Play Dirty

A

Arlecchino

Guest
Ich bin gerade über das hier gestolpert und jetzt neugierig, ob das hier soweit bekannt ist und ob es ein paar von euch schon angewandt haben. Schonmal vorweg: das scheint ja was älter zu sein, wenn es also schon bekannt und totdiskutiert ist, auch gut. Ich kannte es nicht. Wenns kalter Kaffee ist, verlinkt einfach auf alte Diskussionen darüber. Mich würden eure Meinungen aber auch im Hier und Jetzt interessieren.

Eigentlich bereits nach Lektüre der in der Kritik vorhandenen Auszüge, spätestens nach der Recherche des Autors selbst verbindet mich eine morbide Faszination in Kombination mit bis zum Rand gefülltem Brechreiz mit dem ganzen Ding.

Abgesehen davon, dass hier einige der Beschiss-und-Fairness-Fraktion sowieso im Sechseck springen dürften (diesmal spring ich mit) ist es vor allem diese megalomanische Selbstbeweihräucherung, die mich überhaupt erst dazu brachte, hier das Thema zu öffnen. Ich bin solchen Spielleitern auch schon begegnet, im Internet wie auch außerhalb davon und die orgiastische Selbstbestätigung in dem illusorischen und vermeintlich unglaublich cleveren Gefühl der Manipulation der Spieler zu etwas "Besserem", zu "Höherem", diese selbst auferlegte Hebammentätigkeit, die den Spieler gleich in ein abhängiges Schüler- und Padawan-Verhältnis dem großen Meister der Emotionen und Dramaturgie gegenüber verordnet hat mir immer ungefähr so sauer aufgestoßen, wie es ein Kübel reinster Zitronensaft getan hätte.

Auch wenn das bei der Vorlage jetzt vielleicht ein wenig schwer ist: kann Jemand unter euch diesen Stolz nachempfinden, ist das auch Teil eurer Spielerfahrung? Ich mein, realitätsfern ist das nicht unbedingt. Ich erinnere mich da an den lustigen Bub, der sich (teilweise gegen Geld?) als Spielleiter buchen ließ, um Spielrunden mit seinem geilen Stil und seinen überlegenen Techniken "aufzumischen", vor allem aber an mein Unverständnis den weitgehend positiven Reaktionen auf so eine viel zu offensichtliche Brustklopferei. Denn scheinbar war das teilweise erwünscht, scheinbar ziehen solche Kompensationsüberegos glänzende Blicke und gleißende Fans an, die sich gerne wie die strategisch platzierten Schachfiguren in des Meisters glamourösen Plan herumdirigieren lassen, um seine dramaturgisch perfekte Symphonie zum hoch emotionalen Abklang zu geleiten, der vor allem deswegen so toll ist, weil der große Mann hinter dem SL-Schirm seinen Spielern wirklich alles abverlangte, ja, sie regelrecht verformte und das wahre Potential aus ihnen herauskitzelte, indem er ihre Charaktere vor high emotional and intelligent stakes stellte.

Den letzten Punkt verstehe ich in der etwas abgeschwächten und neutralen Form "Rollenspiel kann ein tieferes und erinnerungswürdigeres Erlebnis werden, wenn das Spiel den Teilnehmern das Gefühl zumindest glaubhaft vermittelt, dass etwas auf dem Spiel steht". Sehe ich auch so. Psychologische Amateurexperimente wie die in der Kritik zitierte Anekdote mit der Knastszene gehören für mich allerdings nicht dazu. Ich glaube bei so viel pink glitzernder Genialität würde ich eher in Lachkrämpfe ausbrechen, als durch das mir bereitete, tiefe Tal meiner eigenen Katharsis zu schreiten.

Was denkt ihr? Schonmal schmutzig gespielt, oder dauernd? Ist das nicht BESCHISS? Ist das gut, solange man eine Symphonie komponiert, die allen genug Spaß macht? Bin ich nur zu blöd, die Genialität dahinter zu begreifen oder habs einfach nicht verstanden (dann klärt mich bitte auf, ausführlich - mit mehr als einem Satz)?
 
Das ist John Wick. Der schreibt immer so. Der hat auch einen Video-Podcast, der das Bedürfnis ihm die Schuhe in Brand zu setzen auch nicht gerade verringert:

- solche Weisheiten haut er dann raus...

