Arlecchino
Very S.P.E.C.I.A.L.
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In Jetztzeit/Near Future/SciFi Settings wie Traveller/Twilight:2000/2300AD/Cyberpunk:2020 etc. ist Religion so nützlich / notwendig wie ein Friedensbewegter am Kasernentor. Da gibt es für den ganzen Satz keinen Bedarf bzw. höchstens für den "durchgeknallten Kultisten" (CP2020 hat da einen netten Satz mobiler Übungsziele) oder das "Durchgeknallte Alien" (Travellers Vagr-Sekte "Church of the Choosen"). Bzw. es ist relativ unwichtiger Background (Firefly). Götter und der Glaube daran haben keine Auswirkung und sind reine Privatsache des Chars und brauchen nicht bespielt werden. (I.e Sam Carter in SG-1 ist wahrscheinlich christlich erzogen da sie "Oh God" und "Holly Hannah" verwendet. Aber in 10 Staffeln ist das nicht einmal Handlungsrelevant.
Abgesehen davon, dass bei Carter der Glaube allein im Bezug auf ihren Vater und ihr eigenes Schicksal durchaus immer wieder thematisiert wurde ist das Ganze meiner Meinung nach viel zu dogmatisch. Unter anderem Dune beweist sehr gut, wie Religion und Sci-fi zusammenpassen können - und da gibt es noch genug andere Vorlagen und Möglichkeiten. Vor allem wenn es vom ausgelutschten "fanatischen Kultisten"-Konzept ein wenig abweicht und nicht nur in Form seltsamer Alienkulturen auftaucht, hat das Ganze genauso viel potential, wie in jedem anderen Setting. Bespielen, also einen Fokus darauf legen, muss man das prinzipiell nie und in einigen Settings ist es sicher weniger omnipräsent, als in anderen. Aber ich sehe das eher als allgemeine Präferenz und Herangehensweise an die bespielte Geschichte und weniger settingabhängig. Vor allem nicht so rigoros.
Auch in Wild West oder Victorian Settings ist Religion idR. nicht relevant oder etwas für "die bösen Cultisten/Fanatiker" welche die Helden bekämpfen. Watson ist wahrscheinlich "Church of England" aber es spielt in keinem Holmes Roman eine Rolle. Selbst in den Pater Brown Romanen ist die Religion des Chars nur Nebensache. Oder siehe Jules Vernes Helden, etwa "80 Tage" wo Religion bestenfalls als negatives Element (Frauenverbrennung) auftritt.
Gerade Wild West bietet mannigfaltige Möglichkeiten für den clash of cultures and religions. Gerade auch in den Film- und Buchvorlagen, die immer hin Hauptinspiration sein dürften, laufen überwiegend positiv besetzte Geistliche rum. Seelsorger, die um das Wohl einer kleinen Gemeinde besorgt sind. Priester die einen Track begleiten und die Gruppe zusammenhalten. Geistliche, die in einer Wildweststadt dem lokalen Ranchtyrannen oder Bandenanführer die Stirn bieten, oder die als Vermittler zwischen Dörflern und Natives auftreten und/oder versuchen zu missionieren. Vor allem in der Revolverwelt mit Fokus auf das Gesetz des Stärkeren und allgemeine gewaltsamer und tödlicher Konfliktlösung bieten solche Charaktere und Konzepte ein viel spannenderes Gegengewicht. Der fanatische Priester existierte auch früher, ist aber eher ein Konzept der neueren Beschäftigung mit dem Thema - vor allem bei Videospielen.
Und Victorian Ages ohne Spiritualität, Okkultismus und den Antagonismus zur altbacken spießerischen Gesellschaftsordnung und Religion? Ist wohl dann nur noch age of invention + steampunk. Kann man machen, sehe ich aber auch alles andere als zwingend an.
(1) Ich bin in einem Kaff aufgewachsen wo man "in der Kirche" war, also war ich drin und bin ab und an in die Betbude geschlichen ohne je an den Typen mit dem Wallebard und seinen Sohn zu glauben. Sobald ich meinen ersten Job in einer Stadt hatte bin ich aus der Kirche ausgetreten. SKANDAL im Kaff, mir egal.
Liest sich allgemein so, als seist du aufgrund deines Umfeldes vorwiegend negativ vorgeprägt, kann das sein? Da wäre es jetzt im Bezug auf das tatsächliche Thema des Threads spannend, ob du aus diesem Grund vielleicht auch als Spieler und Spielleiter Religionen und religiöse Konzepte meidest.