Rezension S.T.A.L.K.E.R. - Call of Pripyat [B!-Rezi]

Tellurian

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S.T.A.L.K.E.R. - Call of Pripyat


Stalker – Call of Pripyat ist das inzwischen dritte Spiel der Stalker-Reihe (ich verzichte mal auf die Punktierung) vom Kiewer Entwicklerstudio GSC Gameworld. Call of Pripyat (CoP) ist für PC erschienen.
Die Hintergrundgeschichte des Stalker-Universums basiert lose auf drei Ausgangsquellen. Zum einen ist es der legendäre russische Science-Fiction Film „Stalker“ von 1979, zum anderen die Geschichte „Picknick am Wegesrand“ der Gebrüder Strugatzki, auf der auch der Film basiert. Dritte „Quelle“ im Bunde ist die Katastrophe von Tschernobyl und alles was damit – lokal – zu tun hat. Aus diesem Mix entsteht folgendes:
Nach Tschernobyl nutzt das sowjetische Militär das geräumte Sperrgebiet um den havarierten Reaktor in der Ukrainischen Pampa für die Ansiedlung streng geheimer Forschungseinrichtungen, die den Fall der Sowjetunion überdauern. Schließlich kommt es dann 2010 zu einem weiteren, unerklärlichen Zwischenfall in Tschernobyl, in dessen Folge die „Zone“ anfängt, ausgesprochen seltsamen Phänomenen Heim und Herd zu bieten. Anomalien, die jeglichen Naturgesetzen trotzen. Gefährlichen Mutanten. Aber auch seltsamen Gebilden, sogenannten Artefakten, die je nach Ausprägung erstaunliche Auswirkungen auf die Menschen die sie bei sich tragen haben können.
Letztere sind es, die eine wahre Goldgräberstimmung auslösen, und dafür sorgen, das eine Große Anzahl gewaltbereiter, perspektivloser junger Männer sich auf den Weg ins Sperrgebiet macht, um nach schnellem Geld in Form dieser Artefakte zu jagen.
Die Rahmenhandlung geht noch ein wenig weiter, einer dieser jungen Männer, die im Volkmund „Stalker“ genannt werden, öffnet einen Weg ins Zentrum der Zone, ein Kleinkrieg zwischen verfeindeten Fraktionen, dem Militär und religiösen Fanatikern bricht aus, und noch vieles mehr.
Das sind die Dinge die in den ersten beiden Spielen passieren. Call of Pripyat baut darauf auf, erzählt die Geschichte von Operation Fairway, einer Aufklärungsmission des Ukrainischen Militärs, die mächtig in die Binsen ging, als alle daran beteiligten Hubschrauber über die Zone verteilt abstürzten. Der Spieler schlüpft in die Rolle eines Majors, der jetzt als anonymer Stalker getarnt in die Zone geschickt wird, um die Überlebenden zu suchen und herauszufinden was vorgefallen ist.
So fängt man also an, von Anfang an mit einer AK74 bewaffnet, die Zone auszukundschaften.
Einige Dinge haben sich hier im Vergleich zum „Hauptspiel“ Shadow of Chernobyl (SoC) verändert. Allem voran ist das GUI verbessert worden, auf die vorderen F-Tasten lassen sich Items zum Schnellzugriff legen, es gibt – ab Werk – Betten in denen man länger Zeit überbrücken kann, das Spiel stoppt nicht mehr wenn man das Inventar öffnet, kurz, CoP ist rein spielmechanisch optimiert. Nicht stark, nicht neu erfunden. Als alter Hase findet man sich immer noch schnell zurecht.
Die Spielweise ist auch gleich geblieben. Stalker ist fast schon ein eigenes Genre, ein grobschlächtiger Bastard aus Shooter und Rollenspiel, von der reinen Spielmechanik her in etwa 50% System Shock 2 40% GTA-Open-World und 10% Rollenspielelemnte was Missionsstruktur, Inventarverwaltung und Charakter“optimierung angeht.
Die Spielwelt ist nach wie vor groß, und frei begehbar. Wobei im Vergleich zu SoC auffällt, dass die Welt deutlich kleiner ausfällt, und deutlich weniger redundante Wege aufweist, was zwar zu einer dichteren, aber gleichzeitig zu einer – subjektiv empfundenen – weniger desolat-stimmigen Welt führt. Dazu trägt auch bei, dass es nur noch sehr wenige menschliche Gegner in freier Natur gibt. Gegnirische Stalker oder Banditen sind bzw. waren immer ide interessantesten weil taktisch vielseitigsten Gegner. Wenn die Respawnraten nicht übertrieben, waren die am Hauptspiel mit das spannendste was es zu bekämpfen gab. Dadurch stechen größere Schießereien zwar stark aus dem Gros der Encounter heraus, aber mehr währe schon mehr gewesen, auch wenn es ganz nett ist, dass nicht jeder zweite Mensch in der Zone dem Spieler ans Leder will.
Jeder der drei großen Kartenabschnitte hat einen sicheren Hafen in dem lokale Stalker (oder Soldaten) herumlungern, Missionen verteilen und Dienste anbieten. Das macht vor allem was die Missionen angeht die Wege deutlich kürzer, da man nicht mehr durch mehrere lange, Gegnerverseuchte Kartenabschnitte hin und zurück laufen muss um eine Mission zu erfüllen, sorgt aber andererseits auch dafür, dass es eben keine fünf Laufminuten entfernt immer einen sicheren Hafen gibt. SoC hatte ein – wieder einmal subjektiv empfunden – deutlich höheres gefühltes Bedrohungspotential. Der Handlungsbogen des Spiels selbst ist außerdem augesprochen dünn und dramaturgisch schwerfällig inszeniert.
Nichts desto trotz ist CoP ein sehr gutes Spiel. Es ist deutlich ärmer an Bugs als die Vorgänger, sieht dank Direct X 11 noch mal wesentlich besser aus, und ist wenn man die grobschlächtige Rauhbeinigkeit der Stalker-Reihe zu schätzen weiß sowieso ein Pflichtkauf.
Aber dennoch bemerkt man sowohl den Zahn der Zeit der an der X-Ray Engine nagt, als auch dass CoP im Prinzip „nur“ eine Erweiterung ist. Die Charakteranimationen sind an modernen Maßstäben gemessen hölzern, das reine Shooter-Gameplay sehr grob und fast schon altbacken.
So gut das Spiel ist, es bietet wenig wirklich neues wenn man Stalker lange und ausgiebig gespielt hat, ist den vergleichsweise geringen Preis aber alle mal wert.