Is' halt jemand der sein eigenes KoolAid gesoffen hat. Damals, in den finsteren 90ern, hat er sehr hübsche aber mechanisch eher mäßige Rollenspiele geschrieben. Er ist zum Beispiel für die Story von L5R verantwortlich, bevor aus L5R das Marveluniversum 2 wurde und "7te See" stammt weitestgehend von ihm. Da die Geschichten ganz gut funktionierten und der Mensch recht kreativ ist, hat man ihn bejubelt. Das ist ihm zu Kopf gestiegen und jetzt predigt er seine Weisheit an das Volk.

Houses of the blooded und Blood&Honour sind aktuellere Produkte von ihm und denen merkt man diesen verquasten Schreibstil den er seit seiner Erhebung zum Rollenspielguru pflegt leider deutlich an. Gerade letzteres fand ich schwer zu lesen...

Inhaltlich.... Nuja... Wenn man ALLES durchackert kann man unter dem gesagten ein oder zwei Dinge finden die es wert sind gesagt zu werden. Darüber hinaus ist mein Bedürfnis meine Spieler zu traumatisieren sehr schwach ausgeprägt...
 
Puhhh.... Also eins vor weg: John Wick kann schreiben und hat auch was in der Sülze. Seine Ansichten sind teilweise merkwürdig und oft auch ambivalent. (Das gab es auch schon zu 7te See Zeiten, wo teilweise gerade für die 90er recht tolle SL Tipps drin standen, aber auch dann auch wieder die Aufforderung seine Spieler so richtig zu verarschen.) Ich fand Play Dirty vor allem, als Anekdotensammlung recht lesenswert, als SL Spielhilfe gibt es sicher Besseres. trotzdem ein paar gute Sachen stehen auch hier wieder drin und einiger Kram, den ich anders sehe. Zu guter Letzt, sei noch erwähnt, daß es sich hier eher nicht um einBuch zu einer "Art" zu spielleiten und den entsprechenden Techniken handelt, wie etwa bei Dominik Wäschs "Spielleiten" sondern eher um einzelne Andekdoten, mit einer enthaltenen "Technik".
Und zu wirklich aller aller Letzt, finde ich es nie verkehrt, wenn man solche Sachen liest und mit sich und anderen nochmal durchgeht, selbst wenn da nun gar nichts für einen bei ist, kann man dabei doch nochmal etwas mit nehmen über sich und seine Vorlieben.
 
Ist das nicht BESCHISS?
Ja, ist es.

Wick propagiert das BESCHEISSEN als durchgängige Methode, um sich über seine Mitspieler zu erheben und sich als Der Größe (tm) über die armen manipulierten OPFER vorzukommen. - Das ist seine Methode. Die paßt offensichtlich zu seinem Charakter.

Ich finde das alles andere als nachahmenswert.
 
@Sylandril
Das mag durchaus sein. Für mich steht da der potentielle Gewinn an Erkenntnis für mich persönlich dem Willen oder Unwillen zur Unterstützung des Autors entgegen.

Darüber hinaus ist mein Bedürfnis meine Spieler zu traumatisieren sehr schwach ausgeprägt...

Meins auch, wobei es hier wohl eher um das Gefühl der Überlegenheit und Führung geht, als um tatsächliche Traumatisierung. Aber auch da ist das Bedürfnis eher klein, denke ich.
 
Ich erinnere mich, dass mir die Spielleitertipps im SL Handbuch von 7th Sea damals ziemlich anwendbar vorkamen. Damit kann ich mich auch heute noch identifizieren. Überhaupt waren die Sachen, die Wick damals so geschrieben hat, wirklich kreativ. Bin ganz überrascht, was da heute so rumkommt.
 
Wenn er ausschließlich Bullshit schreiben und labern würde, hätte er es wohl gar nicht erst zu Aufmerksamkeit gebracht. Saints Theorie von dem "zu Kopf steigen" klingt relativ plausibel, wenn man den strickten Vergleich von "früher" zu "heute" zieht. Mich würden tatsächlich einige seiner früheren Dinge zum Lesen interessieren.

Vielleicht bin ich auch ästhetisch vorbelastet. Zwei Spielleiter, die ich aus meinem ehemaligen Umfeld kenne, sahen ihm unglaublich ähnlich. Redeten ähnlch. Liefen mit Cowboyhüten und Errol Flynn-Gedenkbärtchen durch die Gegend und fanden sich im SL-Stuhl unglaublich geil (was nicht heißt, dass sie tatsächlich nicht das ein oder andere drauf gehabt hätten). Ich weiß, never judge a book by it's cover. Aber man kommt ja doch nicht aus seiner Haut raus, dieser spezielle "Typ" hat sich in mein Hirn eingebrannt.
 
