oD&D/AD&D Spears of the Dawn - Fantastic adventures in an untamed land

Belchion

Ghul
Registriert
2. März 2008
Beiträge
941
Spears of the Dawn - Fantastic adventures in an untamed land
von Kevin Crawford, Sine Nomine Publishing, ISBN: 978-1-936673-34-6

Kevin Crawford bringt einen afrikanisch inspirierten Rollenspiel-Sandkasten heraus - als großer Fan der OSR und Crawfords bisheriger Werke (Red Tide, Stars without number) war ich da natürlich sofort Feuer und Flamme. Als ich dann das Titelbild sah, konnte ich nicht widerstehen und habe es sofort gekauft.

Fangen wir vorne an, in diesem Fall mit den Regeln. Auf den ersten 65 Seiten bringt das Buch ein vollständiges Regelwerk unter, welches die klassischen Konzepte aus alten D&D-Versionen mit afrikanischer Folklore anreichert. Aus dem Barden wird der Griot, aus dem Kleriker der Marabout, aus dem Magier der Nganga, bloß der Krieger bleibt sich treu.

Die Regeln tun, was sie sollen, enthalten teilweise hervorragende Neuinterpretationen. Bloß bleiben die Klassen leider arg generisch: Wenn ich den Griot umbenenne, dann passt er als Skalde problemlos zu den Wikingern und als Barde ins keltische Irland. Lediglich der Nganga sticht ein bißchen heraus, weil er eher dem Thaumaturgen aus MIDGARD als dem klassischen D&D-Magier ähnelt. Das afrikanische Flair wird vor allem von den (teilweise großartigen) Bildern transportiert, sowie von den afrikanischen Bezeichnungen für Zauber, Währungen, Gewichte und Maße.

Als nächstes folgt auf etwa dreißig Seiten das eigentliche Setting, das mich besonders stark enttäuschte. Den vorgestellten fünf Völkern fehlt jede Eigenart, dort stehen einfach ein Händlerreich, ein Nomadenreich, ein Zaubererreich, ein Kriegerreich und ein ehemaliges Großreich ohne jeglichen Bezug nebeneinander. Alle Völker sehen unterschiedlich aus, kleiden sich unterschiedlich, leben unterschiedlich. Seit ihrem Sieg über das Untotenreich vor 60 Jahre scheinen sie einander vollkommen zu ignorieren.

Das gilt auch für das Verhältnis der Völker zur restlichen Welt: Vollkommen isoliert. Im Norden liegt ein Gebirge, in dem Riesen wohnen und alle Menschen fressen, die es betreten. Im Osten gibt es eine Wüste und Untote, die ebenfalls niemanden durchlassen. Im Süden liegt ein dichter Wald, aus dem ständig Orks strömen, die alle Menschen töten, derer sie habhaft werden. Im Westen verhindert eine tückische See jeglichen Verkehr. Besonders stört mich hier, dass hier keine afrikanischen Bedrohungen genutzt wurden, sondern halt Untote und Orks, wie sie auch in jedem anderen Setting vorkommen.

Danach kommen Tipps, wie man ein Sandkasten-Spiel leitet sowie nützliche Werkzeuge, um die Welt auszugestalten. Sehr gut geschrieben, wenn auch wieder größtenteils sehr allgemein gehalten. Anders das Bestiarum, wo Crawford zeigt, dass er afrikanisches Flair bereitstellen kann. Einfach großartig, die Monster machen Lust auf mehr.

Insgesamt bereue ich den Kauf etwas. Die guten Teile, also die Regeln und Leithilfen, habe ich bereits aus Stars without numbers. Vom Setting bin ich vollständig enttäuscht, da es wenig Substanz bietet, wenn man versucht, es in eine größere Welt zu verweben.

Wer also ein komplettes Rollenspiel möchte, das in einer afrikanisch angehauchten Welt spielt, mag gerne zugreifen. Ich hingegen war enttäuscht, weil ich einen afrikanisch inspirierten Teil für ein größeres Setting wollte, mit vielen Inspirationen, mit Hilfen, wie man es vom klassischen europäischen Fäntelalter unterscheidet. Eine Welt, die das Flair von Filmen wie Kiriku und die Zauberin oder Serien wie Kassai und Leuk einfängt. Das fehlte mir bei Spears of Dawn, in dieser Hinsicht bietet Heißes Land Buluga deutlich mehr.
 
Ich bin von SotD richtig BEGEISTERT. Endlich einmal ein frisches Sandbox-Rollenspiel, das nicht den ausgetretenen EDO-Pfaden folgt.

Und gerade bei einem Sandbox-Setting erwarte ich auch nicht mehr Setting-Details, da dies genau das ist, was ich SELBST einbringen möchte.
 
