AW: Preisfrage: Sind Kämpfe Rollenspiel? Ja oder nein.
Ist der Kampf im Rollenspiel Rollenspiel oder bloßes Auswürfeln?
Das ist ein sehr seltsam KONSTRUIERTER "Gegensatz".
WAS wird denn ausgewürfelt? - Und WIESO wird gerade das ausgewürfelt? - Und was passiert mit dem ERGEBNIS des Würfelns?
Solange eine Kampf-Szene im Rollenspiel nach den Rollenspielregeln, die in der betreffenden Runde gelten, gespielt wird, ist der Kampf SELBSTVERSTÄNDLICH Rollenspiel.
Ein "bloßes Auswürfeln" gibt es nicht. - Ist mir in 30+ Jahren Rollenspiel NICHT untergekommen (anders bei Brettspielen!).
Je nach System beschreibt man den Kampf mehr oder weniger.
Was hat denn der Umfang von BESCHREIBUNGEN mit einer "Ja-Nein"-Entscheidung, die Du hier forderst, ob Kämpfe Rollenspiel sind, zu tun?
NICHTS!
Wenn ich eine fein gestaltete Szenerie, die EXAKT das darstellt, was ALLES in der Szene zu sehen und zu manipulieren ist, verwende, und wenn in dieser Szenerie die passenden Miniaturen eingesetzt werden, dann macht diese Form der ausgefeilten Visualisierung sowieso lange und ausführliche Beschreibungen überflüssig. - Kommt dann noch ein Regelsystem mit einem Detailgrad hinzu, der gut nachvollziehbare Ergebnisse der Anwendung der Kampf-Regeln bietet (z.B. Trefferlokationen, Schmerzintensität, Schock, Angst, usw.), dann ERÜBRIGEN sich ausführliche Beschreibungen. - Man bewegt die Miniaturen und wendet die Regeln an und in den Köpfen eines JEDEN Mitspielers bildet sich ein KLARES Bild. - Die Sprache wird in solchen Fällen nur für die direkte Rede der Charaktere eingesetzt.
Und "fehlt" hier irgendwas?
NEIN!
Das ist ganz normales Rollenspiel mit allem, was zum AUSSPIELEN seiner Charaktere nach den für alle gleichermaßen geltenden Regeln gehört.
Wenn ich in einem minimalistischen Regelsystem spiele, welches nur einen eher "schmucklosen", detailarmen und eher abstrakten Mechanismus aufweist, dann benötige ich MEHR Beschreibungen, um die Ergebnisse der Regelmechanik als FAKTEN in der Spielwelt "haften" zu machen. - Würde diese Spielwelthaftung schon durch das Regelwerk geleistet werden, wären hier zusätzliche Beschreibungen überflüssig und sogar störend, da sie solide, auf Regelgrundlage erspielte Fakten entwerten könnten.
Das BESCHREIBUNGS-VOLUMEN hat aber NICHTS damit zu tun, daß ein Kampf im Rollenspiel tatsächlich Rollenspiel ist. - Mit dem Beschreiben wird hier eine völlig falsche Fährte gelegt.
Man spielt Rollenspiel, wenn man die Handlungsmöglichkeiten, die einem JEDEN Spieler anhand der Regeln für seinen Charakter gegeben sind, durch einen "Entscheidungsfilter" absichtsvoll beschränkt. Dieser Entscheidungsfilter ist der Charakter. Und zwar zur GÄNZE - also über die Spielwerte hinausgehend und die Vorstellungen von Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft, Zielen, Vorlieben, Stärken, Schwächen, usw. zu diesem Charakter beinhaltend.
Spielt man einen übermütigen, naiven, selbstüberschätzenden Charakter nicht ANDERS als einen zögerlichen, erfahrenen, vorsichtigen Charakter?
