[15.05.08] Auf nach Hause und in den Kampf

Azraella

Regentin der Tremere Seneshall zu Finstertal
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12. Juli 2005
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Caitlin McKinney trat vor den Eingangsbereich des Gildehauses in Dortmund. Zum ersten Mal allein seit ihrer Wiedererweckung stieß sie einen erleichterten Seufzer aus. Das hätte sehr sehr schief gehen können. Ihre Brust zwickte und fühlte sich wund an, ihre Hand tastete geistesabwesend zu der schmerzenden Stelle, die noch vor wenigen Stunden ein durchlöchertes Herz gewesen war. Es schlug zwar nicht, doch dennoch war es heil und sie fühlte, wie Leben in ihr war. Die Art Leben die der kostbare blutrote Saft der Menschen in ihr bedeutete. Die Art Leben, die sie Magie wirken lies.

Die Tremere blickte zum Himmel, wo die Mondsichel zwischen den Wolken hervorkam und sein silbernes Licht auf die Welt warf. Wer hätte gedacht, dass sie all dies wiedersehen würde?!

Ihre Erinnerungen endeten, als sie mitten im Satz (sie hatte mit Frau Zimmermann gesprochen, oder?!?) einen scharfen Stich im Rücken spürte. Ihre Augen fingen den fassungslosen Blick von Grimm auf und sie wusste in diesem Moment, dass Wien gerufen hatte. Dann hatte sich ihr Verstand vernebelt und die Welt wurde schwarz. Ihren Attentäter oder wer auch immer das war, hatte sie nie zu Gesicht bekommen. Vielleicht sollte sie dankbar sein, so blieben ihr wohl Albträume erspart.

Die dunkel-grünen Augen ihres Sires waren das nächste, war sie sah, als sie endlich wieder die Augen aufschlug. Eine Tür fiel mit einem lauten Knall ins Schloss und eine Frau – eine menschliche Frau trat an sie heran und bot ihr ihren Arm. Lord Dow riss sie irgendwann weg und befahl dem nächsten Menschen heran zu treten. Und dem nächsten. Irgendwann hatte Caitlin begriffen, dass sie von der Herde ihres Sires trinken durfte, der sich die 6 Menschen hielt wie eine ganz persönliche Dienerschar. Dann irgendwann war ihr Durst Vergangenheit und stattdessen quälte sie die Frage nach dem Warum. Was war geschehen? Wie kam sie hierher? Lord Dow lächelte schwach und entlies seine Gefolgschaft mit einem knappen Winken seiner Hand. Erst half er ihr auf einen Stuhl, dann begann er mit seiner rauen Stimme knapp zu berichten. Die Erklärung gefiel ihr nicht wirklich, hatte sie doch mehr Löcher als ein Schweizer Käse. Wien hatte gerufen und er habe alles geregelt. Sie habe eine weitere Frist von einigen Wochen, die Dinge zu klären. Es war kein Freifahrtschein, aber sie war nicht verhört worden und erstaunlicherweise war grade mal 1 einziger Tag vergangen.

Als sie das hörte, fühlte Caitlin eine umfassende Dankbarkeit in ihr aufsteigen. Sie wusste, dass er offenbar einige Gefallen und Schulden eingelöst hatte. Anders konnte es nicht sein. Sie schuldete ihm vermutlich ihr Leben. Und wer weiß, vielleicht sogar dass ihrer Schwester. Einem Verhör in Wien…. Sehr fraglich ob sie das – all ihrer Willensstärke zum Trotz, überstanden hätte. Ob das der Grund gewesen war weswegen er ihr geholfen hatte? Damit sein eigenes Versagen damals im Verborgenen blieb? Einerseits würde es ihr Idealbild einer väterlichen Liebe zerstören, von der sie glaubte, dass Lord John Dow sie für sein Kind empfand. Auf der anderen Seite war sie Realist genug, um zu erkennen, dass Kainiten immer vom eigenen Selbsterhaltungstrieb angetrieben wurden. Die Wahrheit lag wohl irgendwo dazwischen. Nur wie er von ihrer Misere erfahren hatte war ihr ein Rätsel. Er lies sich von ihr zum Abschied umarmen, auf ihre Frage antwortete er nur mit einem wissenden Lächeln. Wieder war er Lehrer und sie Schülerin, und egal wie alt sie wurde, dass würde sich wohl nie ändern.

Als die schwarze Limousine um die Ecke bog und der Chauffeur ihr den Wagen öffnete, damit sie auf der Rückbank platz nehmen konnte, fiel es ihr ein. Kiera! Sie musste dahinter stecken. Sie wussten immer, wenn etwas mit dem anderen nicht in Ordnung war. Dies konnte ihr Zwilling nicht verpasst haben. Die Welle der Dankbarkeit, die sie fühlte, schloss Kiera sofort mit ein. Und auch die Menschen, die Herde, die ihr wieder auf die Beine geholfen haben, sodass sie für einen Kampf gerüstet war. Denn auf nichts anderes fuhr sie zu. Auf einen Kampfplatz, wo es ungewiss war, ob das Ultimatum der Tremere in Wien überhaupt noch relevant war. Doch Kiera war in Finstertal. Und Gabriel, auch wenn er sicher nicht kämpfen würde. Sollten die Garou siegen, würde wohl kein Guhl das Ganze überstehen.. Sie musste zu ihrer Familie und zu ihren Clansgeschwistern. Schnellstmöglich. Vielleicht konnte sie irgendwie helfen!