Nun ja, so generisch wie es ist, kannst du dem Zauberervolk im Wald ja die Ohren langziehen und schon haste Elfen, gegen Orks kämpfen sie ja ohnehin schon... Zum EDO fehlen meines Empfindens nach eigentlich bloß die Zwerge.

Auch ansonsten finde ich das Setting für eine Sandbox nicht sonderlich geeignet, weil es kaum Anlaufpunkte gibt, wo Spieler gleich von Anfang an sagen können "Da will ich hin." Eigentlich bietet SotD gar kein Setting, sondern bloß einen Werkzeugkasten, um sich ein Setting zu bauen.
 
Nichts was ich von den Viechern im Wald gelesen habe lies mich auch nur annähernd an Orks denken ("meine" Orks sind immer erstmal DSA-Orks, vielleicht ist das anders wenn man an andere Orks gewöhnt ist).
Auch dass die Völker keine Eigenarten haben kann ich nicht bestätigen. Die Völker sind an historische Beispiele angelehnt, von denen der Autor ausgeht, dass man sie kennt - wen dem nicht so ist, wird es natürlich schwierig. Aber zu Warhammer-Bretonen wird auch nicht jede Einzelheit beschrieben, da davon ausgegangen wird, dass der Leser etwas übers mittelalterliche Frankreich bzw. die Klischees darüber weiß. Da hätte vielleicht der eine oder andere konkrete Literaturhinweis geholfen.
Ansonsten stimme ich auch Zornhau zu, es gibt viele Hooks, Aufhänger und Inspirationen für eine Sandbox. Etwas konkreter wäre ok gewesen, viel konkreter hätte auch ich als zu viel empfunden. Ein schwieriger Drahtseilakt für einen Autor.
 
Die Völker sind an historische Beispiele angelehnt, von denen der Autor ausgeht, dass man sie kennt - wen dem nicht so ist, wird es natürlich schwierig.
Genau das kritisiere ich: Das Setting erfordert Hintergrundwissen über die verwendeten afrikanische Kulturen (und ich habe in einigen Fällen keine Ahnung, welche Kulturen er meint, und in den restlichen Fällen die Auswahl zwischen Dutzenden verschiedener Kulturen). Es eignet sich daher in keinster Weise, um die afrikanische Kultur fürs Rollenspiel zu erschließen, denn wenn ich dieses Hintergrundwissen hätte, könnte ich es mir ein solches Setting problemlos selbst aus dem Ärmel schütteln.
 
Es eignet sich daher in keinster Weise, um die afrikanische Kultur fürs Rollenspiel zu erschließen,[...]
Ok, da haben wir wohl grundlegend verschiedene Ansichten, was in ein Rpg-Grundbuch gehört und was in der Wikipedia & Büchereien besser aufgehoben ist.
Zum reinschauen und einen Eindruck bekommen ist es ausreichend. Eine Literaturangabe ist auch dabei und wer sich gut auskennt wird die nicht mal brauchen. Für mich ist darüber hinaus gehendes Kultur erschließen vertane Zeit des Autors (vor allem bei dem Preis), wurde alles schon an anderen Stellen nieder geschrieben. Ein Verweis in der Literaturliste, welches Volk an welchem Vorbild angelehnt ist wäre das einzige was ich noch definitiv gut heißen würde - auch im Hinblick auf die Spieler, die was zum Hintergrund ihres SC lesen wollen, sonst aber für den Anfang mit sehr oberflächlichen Informationen glücklich sind.
 
Ok, da haben wir wohl grundlegend verschiedene Ansichten, was in ein Rpg-Grundbuch gehört und was in der Wikipedia & Büchereien besser aufgehoben ist.
Ja, ganz eindeutig. Ich brauche z.B. keine fünfseitige generische Beschreibung, wie vormoderne Gesellschaften aufgebaut sind - so etwas kann ich mir auch in einem Völkerkundebuch anlesen. Für die Seiten 70-75 hätte tatsächlich ein Satz gereicht, um auf entsprechende Literatur hinzuweisen.

Von einer Settingbeschreibung erwarte ich hingegen, dass sie mir Kulturen mit abenteuerrelevanten Eigenarten beschreibt und wie ich diese Eigenarten in meiner Kampagne nutzen kann. Das kann mir ein Buch über die Kultur Songhais, Gaos, Malis, Nubiens, Kongos, Lundas oder Äthopiens nämlich nicht bieten. Bloß fällt SotD hier ebenfalls komplett durch, weil es nie über sehr generische und statische Volksbeschreibungen hinauskommt.
 
Zurück
Oben Unten