AW: SL-Führerschein
Wenn die Gruppe keinen Spaß hat, dann macht der SL offensichtlich was falsch.
Das ist das einzige Kriterium was zählen sollte. Die Gruppe stellt dem SL bereits die "Leitberechtigung" aus, indem sie weiter mit ihm spielt
Gerade auf Cons oder in Vereinsrunden ist das angenehmste, wärmste Gefühl für einen Spielleiter das "Gerne wieder." oder "Wann leitest Du wieder? Merk mich schonmal vor." als Feedback.
Wenn das Spiel, wenn das Spielleiten GUT GENUG war, daß alle Spaß hatten und mit guter Laune heimgingen, dann war es offensichtlich GENAU RICHTIG.
Tips kann man immer mal anschauen, kritisch prüfen, welche für einen selbst geeignet sind, und sie mal an seinen Mitspielern ausprobieren. Aber man sollte NIE glauben, daß die Worte anderer Leute, die einem vermitteln wollen, wie man selbst besser (siehe oben: Feedback) leiten können soll, tatsächlich das sind, was einen zu einem guten (im Sinne von "von seinen Spielern in seinen Spielrunden geschätzten") Spielleiter macht.
Klar gibt es manche Eigenschaften, die TENDENZIELL GEHÄUFT bei den "guten Spielleitern", bei denen, die oft das positive Feedback für ihre Runden bekommen, anzutreffen sind. - Aber es sind weder die einzigen Eigenschaften, noch die wichtigsten Eigenschaften, da für eine gelungene Spielsitzung weit mehr verantwortlich ist, als gerne vereinfachend erfaßt wird.
Beispiel: Auf einem Con in SEHR LAUTSTARK hallender Örtlichkeit konnte man sich bei ca. 10 Gruppen in dem alten Kellergewölbe quer über den Tisch (Distanz ca. 50 cm) nur noch SCHREIEND verständigen. Der Spielleiter war schon nach kurzer Zeit verdammt heiser und versuchte gegen den allgemeinen Pegel anzuschreien - und das bei einem dialogintensiven Szenario in einem erzählorientieren System. - Wie soll man da noch irgendwie den Einfluß der vielen unterschiedlichen Charakter- und Persönlichkeits-Eigenschaften des Spielleiters auf das Spielerlebnis beurteilen, wenn die äußeren Umstände alles außer der Lautstärke der Stimme unwichtig werden lassen?
Wenn ich bei einem Spielleiter mitspiele, so stellt sich bei mir ein GEFÜHL ein. Ich fühle mich wohl, ich habe Spaß, ich mag die anderen Leute in der Runde, die Pizza ist lecker (und kam sogar warm an), meine Würfel zeigen eine gute "Performance", ein Kumpel hat einen Kuchen zum Spiel mitgebracht, usw. - Es ist der GESAMTEINDRUCK, der für mich zählt, wenn ich den Eindruck habe, der Spielabend ist GELUNGEN.
Klar hat der Spielleiter auch einen Einfluß darauf. Aber eben NICHT den ALLEINIGEN!
Besonders klar wird z.B. der Aspekt der "Chemie" zwischen den Spielenden bei Engel. Können alle Spielende super gut miteinander, dann kann eines der schönsten erzählerischen Spielerlebnisse daraus werden. Können sie nicht miteinander, dann kommen die schrecklichsten Runden, die ich je erlebt habe, in meiner Erinnerung hoch.
Und zum Bösen Railroading: Na, und? - Ich habe selbst als Spieler so manche "Achterbahnfahrt" mitgemacht, weil... - Weil ich so endlich auch einmal wieder zum Spielen kam. Weil ich KEINE Lust hatte irgendetwas selbst vorzubereiten. Weil ich einfach mal die Füße unter den Spieltisch strecken wollte und den Spielleiter "mal machen lassen" wollte. - Es ist zur Abwechslung mal ganz nett, sich NICHT STÄNDIG AKTIV ENGAGIEREN zu müssen. - Wenn alle Spieler sich darauf einlassen, daß sie gemeinsam eine "Zugfahrt" machen werden mit der Gelegenheit zum Blümchenpflücken, wo ist dann das Problem? - Klar, das werden dann nicht die Legendären Kampagnen (tm), von denen ich noch nach 30 Jahren bildschirmseitenlange Beiträge füllen kann. Aber das MUSS ja schließlich nicht IMMER sein.
Ich mag richtig gut, sorgfältig und mit Liebe zubereitetes Slow Food. UND ich mag Doppelwhopper. (Nicht gleichzeitig, wohlgemerkt.) - Jedes zu seiner Zeit und an seinem Ort.