Dieser John McClane Spruch, das war einer, an den ich mich auch im 7th Sea SL-Handbuch erinnern kann. Den fand ich damals ziemlich anwendbar. Ich habe tatsächlich Spieler - und zähle mich selbst auch gerne dazu -, die es durchaus genießen können, erstmal blutig und zerfetzt durch den Dreck rutschen zu müssen, bevor sie dem Oberüblen endlich ausgiebig die Fresse polieren können. Die Annahme, dass "alle Spieler so sind" würde ich allerdings (heute) nicht mehr unterschreiben. (Vor allem würde ich nicht erstmal so leiten, als wäre die Sterblichkeitsrate von "Game of Thrones" für jeden was. Ist es ganz offensichtlich nicht.)

Gut, der Mensch ist anscheinend nicht mehr verheiratet. Vielleicht war der "Wick is dead!"-Hoax auch kein Hoax, und das ist ein Alien.
 
Ich bin ein Spieler, der das bei seinen Charakteren liebt. Ein Spielleiter, der allerdings durch seine Cleverness versucht, mich als Spieler in eine solche psychologisch-emotionale Achterbahn von Motivation und Demotivation zu treiben, wäre mir jedoch suspekt. So wie Menschen, bei denen ich merke, dass sie versteckt oder gar nicht so versteckt versuchen, bestimmte Knöpfe bei anderen zu drücken. Ich find das immer manipulativ. Sowas hat für mich am Spieltisch nicht viel verloren.

Jetzt kann man darüber streiten, ob es nicht immer eine gewisse Form von Manipulation gibt. Womöglich. Ich hab allerdings kein Problem damit, mich vom Spielleiter mal mitnehmen zu lassen. Generell habe ich wenig Probleme, mich begeistern oder mitreißen zu lassen. Aber der Mensch, der das macht, sollte irgendwie genauso viel Spaß an der Reise haben und nicht an der Idee, dass er mich dazu gebracht hat, ihn zu begleiten.
 
Mein Freund ist großer Fan von dem Buch, selbst habe ich es noch nicht gelesen. Was ich bisher hörte, auch was Wick in dem Podcast für Tipps gibt, wie man mit schlechten/nervenden/powergamenden Spielern umgehen soll, sehe ich irgendwie mit gespaltenen Gefühlen.

Einerseits bin ich ja Anhänger der von Zornhau so gerne auf dem Scheiterhaufen verbrannten "Beschiss find ich gut"-Seite. Andererseits liefen viele der von Wick gegebenen Tipps irgendwie darauf hinaus, den Spielern so richtig eins auszuwischen und ihnen ihren Platz zu zeigen - meist einfach durch Telling, was ich persönlich etwas arm finde. Und das auf eine wirklich frustrierende Art und Weise. Das finde ich nicht schön. Der Spielleiter ist kein Kindergartenerzieher. Und es gehört nicht zu seinen Aufgaben, den Leuten "das richtige Rollenspielen" beizubringen. Wenn ich einen Spieler scheiße finde, dann zoffe ich mich mit dem und spiele nicht mehr mit ihm. Und mache ihm nicht IT das Leben zur Hölle bis er geläutert ist von seinen Untaten. (Btw enthielt auch einer von Wicks Podcasts genau diese Aussage: Warum spielt ihr eigentlich noch mit denen?!)

Auf der anderen Seite scheinen in dem Buch aber auch ein paar angenehme Tipps drinzustehen, wie man das Spiel interessanter machen kann und die Spieler mit Dingen überraschen, mit denen sie nicht gerechnet hätten. Abgesehen davon kann es auch ungemein den Spielspaß erhöhen, wenn der Spielleiter einfach mal so richtig fies und dreckig ist ^__^ Unfair muss nicht gleich frustrierend sein, wenn die Spielgruppe weiß, worauf sie sich einlässt. Die Wick'sche Idee, dass ein gutes Spiel daran zu erkennen ist, dass gaaaanz viele SC gestorben sind, teile ich dabei aber nicht unbedingt.

Ist halt immer eine Frage der Dosierung und dessen, zu welchem Zweck man die Tipps einsetzt. Als Erziehungsratgeber für verzweifelte Spielleiter mag das Buch nichts taugen. Als Ideengeber, wie man das Spiel ein wenig mieser machen kann und sich damit den Ruf als hinterhältiger Mistkerl-SL (im positiven Sinne) abholen kann, ist es wohl wirklich gut.
 
