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Kelenas

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4. Dezember 2003
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Es schien Tobas als würde er schon seit einer Ewigkeit in dieser Schlange stehen. Dabei waren es mit Sicherheit nur ein paar Stunden.

Er hatte sich vor etwa einer Woche bei einer seiner Wanderungen durch die Ruinen des Urvolkes eine Verletzung am Arm zugezogen, als er eines der alten Artefakte ausgraben wollte. Trotz der Tatsache das er sich Destillat über die Wunde gegossen und sie verbunden hatte, hatte sie nach kurzer Zeit schmerzhaft zu pochen begonnen.
Dieses Pochen in seinem Arm war nun vor wenigen Tagen unerträglich geworden, weshalb er sich auf den Weg zum Spital gemacht hatte.

Mittlerweile hatte sich das Pochen zu einem Hämmern gesteigert und trieb bei jeder Bewegung des Armes Wellen des Schmerzes durch seinen Körper, weshalb er seine lederne Jacke in eine improvisierte Schlinge umgewandelt hatte. Dennoch verzog sich sein Gesicht immer wieder zu einer Grimasse des Schmerzes und Schweißperlen traten ihm auf die Stirn.

Schon von weitem war ihm das Weklagen und Schreien der Kranken und Sterbenden entgegengeweht, zusammen mit dem Gestank von Siechtum, Verwesung und Tod.
Als er sich den erbärmlichen, zusammengeflickten Zelten und Barracken näherte, welche das Spital wie einen Ring umgaben, stiegen Zweifel in ihm hoch, die er jedoch sofort wieder verdrängte.
Es würde schon seine Gründe für dies alles haben. Warscheinlich konnten sich die Spitalier nicht sofort um jeden Kümmern.

Auf seinem Weg zwischen den Zelten hindurch in Richtung des Spitals traf er auf eine lange Warteschlange, an deren vorderem Ende er eine Mauer mit einem Tor erkennen konnte, die das Spital wie eine Festung umschlossen. Froh, endlich sein Ziel erreicht zu haben, reihte er sich geduldig in die Warteschlange ein.

Nach den vielen Stunden des Wartens, in denen er die vom Geruch nach Siechtum und Tod geschwängerte Luft nicht mehr hatte ertragen können und sich die um den Hals gehängte Atemmaske aufgesetzt hatte, war er nun fast am Anfang der Schlange angekommen. Die dort stehende Gestalt trug einen schwarzen Neoprenanzug zusammen mit einer Gasmaske. Ihr kahlgeschorener, bleicher Kopf war ebenso von weißem Kalk bedeckt wie ihre Schultern. Sie hielt ein Klemmbrett in den Händen, auf dem sie, während sie mit der Vordersten Person in der Warteschlange sprach, Notizen machte. Die Gespräche waren immer nur kurz, dennoch versuchte Tobas zu verstehen, was gesagt wurde. Mit Erfolg.

"Name?" erklang die Stimme des Spitaliers dumpf unter der Gasmaske.
"Hennik" Die in Lumpen gehüllte Gestallt keuchte die Antwort mehr, als das er sie aussprach.
"Beschwerden?"
"Es *Hust* Es haben sich schwarze Beulen an meinem Körper gebildet und *Hust* ..." wollte die Gestalt fortfahren, doch die schnarrende Stimme des Spitaliers schnitt ihr das Wort ab.
"Gebot?"
Einen Moment blickte die Gestalt den Spitalier verwirrt an, bevor sie das Wort ergriff.
"Ich... äh... ich weis nicht was..."
Der Arm des Spitaliers schoss vor und er wies mit dem in seiner Hand befindlichen Stift in eine Richtung.
"Pestgasse. Dort hin. Nächster!"
Die Lumpengestalt blickte den Spitalier verständnislos an.
"Ab..."
"Nächster!"

Die lumpenbehangene Gestalt ging mit hängenden Schultern und gesenktem Blick langsam in die vom Spitalier angegebene Richtung davon, während die nächste Gestalt vor den Spitalier trat.
"Name?"
"Ähm... Boris."
"Beschwerden?"
"Äh... naja, ich hab' am ganzen Köper juckende rote Flecken, die..."
"Gebot?"
"Ich... Ich hab nur ein wenig Obst und Fleisch das ich anbieten kann."
Wieder schnellte die Hand des Spitaliers vor und wies in eine Richtung.
"Pockenstraße. Die Richtung. Ein Pfleger wird bald vorbeikommen. Nächster!"

