Rezension The Shadow of Yesterday

Lord Verminaard

Autor von BARBAREN!
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19. Januar 2006
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The Shadow of Yesterday
Grundregelwerk​

Anhang anzeigen 20017TSoY bezeichnet sich selbst als pulpig-romantisches Fantasy-Rollenspiel, das versucht, das Beste klassischer Fantasy-Rollenspiele mit einem kraftvollen Erzählungs-Motor der Forge-Machart zu vereinen.

Präsentation

Das Buch ist das übliche Kleinformat der Forge-Spiele, allerdings mit immerhin 209 Seiten für ein solches relativ dick. Das Layout ist übersichtlich und funktional, aber relativ langweilig. Das Cover-Art ist bunt und comichaft wie auch die meisten schwarz-weiß-Illustrationen im Inneren, die von verschiedenen Künstlern zusammengeschnorrt sind und sehr unterschiedliche Qualität aufweisen. Insgesamt tragen die Illustrationen relativ wenig dazu bei, die Stimmung der Spielwelt zu vermitteln.

Bei meiner Ausgabe des Buches ist ein bisschen was schief gelaufen, sodass der Blurb hinten auf dem Cover und das Advertisement am Ende des Buches von Hieroglyphen verunziert werden. So was sollte eigentlich nicht passieren, genau so wenig wie ein Fehler in einem der ohnehin spärlichen Beispiele, der das Verständnis erheblich erschwert. Im Anvilwerks-Forum liest man häufiger von Unstimmigkeiten in der Revised Edition, die dadurch entstanden sind, dass aus der First Edition übernommene Textpassagen nicht sorgfältig genug überarbeitet wurden. Das ist schon misslich, zumal es nicht mal eine Errata gibt.

Der Schreibstil ist insgesamt recht ansprechend, aber an ein paar Stellen musste ich stocken, weil ich die Erklärung der Regeln auch bei wiederholtem Lesen unverständlich fand. Störend fand ich auch, dass die „Crunchy Bits“ (Beschreibung einzelner Abilities, Secrets und Keys) über das ganze Buch verteilt sind, sodass man bei der Charaktererschaffung sehr viel blättern muss. Immerhin gibt es auf der Homepage eine vollständige Liste der Secrets und Keys als PDF, aber das Problem bei den Abilities bleibt bestehen.

Inhalt

Nach einer kurzen Einführung werden zunächst Charakterwerte und Charaktererschaffung erklärt, dann der Spielablauf und die Spielregeln, Tipps für Spieler und SL, dann folgt eine kleine Einführung in die Welt, dann die Beschreibung der vier spielbaren Rassen und schließlich die Beschreibung der fünf wichtigsten Nationen der „World of Near“.

Die Welt

Die World of Near wird eher generell beschrieben. Namen und genauere Beschreibungen einzelner Städte wird man hier vergebens suchen, ebenso wie Namen und Werte von wichtigen NSCs. Es gibt viele weiße Flecken auf der Landkarte. Das Setting ist detailliert genug, um zu inspirieren, aber am Ende ist es doch sehr offen und passt sich den Bedürfnissen der einzelnen Spielrunde an. Im Vordergrund steht bei allen Elementen des Settings das Konfliktpotential. Dem Autor gelingt es hier sehr gut, eine Menge interessante innere und äußere Konflikte in die Rassen und Nationen einzubauen und diese auch mechanisch über die Keys zu verankern (s.u.) Die Welt wird plakativ mit folgenden Schlagworten charakterisiert:

No gods.
No monsters.
Just people.

Vor 300 Jahren wurde die World of Near von dem Himmelsfeuer heimgesucht und an den Rand der Zerstörung gebracht. Diese Katastrophe zog wohl aufgrund der Verbreitung der magischen Sprache Zu herauf, der Sprache der Schöpfung, die wahr werden lässt, was immer man in ihr ausspricht. Der Leser versteht, dass ein Komet den Planeten gerammt hat und dabei ein Mond entstand. Auf diese Katastrophe folgte das Jahr des Schattens, in dem kein Sonnenstrahl die dichten Staubwolken durchdringen konnte. Reiche zerbrachen, 90% der Bevölkerung wurde dahingerafft. Nur langsam erholt sich die Welt von diesem Schock.