Ich fand die Auszüge, die da zu lesen waren, echt schlimm.
Nicht mal unbedingt inhaltlich, da sind durchaus Sachen dabei, die gewiss ihre Berechtigung haben mögen, oder die je nach Dosierung vielleicht was haben.

Aber diese Schreibe, die machts mir einfach unglaublich schwer, die Botschaft hinter dem Pathos zu finden.
 
Ich hab allerdings kein Problem damit, mich vom Spielleiter mal mitnehmen zu lassen. Generell habe ich wenig Probleme, mich begeistern oder mitreißen zu lassen. Aber der Mensch, der das macht, sollte irgendwie genauso viel Spaß an der Reise haben und nicht an der Idee, dass er mich dazu gebracht hat, ihn zu begleiten.

Sehe ich ähnlich. Eine spaßige, funktionierende Runde definiert sich für mich mehr wie ein Road Trip, wo ein Haufen Dudes und Dudettes zusammen einen Highway runterbrettern, Lieder schmettern, Chips und Kekse futtern und literweise Energy Drinks schlürfen, als wie ein Schulausflug zu den "strengsten Eltern der Welt".
 
Ich habe das Gefühl das viele Wick falsch verstehen. Play Dirty gehört zu meinen Hauptwerken und lese es immer noch gerne. Sein Ziel ist es das seine Spieler am Ende des Spielabends Blutig geschlagen und mental verstört sind aber sie haben gesiegt. Alle seine Tipps beziehen sich darauf die Spieler das Spiel fühlen zu lassen. High Risk high Reward.

Das stellt er auch in seinem Buch klar raus. Sein Ziel ist es die Leute auf diese "Emotionale Achterbahn" zu schicken. Dafür und nur dafür gibt er Tipps. Es ist eine Philosophie die man teilen kann oder nicht. Für meinen Teil habe viel aus seinen Vorschlägen mitgenommen. Aber wird der "Handelsübliche DSA" Spieler dort wenig finden. Seine Tipps bringen für WoD oder CoC eine Menge.

Ich empfehle ebenfalls Wicked Fantasy ^^ großartiges Buch und nette Twist.
 
So wie ich das erstmal überblicken kann, ist das Problem weniger, dass Wick gute Ideen hat. Das will man ihm gar nicht unbedingt absprechen, wie ich die ersten Reaktionen hier deute. Das Problem ist eher, dass er sich als selbstverliebten Obermotherfucker präsentiert, weil er auf seine Art leitet, und auf diejenigen runterzublicken scheint, die eine andere Art bevorzugen. Das ist schon ziemliches rumgesheldoncoopere, wenn dem so ist.

Zwei unterschiedliche Paar Schuhe, also. Der Mann kann so genial sein, wie er will, Genialität ist kein Ersatz für Einfühlungsvermögen und Respekt. Da möchte ich ehrlich lieber mit einem hochsympathischen, kompletten Chaoten-SL einen spaßigen aber einfallslosen Dungeoncrawl spielen, wie ich es schon tausendmal gemacht habe, als einem Star-SL dabei zuzusehen, wie er einen totalen Mindblower leitet, sich dabei aber hinter'm Spielleiterschirm ständig die Eier leckt, weil er sich so großartig findet.

Ist halt 'ne Einstellungssache.
 
Naja, jetzt jedes Buch danach zu bewerten, ob man den Autor leiden kann, halte ich für eine fragwürdigen Einstellung. Und das Buch an sich kann richtig gut sein, wenn man die Tipps dazu nutzt, wozu sie gedacht waren und nicht dazu, die Stimmung am Tisch zu versauern.
 
Ich finde es schon absolut okay, immer auch die eigene Haltung zum Schaffenden einzubeziehen. Wenn den Typen für ein Arschloch hält, muss man ihm nicht noch Geld hinterherwerfen.
 
Ich glaube, dass ich ihn richtig verstehe. Zumindest habe ich bei Rekars post genickt, bis er den Autor dafür gelobt hat.

Und es ist nicht so, dass ich den Autor einfach missverstehe und mich von seiner Person so sehr ablenken lasse, dass ich die Genialität seiner Theorie vermisse, denke ich, weil die unmittelbar mit ihm als Person und seiner Rolle im Spiel verbunden ist.