Nervös trat nun Tobas vor den Spitalier, die Hand seines gesunden Armes um ein Bündel Wechselscheine der Chronisten geballt.
Ohne von seinem Klemmbrett hoch zu sehen begann der Spitalier wieder mit seiner kalten, schnarrenden Stimme zu sprechen.
"Name?"
"...Tobas."
"Beschwerden?"
"Ich habe mir den Arm verletzt und die Wunde schmerzt schon seit längerem, obwohl ich..."
"Gebot?"
Tobas schluckte und holte die zerknitterten Papierscheine aus seiner Tasche.
"Etwa 350 Chronistenwechsel."
Der Spitalier hob zum ersten mal seinen Blick vom Klemmbrett. Obwohl man seine Augen durch das dunkle Glas der Gasmaske hindurch nicht sehen konnte, spürte Tobas wie der Blick erst über das Bündel und dann über ihn selbst wanderte.
Schließlich nickte der Spitalier und wies auf das Tor hinter sich.
"Geh durch und dann ins erste Gebäude auf der linken Seite. Nächster!"
Erleichter ging Tobas an dem Spitalier vorbei.

Hinter ihm rückte die Schlange nach und der Spitalier sortierte weiter...


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So, das ist jetzt meine erste Kurzgeschichte hier. Ich hoffe ich bekomme einiges an Feedback, nicht nur darüber wie euch die Geschichte gefallen hat, sondern auch darüber wie ihr die Stimmung in der Geschichte findet.
 
Wenn man sich die Géchichte so durchliest werde ich irgendwie an eine Stadt im Mittelalter erinnert. Diee Spitäler, die nur an den Wechseln interessiert waren, so zumindest lese ich es heraus, sind für die Stimmung der Hoffnungslosigkeit deer erkrankten nebenfiguren sehr gut dargestellt.
 
Die Stimmung gefällt mir gut. Lass ruhig mehr sehen...
 
Ich danke für das positive feedback das ich bisher erhalten habe. Besonders Skars aufforderung fin ich ermutigent; mal sehen welche Ideen ich in meinem kranken Hirn noch ausbrüte... (Muahahahahaha... X( )

Für die, die es interessiert; der Hintergrund der Geschichte stammt aus dem Rollenspiel Degenesis, das ich schon vor kurzem hier Vorgestellt habe. Ich fands ein wenig schade das dem System so wenig interesse entgegengebracht wurde (mag zum Teil auch ein wenig an meinen recht wirren erklärungen und erzählungen gelegen haben :D) und hoffe das ich mit der geschichte zumindest ein bischen interesse geweckt habe, so das sich zumindest einige doch mal damit befassen. Zumal man dasd GRW, wie schon gesagt, auf der HP (www.degenesis.de) kostenlos runterladen kann.

Und für die, die garantier fragen werden; Nein, ich mache keine Werbung für dieses Spiel...





... zumindest werde ich nicht dafür Bezahlt.;)

MfG Kelenas
 
Hi,

wenn mich schon mal wirklich jemand nach meiner Meinung fragt, dann lasse ich mir diese Chance nicht entgehen auch meinen Senf dazu zugeben. ;)

Ich finde die Geschichte transportiert schon sehr gut eine düstere Stimmung. Die Art und Weise in der die Kranken Schlachtvieh ähnlich abgeurteilt werden hat schon etwas beklemmendes das für eine Gänsehaut sorgt. Vor allem weil man sich zwar sehr gut denken kann was mit den Protagonisten weiterhin geschehen wird, es aber nicht ausdrücklich dort geschrieben steht.

Ich kenne den Spiele Welt Hintergrund nicht, daher ist Kritik ein wenig schwierig, weswegen ich auch nur den Schreibstil, den ich mal minimalistisch und effektiv nennen würde, beurteilen und meine subjektive Meinung zu der kurzen Szene gebe.

Mir ist zusätzlich noch eine Modifikation eingefallen. Wäre es möglich die Entstehung der Wunde, in Form einer Rückblende, zu schildern und diese irgendwie so in einen Zusammenhang zu bringen, daß sich "Tobas" seine Verletzung zuzieht weil er das System der Spitaeler verabscheut und dagegen ist ?
Das er also praktisch immer gegen dieses Institut und deren Methoden wettert und sich bei einer Demonstration oder etwas ähnlichem verletzt und daraufhin selber in den Kreislauf mit aufgesogen wird und plötzlich bereit ist den Obulus zu zahlen ? Diese Art von Doppelmoral ist für mich immer ein Inbegriff von Verkommenheit.

Was denkt Ihr ?

Ansonsten gefällt mir die Geschichte, wie bereits geschrieben, recht gut. Feine Athmosphäre um mal darin zu spielen.

Ergebenst

Eldrige
 
finds gut zu sehen dass du auch nicht ganz so knapp schreiben kannst ;) also jetz kann ich wieder ruhig schlafen, lol

aber deine geschichten haben immer ne leicht unangenehme atmosphäre an sich. ich selber könnte sowas nich schreiben und mich dabei gut fühlen gg
 
ich glaube, man soll sich auch nicht gut fühlen dabei *g*.
geschichten, die nicht zu abgedreht oder fantasy sind machen es mir leichter, mich dort hineinzudenken und man ist dichter am geschehen, zumindest, wenn es mehr ist, als eine kurze gefühlsaufwallung.

in der kurzen zeit wird auf jeden fall schon das interesse geweckt, wie es mit der persohn weitergeht. gefällt mir.
 
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