Rassen

Menschen sind die häufigste Rasse. Ihre einzigartige Eigenschaft ist die Fähigkeit zu lieben. Ansonsten haben sie keine Rassen-Vorteile, was andererseits heißt, dass sie mehr Punkte für „normale“ Vorteile ausgeben können.

Elfen und Goblins sind die „alten Rassen“, die mit den Menschen verwandt sind und sich einst aus diesen entwickelt haben. Ein Elf glaubt, dass die ganze Welt ein Traum ist und er selbst der Träumer. Elfen gebieten über mächtige Magie, die sich in einer schimmernden Aura mit Optionen zu diversen Effekten (Secrets) manifestiert, besonders aber darin, dass Elfen unsterblich sind und selbst, wenn sie gewaltsam getötet werden, bald wieder körperlich zurückkehren (wenn auch mit leicht reduzieren Spielwerten). Ein Elf ist ganz auf sein Selbst fixiert. Opfert er sich für andere oder schafft er neues Leben, wird er menschlich und verliert all seine Fähigkeiten.

Goblins sind unstet und sprunghaft – so sehr, dass sich sogar ihre körperliche Gestalt mit ihren augenblicklichen Interessen verändert. Jeder Goblin hat eine Abhängigkeit, irgendetwas, was er unbedingt und immer haben muss. Durch Liebe kann der Goblin die Abhängigkeit überwinden, doch damit verliert er auch seine Sprunghaftigkeit und findet seine endgültige Gestalt.

„Ratkin“ sind erst nach dem Jahr des Schattens aufgetaucht. Es handelt sich um etwa 1,20 m große Rattenmenschen, zwar intelligent, aber an viele „zivilisierte“ Konzepte nicht gewöhnt. Z.B. verstehen sie nicht, was Eigentum sein soll. Wenn jemand seine Besitztümer nicht beschützt, warum sollte man sie nicht nehmen dürfen? Ratkin haben eine enge Beziehung zu ihrem Rudel und leben mit normalen Ratten in Gemeinschaft, mit denen sie auch sprechen können.

Nationen

Das Buch deutet weitere Nationen an, beschreibt jedoch nur fünf. Jede Nation hat ihre Besonderheiten wie bestimmte Magie oder sonstige Gimmicks.

Maldor, das ehemalige Großreich, wird heute von einer Unzahl konkurrierender Provinzherrscher beansprucht. Teils durch Intrigen, teils durch offenen Bürgerkrieg versuchen diese, die Vorherrschaft zu erlangen, während radikale Untergrundkämpfer auf den Wahren Imperator warten und Sprengstoffattentate auf die Potentaten verüben. Indessen schlummern vergessene Schätze und Artefakten in den Ruinenstätten des alten Reiches, die heute nur noch von Tod und den Ratkin bevölkert werden. Aus Maldor stammt auch die „Drei-Ecken-Magie“, eine relativ klassische Form der Zauberei mit „schwarzen“ und „weißen“ Künsten.

Ammeni war früher ein Teil von Maldor und ist heute die einzige „Großmacht“, die oligarchisch von mehreren großen Händler-Häusern beherrscht wird. Es ist ein Land der Sklaverei, Drogenexzesse, ausgefallenen Küche und Giftmischerei. Schlangen und Verräter, Sinnesfreuden, großer Reichtum und noch größeres Elend.

Zaru ist ein ärmliches Land der Sümpfe und Reisbauern, einst die Heimat der magischen Sprache Zu, die am Tag des Himmelsfeuers zerschmettert und ihrer Macht beraubt wurde. Einzelne Silben der Macht sind noch unter den Menschen im Umlauf, jedoch kann diese stets nur ein einziger Mensch beherrschen. Viele sind auf der Jagd nach den Silben der Macht, mit unterschiedlichen Motiven. Zaru ist indes von Ammeni besetzt, sein pazifistisches Volk versklavt. Es gibt verschiedene Untergrund-Organisationen, einige von ihnen sind Meister der waffenlosen Kampfkunst.

