
Gehen würde das schon. Nur wollen hat es bislang kaum einer. So wenige, daß es sich nicht - im Gegensatz zum Individual-KAMPF(!)-Sport als eigenständiges Rollenspiel tragen würde. Bei Kampfsport-Rollenspielen ist eigentlich - meist, aber nicht immer - die tödliche Konsequenz aus dem Kampfsystem herausgefiltert und ansonsten bekommt man nur die "besten Szenen", nämlich die Kampfszenen vorgesetzt, ohne sich um langweiliges Gängeentlanglatschen und Gelaber vor einem Kampf kümmern zu müssen. Alles Gute, aber ohne das Fett! - So etwas kann sehr gut funktionieren.