Warum sollte man denn beim Spielen der obigen, gegensätzlichen Charaktere nur in Gesprächs-, in sozialen Szenen diese Unterschiede ausspielen? - Kampf-Szenen SIND soziale Szenen, in denen ganz intensiv die PERSÖNLICHKEITEN der Kontrahenten zum Tragen kommen (daß dies der Fall ist, kann man in jedem Boxkampf beobachten).
Man spielt unterschiedliche Charaktere unterschiedlich - und zwar in ALLEN Szenen-Arten. Kampfszenen sind da KEINE AUSNAHME!
Eine Verfolgungsjagd in den Straßen von San Francisco in den 70er-Jahren würde man mit einem übermütigen, naiven, selbstüberschätzenden Charakter ANDERS als mit einem zögerlichen, erfahrenen, vorsichtigen Charakter spielen.
Eine Gerichtsverhandlung vor einem Geschworenengericht im Wilden Westen würde man mit einem übermütigen, naiven, selbstüberschätzenden Charakter ANDERS als mit einem zögerlichen, erfahrenen, vorsichtigen Charakter spielen.
Einen Einbruchdiebstahl in einem Konzernlabor würde man mit einem übermütigen, naiven, selbstüberschätzenden Charakter ANDERS als mit einem zögerlichen, erfahrenen, vorsichtigen Charakter spielen.
Einen Kampf gegen eine Gruppe Orks auf Raubzug würde man mit einem übermütigen, naiven, selbstüberschätzenden Charakter ANDERS als mit einem zögerlichen, erfahrenen, vorsichtigen Charakter spielen.
Rollenspiel findet in JEDER Szene statt!
Eine Begründung die ich gehört haben, warum auf Rollenspielen im Kampf verzichtet werden sollte, war "dann dauern die Kämpfe noch länger oder ich will nicht wissen wo ich den Gegner wie getroffen (mir Gorefaktor) habe, sondern ich stelle mir den Schlag nur gedanklich vor.
Das ist wieder die falsche Fährte. - Abwicklungsgeschwindigkeit und Detailgrad sind je nach individuellen VORLIEBEN zu betrachten. - Dem einen "fehlt etwas", wenn ohne Trefferlokation und hochdetaillierte Zehntelsekunden-Zeit-Ticks-Zeitstrahl gespielt werden soll. Der andere mag Kämpfe lieber abstrakt und grob beschrieben abgewickelt haben ("Sie kämpften bange Minuten, bis der Held über den Wächter siegte.).
BEIDE Detailgrade und Vorlieben SIND aber Rollenspiel, solange die Spieler ihre Charaktere spielen.
Würfeln ist auch KEIN Kriterium, welches Rollenspiel von Nicht-Rollenspiel unterscheidet. - So bietet Dogs in the Vineyard ein elaboriertes Würfelsystem, welches aber den CHARAKTERBEZOGENEN Eskalationsweg in Konflikten regeltechnisch umsetzt. - Charakterspiel UND Würfeln in einem nicht einfachen Regelsystem. - NATÜRLICH ist das ein Rollenspiel, und zwar EGAL ob ein Gespräch in eine Schießerei eskaliert ist, oder nicht.
Ist für euch der rollenspielerische Aspekt nur das beschreiben der Szenen ?
Das erste was mit einfiel, waren eher Taktik Gerede und zB die Emotionen, wie wenn man sieht das ein Kamerad zu Boden geht und sowas.
Eben.
So wird ein loyaler Charakter seinem Kumpel beispringen und ihn zu retten versuchen, während ein ängstlicher Charakter in diesem Moment seine Flucht vorbereitet und dann rennt, während ein "Jeder stirbt für sich allein"-Charakter den zu Boden gehenden Kameraden bereits abgeschrieben hat und versucht dessen Lücke anderweitig zu schließen, während ein rachsüchtiger Charakter sich mit heiligem Zorn auf den Gegner stürzt, der den Kameraden niedergestreckt hat, ...
Rollenspiel findet DEN GESAMTEN KAMPF ÜBER statt!
Man spielt seinen Charakter. - Und das hört nicht einfach mal auf, wenn ein bestimmtes Regelsubsystem verwendet wird.