AW: Spieler zu mehr Eigeninitiative ermuntern
Wie kriegt man also Spieler dazu, mehr Eigeninitiative zu entwickeln? Und welche Werkzeuge kennt ihr diesbezüglich in RPG-Systemen oder welche Fallen euch selbst ein?
Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, daß ich zwei Dinge für wichtig, vielleicht sogar essentiell erachte.
Als erstes sollte man die Spielwelt lebendig darstellen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als die Gruppe (in einem Fantasy-System) Unterschlupf vor dem Unwetter auf einem Bauernhof erbaten und dort, dank der Anwesenheit eines Barden, dann zum Essen mit der Familie eingeladen wurden. Der Barde erzählte also von den Abenteuern und die kleinen Bälger hatten große Augen, doch als diese im Bett waren, erkannte die Gruppe, daß der Vater sehr stark in Gedanken versunken war. Er erzählte dann von einem gerissenen Schaf, das er im Wald gefunden hatte - eigentlich gar nicht wild, ein Bär, ein Wolfsrudel, aber nein, die Spieler wollten aus dieser kleinen Geschichte offensichtlich einen Plot machen und der SL stieg natürlich begeistert ein. Aus einer Geschichte, die eigentlich nur dazu dienen sollte, um den strahlenden Helden ein wenig den harten Alltag der normalen Bevölkerung schildern sollte, wurde ein abend- und nachtfüllendes Erlebnis. Ohne die Eigeninitiative der Spieler undenkbar.
Oder bringe die Spieler in verantwortliche Positionen. Beschreibe kurz den momentanen Stand (oder laß ihn dir beschreiben) und dann warte einfach ab. Ich habe da die Erfahrung gemacht, daß die Spieler von ganz alleine aktiv werden und dem Nachbarland den Krieg erklären, Bündnisse suchen, Intrigen spinnen und aufklären wollen, sich um ihre Sicherheit und die ihrer Nächsten sorgen (und dabei nahezu paranoide Züge annehmen) usw. Das scheint - zumindest auf einen Teil der Spieler, die ich kenne - eine in Sachen Eigeninitiative beflügelnde Wirkung haben.
Der zweite Aspekt ist eine "laissez-faire"-Haltung des SLs. Ein schöne Aktion, an die ich mich noch erinnern kann, bestand darin, daß der Waldläufer der Gruppe bei der Suche nach Nahrung eine "Anhäufung von Spuren Wilder" (Spieler-O-Ton) fand. Als er wieder zur Gruppe stieß, teilte er diesen seine Entdeckung mit (der Grund war einfach, daß er seiner Nahrungssuche etwas mehr Atmosphäre verleihen wollte und dies in den Landstrich paßte, in dem sich die Gruppe gerade aufhielt), was ein anderer Spieler sofort aufnahm. Gar nicht weit entfernt, lag ein Dorf, wie er wußte, weil er dort einmal gelebt hatte. Zwar wurde er fortgejagt, aber er konnte dies nun verstehen und im Grunde waren die Leute immer gut zu ihm gewesen. Er wollte diese Leute nicht dem Schicksal übergeben, der Paladin war natürlich sofort auf dessen Seite und auch der Rest der Gruppe [Helden (!)] war sofort überzeugt. Ein SL, der nur seinen Plot durchziehen möchte (weil sonst ja die Arbeit umsonst gewesen ist), hätte sicherlich irgendwann interveniert und die Eigeninitiative zerstört.
Der SL ist darüber hinaus auch noch weiterhin gefragt. Ich habe den Eindruck (und dieser wurde mehrfach bestätigt), daß SLs bei Eigeninitiative zu einer Überreaktion neigen. Bei Shadowrun ist dies sehr klassisch. Wenn der Auftrag es verlangt, daß die Spieler den neuesten Prototypen aus der härtesten Hochsicherheitsanlage stehlen, dann ist dies prinzipiell erst einmal möglich [den Typus SL, der die Spieler(charaktere) vor unlösbare Aufgaben stellt, lasse ich außen vor]. Wollen die Spieler das gleiche Unterfangen auf eigene Faust durchführen, wird der SL nicht müde diese Bemühungen (durch die Blume) als "undurchführbar" abzuschmettern.