Khale ist ein Reich des undurchdringlichen Waldes, in dem verschiedene Barbarenstämme hausen. Die Khaleaner sind tief spirituell und kennen Wege in das „grüne Reich“, eine parallele Welt in den Bäumen, in der die Ahnen noch wandern und Zeit und Raum anderen Gesetzen gehorchen. Vor ein paar Jahren hat Ammeni Khale den Krieg erklärt, doch die untereinander zerstrittenen Stämme der Barbaren schaffen es nicht, gemeinsam den Widerstand zu organisieren. Zusätzliches Spannungspotential entsteht, da Frauen nach dem Gesetz der Barbaren nicht kämpfen dürfen, viele Frauen aber gerne für ihre Volk kämpfen würden. Einige Khaleaner befahren die Meere als gefürchtete Piraten, und die Barden Khales gebieten über drei magische Akkorde. Dann ist da noch das mit dem Himmelsfeuer gekommene Mondsilber, ein Metall, das wie Bäume wächst und sich in jede beliebige Form bringen lässt, aber die Verbindung zum grünen Reich unterbricht.

Schließlich ist da noch Qek, das mysteriöse Land der Dschungel und Lagunen, der tödlichen Seeungeheuer, der Zombies und der geisterbeschwörenden Schamanen. Die Geheimnisse und Edelsteine von Qek locken viele Entdecker an, doch niemand weiß, welche Gefahren noch in den undurchdringlichen Dschungeln und den himmelhohen Bergen dahinter lauern mögen.

Charaktere

Bei jeder Nation stehen ein paar Beispielnamen und ein paar Vorschläge für Charaktere. Die Charaktere werden ohne Klassen oder Archetypen anhand einiger einfacher Regeln zusammengebaut. Man kann ihnen eine variable Anzahl von „Advances“ geben, um sie zu Beginn mächtiger oder weniger mächtig zu machen. Leider wird die Charaktererschaffung ein wenig dadurch verlangsamt, dass wie erwähnt die Abilities, Keys und Secrets, aus denen man wählen kann, über das gesamte Buch verstreut sind, nämlich teils im allgemeinen Teil, teils bei den Rassen und teils bei den Nationen.

Da die verschiedenen Werte der Charaktere jeweils auch unterschiedliche Bedeutungen für die Spielmechanik haben, erkläre ich beides gleich im Zusammenhang.

Abilities, Proben, Konflikte

Im Zentrum des Proben- und Konfliktsystems stehen die Abilities des Charakters. Diese sind relativ breit („Woodscraft“ ist alles, was man im Wald so braucht, „Scrapping“ umfasst Kämpfen mit und ohne Waffe egal welcher Art) und werden in Stufen von 0-4 eingeteilt. Eine Probe wird immer auf eine Ability abgelegt. Dazu werden 3 Fudge-Würfel gewürfelt und das Ergebnis mit dem Level des Charakters in der Ability verrechnet. Fudge Würfel = W6 mit zweimal (+), zweimal (-) und zweimal nix drauf.

Zunächst mal wird jeder Konflikt durch eine einfache Probe gelöst. Der Spieler sagt, was er erreichen will, und der SL sagt, was passiert, wenn der Spieler verliert. „Ich klettere die Felswand hoch.“ – „Wenn du es nicht schaffst, stürzt du ab und brichst dir ein Bein, das bedeutet Level 5 Harm.“ Spieler können durch verschiedenen Umstände Bonus- oder Maluswürfel bekommen. Es werden dann entsprechend mehr als 3 Fudge-Würfel gewürfelt und nur die 3 besten bzw. schlechtesten gezählt.