Sie sah aus dem Fenster, wie die Landschaft an ihnen vorbei jagte und hoffte, dass sie es rechtzeitig schaffen würde. Sie hatte keine Ahnung von der Planung, keine Waffen, sodass ein kurzer Umweg über das Gildehaus notwendig war. Sie hatte auch kein… Als wenn es ihre Gedanken gelesen hätte erklang das normalerweise höchst nervige Piepsen eines Handys, welches langsam aber sicher neuen Strom benötigte. „Lad mich…!“

Sofort griff Caitlin zu dem vermaledeiten Ding und sah, dass der Akku schwach war. Aber ein wenig sollte es noch reichen. Sie schickte als erstes Kiera eine SMS:
„DANKE! Ich habe dich lieb. Wir sehen uns zu Hause. Viel Erfolg heute Abend! C.“

Dann wählte sie die Nummer der Primogena der Caitiff, Helena. Vielleicht war es noch nicht zu spät. Sie hatte kaum gewählt, da überlegte es sich Caitlin anders. Wer weiß in welcher Situation Helena steckte, da konnte ein Anruf im falschen Augenblick fatale Folgen haben.

Statt dessen schickte sie auf ihr eine SMS: "Hey Helena, lebe noch und bin in 20 min zurück in Finstertal. Komme ich rechtzeitig? Könnt ihr ein wenig magische Unterstützung brauchen? Liebe Grüße Caitlin"
 
Das erste Mal, seid sie hier stand und sich überlegte, wie es weitergehen sollte, ging ein echtes Lächeln über Helenas Gesicht, als sie die SMS las, dann ging sie ein wenig zur Seite und rief bei Caitlin an. Das Telefon würde klingeln und die Nummer der Hüterin anzeigen.
 
Caitlin ging sofort dran, das Telefon hatte sie noch in der Hand gehabt. "Hallo Helena, wie sieht es bei euch aus? Schaffe ich es noch rechtzeitig? Wir verlassen grade die Autobahn. Sorry übrigens, du bekommst nachher von mir eine Erklärung, sollten wir das Ganze überleben. Das verspreche ich." Die Tremere klang nicht wirklich schuldbewusst, dass sie nicht rechtzeitig da war. Zwar konnte sie nicht wissen auf welchem Informationsstand Helena war, aber sie war einfach zu erleichtert, am Leben zu sein. Und das war deutlich heraus zu hören.
 
"Prima, unsere Chancen sind gerade gestiegen, wir sind schon am Skilift, aber wenn du durchfährt und dann möglichst schnell zur Bergstation raufkommst, bist du rechtzeitig da", erwiderte Helena. "Alles andere kannst du mir später erzählen. Ausrüstung kannst du hier oben bekommen."
Ja, die Pseudotorrie war erleichtert.
"Wenigstens weisst du wie es laufen soll, das ist doch schon mal ein Vorteil."
 
"Ja, wenn sich da nichts geändert hat, bin ich im Bilde. Ähm, ich spring trotzdem kurz ins Gildehaus rein. Ich habe da Dinge, die sind für mich notwendig und die habt ihr ganz bestimmt nicht da." Jaja, Zauberer und ihr magisches Zeugs.... Ist halt doch was wahres dran. Aber ohne ihre extra Blutreserve und die verbliebenen Splinter wollte Caitlin sich nicht in einen Kampf auf Leben und Tod stürzen. "Ich schnappe mir nur das nötigste und bin dann gleich da."

Es piepte wieder das häßliche "Lad mich!"-Geräusch und Caitlin beendete das Gespräch. Sie machte den Rest der Fahrt Bestandsaufnahme. Was für ein dämlicher Zeitpunkt vom Rat, sie aus Finstertal weg zu holen. Was hätte sie nicht alles noch sinnvoll vorbereiten können. Fassungslos schüttelte sie den Kopf darüber. Mausgrauer Anzug mit blutverschmiertem Loch auf dem Rücken. Darüber Dows Mantel, der ein paar Nummern zu groß war. Nein, umziehen würde sie sich nicht, doch ihr eigener Mantel musste her. Damit war das Thema Rüstung gestorben. Die Stoffhose würde noch nicht eimal einen Dornenstrauch aufhalten, geschweige denn Werwolfklauen. Wenigstens sah es vom Blutvorrat hervorragend aus. Ihr Sire hatte dafür gesorgt, dass sie absolut satt war. Das ersparrte ihr jetzt viel Zeit.
Sie hatte ihr leeres Handy, das dringend in die Ladeschale musste, einen silbernen Diamant-Ring und eine Armbanduhr aus Silber. Hm, was noch? Schlüssel und ein Taschentuch, na prima. Das war auch schon alles. Nein, der Umweg musste sein.
Caitlin wies den Fahrer entsprechend an und bat ihn auf sie zu warten.

5 min später eilte sie bereits wieder aus dem Haus, an einem verdutzten Guhl - Grimms Sekretär - vorbei. Maria sah sie nicht und hatte keine Zeit zu suchen. Doch sie hatte alles, was sie brauchte und kam mit der kleinen Umhängetasche am Skilift an. Rasch stieg sie aus der verdunkelten und offensichtlich gepanzerten Limousine. Dann verschwand der Fahrer in die Nacht und Caitlin traf am Zielort ein.
 
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