Es ist auch gar nicht mal mein Problem, dass er auf Spielleiter, die nicht so leiten wie er, möglicherweise herabblickt. Er blickt auf seine Spieler herab. Er betrachtete sie als Ton in seinen Händen, dazu gedacht, von ihm geformt zu werden. Das ist eine Art Gottkomplex, der am Spieltisch ausgelebt wird. Eben ein Dirigent, der seine Symphonie spielt und die Figürchen nach Belieben tanzen lässt und sie so zu ihrem kleinen, süßen Spaß führt. Er erlebt das Spiel nicht mit ihnen, sondern von außen, macht aus seinen Spielern Experimente. Er ist der stolze Papa, wenn sie sich unter seinen behutsamen Liebkosungen in duftende Pflänzchen entwickeln.

Das geht natürlich damit einher, erstmal zu glauben, den Durchblick zu haben. Aber das geht vermutlich vielen so, die Tipps geben. Das reine "Tipps geben" war ja auch noch nie ein Problem, zumindest nicht in meinen Augen. Es ist allerdings ein Tipps geben für Spielleiter, die auch mal auf dem goldenen Thron sitzen wollen. Für Menschen, deren Spaß hauptsächlich daraus besteht, grinsend die Fingerkuppen gegeneinander tippen zu lassen, während ihre klug gelegten Pläne aufgehen.

Das ist für einen Bösewicht im Spiel absolut plausibel und machbar. Mit den Charakteren darf man so verfahren. Nicht mit den Spielern. Das sind Menschen, denen ich auf Augenhöhe begegne. Ich maße mir nicht an, sie zu analysieren, ihre Schwächen und Stärken zu meinem Zweck auszuspielen und ihnen so mäeutisch den Weg zu Erkenntnis und wahrer, kathartischer Erfahrung zu ermöglichen. Ich finde auch Schreiber, Drehbuchautoren und Regisseure schlimm, die dieses Gedankenkonstrukt pflegen. Das führt erfahrungsgemäß automatisch dazu, die eigene Rolle überzuinterpretieren und die Rolle anderer Teilnehmer von sich und der eigenen Leistung abhängig zu machen. Einer der großen Auswürfe ist eben dann der Spielleiter, der so von sich überzeugt ist, dass er sich ausleihen lässt um andere Schäfchen zu erleuchten und zur grünen Wiese der wahren Erfahrung zu geleiten.

Diese Einstellung macht in meinen Augen ein grundlegendes Vertrauen kaputt. Und es verhindert, dass ich selbst wirklich überrascht werden kann, durch das, was die Menschen, mit denen ich spiele, so tun und erdenken. Der Play Dirty-SL kann davon überrascht werden, was die experimentellen Affen in seinem kleinen Labor so alles mit den Brotkrumen anstellen, die er ihnen zuwürft, oder wie sehr sie ausrasten, wenn er sie mit Elektroschocks reizt - er wird vielleicht auch Faszination dafür empfinden, wenn er sieht, wie sie durch ihn geleitet zu wahren Emotionen und anrührigen Gesten fähig sind und ihr Essen teilen, damit Niemand verhungert.

Aber er wird sich selbst von den Affen nie belehren lassen. Jede Erkenntnis erfolgt im Selbstbezug. Er wird sich nie von seinen Spielern abholen und berauschen und faszinieren lassen - und diese Art, sich nicht auf Augenhöhe mit seinen Mitmenschen zu belassen, stößt mich phänomenal ab.
 
Ich finde es schon absolut okay, immer auch die eigene Haltung zum Schaffenden einzubeziehen. Wenn den Typen für ein Arschloch hält, muss man ihm nicht noch Geld hinterherwerfen.
Stimmt genau! - Ich hatte das Buch bei einer Verlosung auf einem Con gewonnen. Gekauft hätte ich es mir niemals.
 
Wir hatten mal einen Cyberpunk SL auf ner Con, der eine laufende Runde übernommen hat, um "den Leuten mal zu zeigen wie man richtig dreckig spielt". Der SL ist dann zur Seite gerutscht und hat den leiten lassen. Am Ende waren alle SCs bis auf meiner tot, alle hatten miese Laune und der SL kam sich dabei total toll vor. Der Kerl hatte gelbe Finger vom rauchen und einen Vollbart...ich hätte ihn auf Mitte 40 geschätzt. Nachher kam raus, dass er 18 war. Na ja ich war damals auch noch ein Jungrollenspieler, heute würde ich das auch nicht mehr mitmachen. Ich find sowas fürn Arsch.
 
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