Und ich mag gerade als Spieler auch mal ganz andere Spielstile meines Spielleiters erleben, als meinen eigenen Spielleitungs-Stil. - Klar bin und bleibe ich ein übler Taktiker und Buttkicker. Aber mal etwas anderes zu spielen und etwas ANDERS zu spielen ist für mich eine persönliche "rollenspielerische Herausforderung", aus der ich Spaß durch Abwechslung ziehe. - Zu unterschiedlichen Zeiten habe ich auf unterschiedliche Sachen Lust. Auch im Rollenspiel. Und da weiß ich einen Rollenspielverein, in welchem ein ganzer Haufen sehr unterschiedlicher Persönlichkeiten als Spielleiter verfügbar ist, sehr zu schätzen. - Das ist etwas, was die kleine, isolierte Gruppe von Freunden, die eben NICHT aus Hard-Core-Hyperaktivisten-Rollenspiel-Fanatikern besteht, nicht so leicht kann (aber auch da geht es: Spielleiter-Rotation - klappt auch in kleinen Gruppen von 4 oder 5 Spielern richtig gut, wenn alle mitmachen und niemandem das Spielleiten vergällt wird).
Ob der isolierten Gruppe ein Spielleiter-Führerschein eine Hilfe ist, ob sie überhaupt mitbekommen, DASS es so etwas gibt (wenn es denn so etwas gäbe), wage ich zu bezweifeln.
DIE EINZIGE FÜR MICH TAUGLICHE METHODE als Spielleiter seine diversen und diffusen Fähigkeiten wirklich zu verbessern und sich als Spielleiter einen EIGENEN STIL wachsen zu lassen und eine EIGENSTÄNDIGE SPIELLEITERPERSÖNLICHKEIT zu werden, besteht darin, so viel wie möglich selbst bei anderen Spielleitern zu spielen, so viel wie möglich selbst zu leiten, und sich über die gespielten/geleiteten Runden ein wenig (mehr ist garnicht nötig) zu überlegen, was einem da gefallen hat, und was nicht, und - vielleicht noch - warum.
Ein - unabhängig ob er MEINEM Geschmack als Spieler entspricht - GUTER SPIELLEITER ist ein Spielleiter, der seinen EIGENEN STIL hat und eine eigene Spielleiterpersönlichkeit ist. Wenn ich diesen Eindruck von jemandem habe, dann mag er zwar immer noch nicht so leiten, wie es mir paßt, doch ist er auf seinem eigenen Weg und das verdient meinen Respekt.
Nein, den EIGENEN Stil bekommt man nicht durch Spielleitertips, durch Zertifizierungen oder durch Meditation über dem Würfelbeutel, sondern nur durch PRAXIS, AUSPROBIEREN, Feedback, Reflektion, "rinse, repeat".
Und auch wenn das manche nicht gerne hören wollen: So etwas DAUERT seine (individuell SEHR unterschiedlich lange) Zeit.
Den "perfekten Spielleiter" aus der Zertifizierungs-"Schnellbleiche" wird es nicht geben. - Aber die Spielleiter, die sich WIRKLICH bemühen in ihrer Rolle als Spielleiter BESSER zu werden, die gibt es. Sogar ziemlich viele. Und jeder von diesen ist auf SEINEM EIGENEN Weg.
Somit kann man nur ANGEBOTE machen, mal etwas auszuprobieren, mal ein paar Überlegungen anzustellen, mal konkreteres Feedback einzuholen, usw. - Alles UNVERBINDLICH. - Manchen nutzt es etwas, andere führt es auf einen Umweg auf ihrem Weg (das ist die "Gefahr", die manche von einer "Prägung" von unerfahrenen Spielleitern auf einen bestimmten Spielleitungsstil durch Con-Seminare sehen - doch diese "Gefahr" sehe ich überhaupt nicht; es dauert dann vielleicht ein wenig länger, bis sie IHREN Weg wiedergefunden haben, falls denn eine solche "Prägung" überhaupt erreicht worden sein sollte).
Es ist ja eine löbliche Sache, anderen Spielleitern HELFEN zu wollen, BESSERE Spielleiter zu werden. Doch halte ich insbesondere die geradezu dogmatisch vorgetragenen, leider aber sehr "einfarbigen" Empfehlungen, wie man es RICHTIG macht, für wenig hilfreich. Ganze Paletten an Alternativen, an "So oder so, oder so geht es auch"-IDEEN halte ich da für wesentlich hilfreicher den individuellen Spielleitern ihre EIGENEN Wege finden zu lassen.