[Mitte Dezember] Die verlorene Tochter kehrt heim

Nightwind

Erzketzer
#StandWithUkraine
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11. September 2003
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Zuerst läuft sie, einfach weg, einfach um das Gefühl zu haben, den Wind zu spüren. Dann verlangsamt sie ihre Schritte wieder, geht zwar immer noch schnell aber läuft eben nicht mehr. Ihr Ziel ist die Wohnung... aber sie will jetzt sofort wissen, wie es um Julian steht... und vielleicht... ob sie bei ihm überhaupt noch willkommen ist...

Das Schlimme daran wäre, dass sie sich um seinetwillen fast wünscht, dass es nicht so wäre. Sie hat nicht gut genug auf ihn aufgepaßt, im Gegenteil, was sie immer befürchtet hat ist eingetreten... wegen ihr ist er in Gefahr geraten. Während sie geht (und andere Fußgänger besser aufpassen, nicht gegen sie zu rennen) holt sie ihr Handy hervor und ruft ihn an.
 
Julian hebt ab. Meyye konnte das Plätschern des Wassers in eine Badewanne hören. "Meyye ... oh meine Liebste ... Wie ... wie geht es dir?"

Kurz sagt sie gar nichts. Freut sie einfach nur, seine Stimme zu hören. Schließt für ein paar Schritte die Augen und geht blind weiter. Öffnet sie dann wieder und sagt: "Es ging mir schon besser. Aber ich bin noch da, es ist noch alles dran und ich... würd gern zu dir kommen, wenn ich zuhause war... Tatjana und Nikita bescheidsagen."

Julians Freude ist auch nicht zu überhören. "Ja bitte! Komm vorbei. Ich ... ich hatte solche Angst um dich!"

"Wenn du wüßtest..." wieviel Angst ich um dich hatte, im Kerker... wie berechtigt deine Angst war... Sie schluckt die Worte hinunter. "Ich komme so bald wie möglich... wart noch ein wenig auf mich, ja?" flüstert sie schon fast in die Membran. Sie weiß jetzt schon, dass sie ihm nicht in die Augen sehen können wird.

"Ein wenig? ... EIN WENIG? ... Weißt du ... mir ist noch viel klarer geworden, wie sehr ich dich liebe, als ich alleine bei diesen Vampiren war ... Ich werde so lange auf dich warten, bis ich dich in die Arme schließen kann. Ich kann es kaum erwarten." Dann hauchte er ihr noch einen Kuss durchs Telefon zu. "Bis gleich, mein Herz."

Ihr ist nach Heulen zumute, als sie ihm zuhört. Sie bringt ihm Gefahr, Schmerz und Gefangenschaft, und er liebt sie dafür nur noch mehr. Sie hat ihn gar nicht verdient! Schnell hält sie sich die Hand vor den Mund nach dem ersten Schluchzlaut, der somit noch als zufälliges Geräusch der umgebenden Straße durchgehen kann. "Bis gleich, Liebster." kann sie noch flüstern, dann schaltet sie ab und hat alle Konzentration dafür aufzuwenden, nicht auf der Straße Blut zu weinen. Irgendwie schafft sie es nachhause, und anstatt aufzuschließen, klingelt sie.

Tatjana schreckt furchtbar auf, als die Türklingel ging. Sie hatte nervös vor ihrem Handy am Küchentisch gesessen ... auf einen Anruf gewartet. Von Julian war vorhin nur eine SMS gekommen. "Ich bin gesund zu Hause angekommen. Bitte rufe nicht an. Ich werde mich bei dir melden." Sie hatte diesen Wunsch respektiert ... aber sie hatte Angst. Große Angst um ihre Schwester. Warum rief sie nicht an? Nikita saß bei ihr und sie haben sich vor Nervosität fast nur angeschwiegen. Manchmal kam ein "Mach dir keine Sorgen." oder "Das wird schon ... " Aber mehr nicht.

