Der Begriff des Orientalismus, wie er von Edward Said geprägt wurde, umfasst natürlich auch Ostasien, und spezifisch Japan. (Auch wenn das bei Said selber eher nebensächlich ist.) Du hast auch völlig recht, wenn Du sagst, dass der Begriff "Orient" im englischsprachigen Gebrauch allgemein auch diese Gebiete bezeichnet.
Aber das hat meiner Meinung nach eher wenig mit dem Japanbild in Cyberpunk zu tun. Das ist einfach aus dem zeitlichen Entstehungskontext von CP (Genre und Spiel) zu erklären: Die späten 80er und frühen 90er waren in den USA nun mal der Höhepunkt des "Japan Scare". Man muss bedenken: Das japanische BIP betrug 1990 fast zwei Drittel dessen der USA, und wenn man die Tendenz der damaligen Wachstumsraten einfach fortsetzte (damals wie heute typisch für das intellektuelle Niveau nicht nur von Wirtschaftsforschern), war es nur eine Frage, bis Japan die größte Volkswirtschaft der Welt werden würde.
Die ganze Japanbesessenheit der 80er und 90er ist im Grunde eine Folge davon, weil die Beschäftigung mit japanischer Philosophie, mit Samurai, mit Zen etc. wesentlich durch die Frage "Wie machen die Japaner das nur?" angestoßen wurde. Mehr oder minder zufällig war das aber eben auch der Zeitrahmen, in dem das Cyberpunk-Genre (und nebenbei bemerkt, auch das Rollenspielhobby als Massenphänomen) geprägt wurde. Dass bei dieser Beschäftigung auch ein gehöriges Maß an Orientalismus n.o.g. Definition im Spiel war, ist natürlich richtig.
Wenig später platzte die japanische "Bubble Economy", aber da waren die Genrekonventionen schon festgelegt. Und Zornhaus grundlegend richtige (trotz des geradezu rührend normativen Insistierens, dass das Genre "TOT" sei) Feststellung, dass diese Konventionen aus ihrem Zeitkontext herausgelöst bis heute mitgeschleppt werden, erklärt den Rest.