The Good
- Mehr aus dem Stalkerversum ist immer gut.
- Sinnvolle Neuerungen an GUI und optischem Erscheinungsbild
- Nicht nur Gitarren sondern auch Mundharmonikas am Lagerfeuer
- Durch schnellere „Steigerung“ des Charakters sowie durch generell höheres „Einstiegslevel“ deutlich Zugänglicher als Vorgänger

The Bad
- Zahn der Zeit nagt an Modellen und Animationen
- Wenig echte Innovation im Gameplay
- Dramaturgisch sehr schwerfällig

The Ugly
- Wohwollend: Sehr praktische Zwischensequenzen. Weniger Wohlwollend: Zwischensequenzen zum davonlaufen
- Gesichtsanimationen als hätte es Half-Life² nie gegeben

Fazit:
Stalker: Call of Pripyat ist wie nicht anders zu erwarten ein sehr atmosphärischer, für ein Spiel von 2005 gutaussehender, eigenwilliger Osteuropäer. Wer über das seltsame Verhältnis zu Wodka, den in der Übersetzung irgendwie nicht ganz funktionierenden Humor, die Grobschlächtigkeit und die totale Abwesenheit von Frauen in der Spielwelt hinwegsehen kann, wem Fallout zu comichaft war, oder im allgemeinen wer sowieso schon ein Fan der Serie ist, der kann bedenkenlos zugreifen.
Wer Stalker noch nicht kennt, sei auf Shadow of Chernobyl verwiesen, mit der Bemerkung, dass Shadow of Chernobyl deutlich genießbarer wird, wenn man einen der grandiosen Mods wie Oblivion Lost installiert, und damit einige der gröberen Unzulänglichkeiten ausbügelt.
Call of Pripyat ist irgendwie der kleine, weniger gestörte und deswegen geselschaftsfähigere Bruder von Shadow of Chernobyl. Leider muss man halt sagen, dass Call of Pripyat weniger beim Feiern abgeht als Shadow of Chernobyl. Wem letzteres zu seltsam und unzugänglich ist, dem sei CoP dringend empfohlen.Den Artikel im Blog lesen
 
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