Dann die Türklingel. Sie sieht Nikita erschrocken an. Dann rennt sie zur Türe und reißt sie auf. Meyye. Sie kann es kaum glauben ... dachte schon, sie hätte für immer ihre Schwester verloren. Sie umarmt sie stürmisch, dreht sich so, dass sie in der Wohnung ist und macht die Türe mit einem Fußtritt zu. Sie kann ihre Tränen nicht mehr verbergen ... und heult und schluchzt los ... so hatte Meyye Tati noch nie weinen gesehen.

Dann löst sie sich atmet unruhig und etwas keuchend. Dann fängt sie an mit ihren Fäusten auf Meyyes Brust einzuschlagen (nicht besonders fest ... eher symbolisch) "Mach ... das ... NIE ... wieder!! ... Wie konntest du uns allen hier nur so einen Schreck einjagen? Warum hast du dich nicht dort vorgestellt?" Tatjana heult immer noch hörte dann aber auf damit, auf die Brust der Gangrel einzutrommeln und umarmte sie einfach nur.
 
"Tati..." ist das erste leise Wort, das sie sagt, ehe auch schon die Dinge ihren Lauf nehmen... die stürmische Umarmung, in die Wohnung gezogen werden, das Geräusch, mit dem die Tür zufällt. Und die Tränen. Sie legt die Arme um ihre so ungleiche Freundin und weiß nicht, was sie sagen oder tun soll. Sie hält sie einfach fest und läßt sie weinen. Und obwohl ihr selbst gerade eben noch danach zumute war, tut sie es jetzt nicht.

Als Tati sich von ihr löst, sieht sie sie an, schuldbewußt, aber aus einem tieferen Grund als Tati vielleicht annimmt. Würden wir uns nicht kennen, wäre dir vieles erspart geblieben. Ich bin verflucht, und ich hab meinen Fluch über euch alle gebracht. Dich, Nikita... Julian. "Es tut mir leid." sagt sie leise, noch bevor Tatjana ihre Vorwürfe sowie mit den Händen auf ihr trommelt. Ihre Antwort besteht nur aus zusammengepreßten Lippen.

Sie könnte natürlich viel erklären. Sie hatte beschlossen, sich nicht vorzustellen weil es sowieso keinen Ort gab, an dem sie lange bleiben wollten. Es wäre wohl auf zwei Dutzend Vorstellungen hinausgelaufen auf ihrem Weg durch Irland, und für jemanden wie sie bedeutet das zweidutzendmal Scherereien mit Prinzen, deren Sprache sie nichtmal spricht, und von denen jeder ihr andere Steine in den Weg legt... oder sie postwendend zurückschickt. Oder sich an Julian vergreift. Nein... hit-and-run schien ihr sicherer. Dublin ist eine große Stadt, und sie achtete auf Anzeichen anderer Kainiten. Sie kann sich nicht vorwerfen, nicht vorsichtig gewesen zu sein. Auf dem Weg durchs Land brauchte sie sich nicht viele Sorgen zu machen, nur in den größeren Städten. Sie war auf der Hut. Es ist ihr mehr als nur ein Rätsel, wie es den Leuten D'Aragons gelungen ist, sie am letzten Tag kurz vor der Abreise doch noch zu finden.

Aber das alles spielt keine Rolle mehr. Das Verhängnis, das meist mit dem Schicksal verwechselt wird, hat seinen Lauf genommen. Sie erwidert auch die zweite Umarmung und sagt: "Ich machs wirklich nie wieder, das kannst du mir glauben."
 
Tatjana nickte ... und die Tränen liefen immernoch. "Es tut mir leid, dass ich dich hier so angeschrien habe. Ich hab mir wirklich Sorgen gemacht ... und Nikita doch auch. Verstehst du das? Zuerst wissen wir nicht, wo du bist, ob du noch lebst ... dann die Nachricht, dass du dort ... festgehalten wurdest ... Ich hatte einfach nur noch Panik und Angst. Wir haben sogar zuerst Viktor auf deine Spur angesetzt ... aber Richard hat ihn glaub ich noch zurückhalten können ... irgendetwas in Irland zu tun. Du solltest dort auch anrufen ... Und was war denn jetzt? Wie bist du hierher gekommen? Black Mind hat gesagt, du würdest zuerst zu diesem ... ähm ... ja ... