[Spätherbst 2007] Umschlungen

Leo

Johnny Steinberg
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7. März 2008
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Arthurs erste Nacht in Finstertal neigte sich dem Ende zu.

Erkki hatte ein eigenes Zimmer, aber Arthur bat ihn mit auf seines zu kommen.
Durst hatte Arthur eigentlich keinen, dennoch hatte er jetzt das Bedürfnis, von Erkki zu trinken.
Sie standen voreinander. Arthur trat noch einen Schritt näher, zog Erkki an sich und biss in seine Kehle.
Sie hielten sich eng umschlungen und gaben sie sich ganz der Ekstase hin.
Von jemandem zu trinken, das war einfach mit niemandem so schön wie mit Erkki.

„Das ist ja…inzestuös!“ vermeinte Arthur plötzlich eine Stimme zu hören, als er aufhörte zu trinken, sich aber noch nicht aus der innigen Umarmung löste.
Und plötzlich hatte er Angst, dass jemand zur Tür reinkam.
Aber dieser Jemand könnte heute nur Viktor sein, und ob Viktor an einem solchen Anblick wohl Anstoß nähme?
Das konnte sich Arthur eigentlich nicht vorstellen. Aber man wusste ja nie.

Und das mit Oxford saß ihm noch allzu sehr in den Knochen.
Und da lief jene Begebenheit wie ein Film vor seinem geistigen Auge ab.
Es geschah, als er im Gildehaus von Oxford in seinem Zimmer stand und von Erkki in genau derselben Art und Weise trank wie heute.


Es klopfte, aber schon fast im selben Augenblick ging die Tür auf, und so standen Arthur und Erkki dort noch in enger Umarmung.
Arthur löste seinen Mund von Erkkis Kehle und sah auf, und da erblickte er David. Arthur löste sich aus der Umarmung.
David war wie Arthur Lehrling im vierten Zirkel, und nun stand er also vor ihnen, mit weit aufgerissenen Augen, zunächst unfähig etwas zu sagen.
Sein Gesichtsausdruck verriet Entsetzen, Ekel und Empörung.

„Ist das nicht dein Neffe? Das ist ja…inzestuös!“

„Unsere Beziehung ist nicht geschlechtlich“, erwiderte Arthur ruhig.

„Für mich sah das aber sehr nach Homoerotik aus! Etwas solches soll es hier nicht geben! Also ich trinke nur von Frauen!
Ekstase mit einem Mann…das ist doch…das ist doch einfach nur widerlich!“

Davids Gesicht verzog sich vor Ekel.

„Ich habe dich nicht gebeten mich beim Trinken zu beobachten…und wenn du unter Homophobie leidest ist das dein Problem“,
erwiderte Arthur kalt und fuhr fort: „Was gibt es denn so Dringendes?“

„Nichts, was jetzt noch von Belang wäre!“

„Wenn das so ist, dann bitte ich dich meine Privatsphäre wieder zu verlassen.“

Doch David blieb regungslos stehen und durchbohrte Arthur mit verachtungsvollem Blick.

„Ich bitte dich noch einmal – würdest du uns jetzt wieder alleine lassen?“

„Damit ihr weitermachen könnt mit euren perversen Spielchen??! Dieses Subjekt verlässt sofort das Gildehaus!“

„Er wird nicht gehen!“ schnappte Arthur, denn nun verlor auch er langsam seine Ruhe.

David packte Erkki hart am Arm und wollte ihn aus dem Zimmer hinauszerren. (In diesem Moment spürte auch Arthur einen Schmerz im Arm.)
Erkki stemmte sich dagegen, da Arthur gesagt hatte er solle bleiben.

„Dieser Ghul wagt es sich mir zu widersetzen!“

David ließ Erkkis Arm los und schlug ihm ins Gesicht.
Arthur spürte auch diesen Schmerz am eigenen Gesicht, denn jeden körperlichen Schmerz von Erkki spürte auch er.
Dass Erkki misshandelt wurde konnte Arthur nicht mit ansehen.
Er packte David am Kragen, blickte ihm in die Augen und befahl: „Raus!“
Der Versuch der Beherrschung klappte, und so verließ David das Zimmer.
Dies war das erste und bisher einzige Mal, dass Arthur seinen Willen einem Kainskind aufgezwungen hatte.

Am nächsten Abend wurde Arthur zum Regenten zitiert. Das hatte Arthur sich gedacht, dass David ihn anschwärzen würde.
Erkki durfte fortan das Gildehaus nicht mehr betreten, und Arthur wurde ein tätlicher und geistiger Angriff auf ein Clansmitglied angelastet.
Damit der Regent Arthurs Erzeuger nichts davon erzählte, hatte Arthur für den Regenten einige unangenehme Aufgaben zu erfüllen…
Und David hatte dafür gesorgt, dass die anderen Lehrlinge sich ziemlich fernhielten von Arthur.



Arthur versuchte diese Erinnerung wieder wegzuschieben.
Hier wäre es sicher anders als in Oxford.
Es war nur noch ungefähr eine halbe Stunde bis Tagesanbruch, Arthur fühlte seine Glieder bereits schwer werden.

Er fragte Erkki: „Bleibst du hier? Ich würde gerne in deinen Armen einschlafen.“

Erkki nickte und lächelte.
Sie zogen sich beide einen Schlafanzug an und legten sich in Arthurs Bett.
Arthur schmiegte sich an Erkkis Brust und lauschte seinem Herzschlag.
Und er fragte sich: War das inzestuös, wenn man mit seinem Neffen im Bett lag, in enger Umarmung?
Pädophil war es jedenfalls nicht, denn Arthur hatte Erkki erst als Erwachsenen kennengelernt.
Und war das schon Homoerotik? Wo war die Grenze? Wo fing es an? Bei einem Zungenkuss? (Hatte es bei ihnen nie gegeben.)
War es eine Liebesbeziehung?
Aber war das wirklich so wichtig? Musste man alles in Schubladen stecken?

Es gab Frauen in ihrem Leben, aber das waren nur Bettgeschichten ohne Bedeutung, meistens One-Night-Stands.
Schon als Sterblicher waren Arthurs "Beziehungen" zu Frauen nichts anderes gewesen...ohne emotionale Bedeutung.
Von Liebe konnte da nicht die Rede sein.
Keine Frau hatte ihm jemals annähernd soviel bedeutet wie Erkki.

Und selbst wenn diese enge Bindung zu weit ging…damit aufhören konnten sie nicht.
Irgendwann wären sie aber vielleicht dazu gezwungen.
Und wenn Arthur irgendwann tatsächlich die Erlaubnis bekäme Erkki zu erschaffen?
Dann spätestens war es wohl vorbei mit der Zweisamkeit, aber allemal mit der Ekstase des Trinkens voneinander.
Und auch mit den Zärtlichkeiten, da zu riskant?
Riskant war es auch schon jetzt...sie hatten gelernt damit zu leben.

Wohlig schlummerte Arthur in Erkkis Armen ein.
 
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