Z.B. können besondere Umstände der Umgebung für Bonus- oder Maluswürfel sorgen. Auch die Erfolge einer vorangegangenen unterstützende Probe auf eine andere Ability werden als Bonuswürfel angerechnet, die Erfolge einer störenden Probe des Gegners als Maluswürfel. Weitere Möglichkeiten, Bonuswürfel zu bekommen, sind Pools, Secrets und Gift Dice (s.u.)

Bringing Down the Pain + Harm

Wenn dem Spieler das Ergebnis der einfachen Probe nicht gefällt, kann er sich entscheiden, den Konflikt stattdessen zu erweitern und in kleinere „Häppchen“ aufzuteilen. In diesem erweiterten Konflikt können Charaktere Schaden nehmen und auch Charaktere mit einem Namen (einschließlich Spielercharaktere) getötet werden. Außerdem haben Spieler die Möglichkeit, zwischen zwei Runden ihre Intention zu ändern. So kann aus „ich will sie ausschalten“ ein „ich will sie verführen“ werden. Oder aus einem „ich will ihn überzeugen“ ein „ich will ihn töten“.

In Konflikten (und unter Umständen auch außerhalb) können die Spieler Schaden („Harm“) nehmen. Dieser kommt in drei Arten: Vigor, Instinct, und Reason. In diese Kategorien sind auch die Pools (s.u.) und die Abilities eingeteilt. Trotzdem gibt es nur einen Harm-Tracker. Du hast also Level 5 Harm entweder in Vigor oder in Instinct. Ist es Vigor, und du nimmst danach Level 5 Harm in Instinct, wird daraus Level 6 Harm in Instinct, und du bist „bloodied“ (d.h. da läuft nicht mehr viel). Man kann BDtP jederzeit aufgeben, dann bekommt der andere das, was er will. Dumm nur, wenn du eine Runde zu lang gewartet hast und seine Intention jetzt ist, dich zu töten.

Rüstungen und Waffen wirken sich auf den „Harm“ aus, wobei „Rüstung“ oder „Waffe“ hier nicht unbedingt ein Schwert sein muss, sondern alles sein kann, was dem Gegner in einem Konflikt Schaden zufügt. „Hier habe ich einen Brief des Herzogs, der mich legitimiert! Was sagt Ihr nun?“ Eine Differenzierung der Vor- und Nachteile einzelner Waffen und Rüstungen sowie sonstige Ausrüstungslisten sucht man vergebens, darum geht es in TSoY einfach nicht.

Pools

Es gibt drei Pools, die bereits erwähnten Vigor, Instinct und Reason. Punkte aus den Pools kann man ausgeben, um sich Bonuswürfel für Ability Checks zu kaufen, oder aber man braucht sie, um bestimmte Secrets (s.u.) zu aktivieren. Einen leeren Pool frischt man auf, indem man sich ertüchtigt: Um Vigor aufzufrischen, sollte man sich körperlich verausgaben, vielleicht Sport treiben oder in die Sauna gehen. Um Instinct aufzufrischen, sollte man sich Sinnesfreuden hingeben, Flirten oder ein Glücksspiel spielen. Um Reason aufzufrischen, wäre ein anspruchsvolles Strategiespiel oder eine intellektuelle Diskussion das richtige.

Secrets

Secrets sind alle möglichen kleinen Sonderfertigkeiten, die die taktischen Optionen des Spielers erweitern und ein „As im Ärmel“ des Charakters sind. Hierzu zählen alle möglichen magischen Fähigkeiten, bestimmte Kampf-Kniffe, Giftmischerei und vieles mehr. Dadurch, dass die ganzen schicken Rassen-Vorteile als Secrets gekauft werden müssen, wird das System ausgewogen. Schwächere Secrets sind immer aktiv, stärkere müssen ggf. mit einem oder sogar mehreren Pool-Punkten aktiviert werden.

Keys

Schließlich hat ein Charakter noch Keys. Dabei handelt es sich um Motive oder Wesenszüge des Charakters, die der Spieler besonders interessant findet und gerne in das Spiel einbringen möchte. Die Keys bewirken, dass der Spieler genau dafür Erfahrungspunkte bekommt. Habe ich beispielsweise den „Key of Conscience“, so bekomme ich 1-5 XP, wenn ich anderen helfe, je nachdem, wie gefährlich oder schädlich das für mich ist. Habe ich den „Key of the Overlord“, dann bekomme ich 1-3 XP, wenn ich andere dazu bringe, etwas gegen ihren Willen zu tun.

Die Keys sind teilweise auf das Setting abgestimmt und verarbeiten die im Setting angelegten Konflikte. Daneben gibt es Keys, die Freundschaft und Liebe als wichtiges Thema aufgreifen („Fraternity“, „Love“, „Unrequited Love“), aber auch Klassiker wie „Rache“, „Schwur“ oder „Mission“ sind am Start. Zudem ist es ganz einfach (und wird vom Autor ermutigt), sich eigene Keys auszudenken.

Die Keys sind allerdings keine statische Vorgabe für das Spiel des Charakters. Charaktere in TSoY sollen sich verändern, und gleiches gilt für die Keys. Jeder Key hat daher einen „Buy-Off“, eine Handlung, die dem Key zuwider läuft, wie z.B. jemand im Stich lassen für den „Key of Conscience“ oder einen Sklaven/Bediensteten freigeben für den „Key of the Overlord“. Wenn der Charakter diese Handlung ausführt, kann der Spieler (muss aber nicht) den Key „verkaufen“ und erhält dafür sofort 10 XP. Dafür darf er denselben Key dann nicht noch einmal kaufen.

Gift Dice

Jeder Spieler (einschließlich SL) hat eine bestimmte Anzahl „Gift Dice“, die er in einem bestimmten Konflikt der einen oder anderen Seite als Bonuswürfel schenken kann, aber nicht sich selbst. Ja, das heißt dass Spieler auch den SL gegen einen ihrer Mitspieler unterstützen können, wenn sie wollen.

Advancement

Der Spieler erhält XP vor allem durch die Keys (s.o.) und außerdem, indem der Charakter an bestimmten Schlüsselszenen eines Szenarios teilnimmt. Dabei wird wert darauf gelegt, dass Schlüsselszenen ergebnisoffen sein sollen; Railroading ist bei TSoY nicht erwünscht. Für die XP bekommt man „Advances“, wobei man die Geschwindigkeit der Charakterentwicklung variabel steuern kann über die XP-Kosten eines „Advance“. Im Standard-Modus werden Charaktere relativ schnell besser.

Gesteigert werden kann jederzeit, auch und gerade während des Spiels. Insbesondere kann ich mir in jeder Spielsituation einen neuen Key kaufen, der gerade reinpasst, und für diesen dann auch gleich die ersten XP kassieren, sodass er sich u.U. sofort amortisiert. Oder ich kann noch schnell eine Ability oder ein Secret kaufen, um für das anstehende Bringing Down the Pain besser gerüstet zu sein.

Das Spiel im Einsatz

Ich habe TSoY jetzt zweimal mit verschiedenen Gruppen gespielt und mit einer dritten Charaktere gemacht, und es lief wirklich hervorragend. Es fühlt sich beim Spielen fast wie ein „normales“ Rollenspiel an, die Regeln schaffen es aber ganz beiläufig, eigentlich alles, was langweilig und belanglos ist, aus dem Spiel auszugrenzen. Man wird von den Regeln nicht gegängelt, sie sagen einem nicht: Du musst jetzt X machen! Aber sie zeigen einem Möglichkeiten auf und belohnen einen für bestimmte Dinge.

Viele bezeichnen die Keys als das Sahnestück des Systems. Und die Keys sind sicher ein hervorragendes Werkzeug, um das Spiel in eine für alle Beteiligten interessante Richtung zu lenken und deutlich zu machen, was die einzelnen Spieler im Spiel sehen wollen (mal ganz abgesehen von netten taktischen Optionen). Auch das Ausdenken eigener Keys funktioniert wunderbar, ich hatte schon drei davon in meinen Runden. Gleiches gilt für das Verkaufen. Es war eine zugleich coole und bedeutsame Szene, als in meiner NordCon-Runde der Spieler beim großen Showdown seinen Feind angriff, den „Key of the Coward“ verkaufte und mit den XP „Dueling“ von 2 (Adept) auf 3 (Master) steigerte. Und last but not least schreiben sich Abenteuer für TSoY praktisch von selbst, wenn man sich einfach nur an den Keys der Charaktere entlang hangelt.

Aber nicht nur die Keys waren für den Erfolg der Sitzungen verantwortlich. Auch das Setting hat mit seiner schönen Color und seinen interessanten Konflikten hat seinen Beitrag geleistet. Und insbesondere in meiner NordCon-Runde waren auch Pool Refreshment und Gift Dice ganz wesentliche Spaßfaktoren. Nicht umsonst heißt es in den Spieler-Tipps: „Use Pool Refreshment like a rock star.“ Gift Dice wurden mit großer Hingabe genutzt, um zu zeigen, welche Aktion man gut oder schlecht findet, oder gerne auch schadenfroh dem SL zugeschanzt, um einen Mitspieler schön in die Scheiße zu reiten. In der ersten Runde wurden die Gift Dice eher geschmäht, vielleicht, weil wir da keine Tokens verwendet haben – aus den Augen, aus dem Sinn.

Bringing Down the Pain erwies sich im Spiel als ganz nettes, aber nicht außergewöhnliches Konfliktsystem, wobei es bei einem Kampf mit insgesamt fünf Beteiligten schon ein bisschen langwierig wurde. Die Regel für Gruppenkonflikte gefiel uns nicht, die haben wir spontan durch eine Hausregel ersetzt. Im Anvilwerks-Forum haben auch schon andere diese Regel kritisiert.

Fazit

TSoY meistert die selbst gesteckte Aufgabe mit Bravour. Das Spiel fühlt sich an, als würde ich aus meinen früheren DSA- und AD&D-Runden die Szenen heraustrennen, die Spaß gemacht haben, und den restlichen Müll wegwerfen. Die Spieler spielen einfach ihre Charaktere und haben Spaß daran, das Setting ist stimmungsvoll und interessant, ein Kampf ist eine spannende und taktische Angelegenheit, wie übrigens auch andere Konflikte. Und das System gibt mir dabei ganz unaufdringlich die Möglichkeit, zu zeigen, was ich gut finde und was mir am Spiel Spaß macht, und das Spiel in diese Richtung zu treiben.

TSoY zu leiten ist herrlich leicht, weil man so viel Unterstützung vom System bekommt. Und wenn man als Spieler gerade nicht weiß, was man machen soll, kann man einfach einen Pool auffrischen gehen oder versuchen, über einen seiner Keys XP zu kriegen, und es kommt in der Regel eine interessante Szene dabei heraus. Ganz automatisch entstehen so spannende und interessante Geschichten um plastische und wirklich menschliche Charaktere.

TSoY eignet sich gleichermaßen gut für One-Shots und Kampagnen, für Party-Play und Player vs. Player. Es ist ein bisschen Crunchy, aber nicht überladen, hat ein paar nette Setting-Details, aber ist doch relativ offen. Alles in allem ein wirklich hervorragendes Fantasy-Rollenspiel. Dieser Eindruck wird nur getrübt durch die komische Gruppenkonflikt-Regel und die Präsentation der Regeln im Buch, die der Qualität des Spiels nicht wirklich gerecht wird. Na ja, immerhin gibt’s das Forum und das Wiki, wo man Antworten auf alle Fragen bekommt.

Name: The Shadow of Yesterday
Verlag: Anvilwerks
Autor: Clinton R. Nixon
Preise: Softcover 19,99 USD plus Versand, Hardcover 28,32 USD plus Versand, schmucklose HTML-Version kostenlos auf der Homepage
Rezensionsexemplar: Revised Edition Softcover, A5-ähnlich, 209 Seiten (Englisch)
 
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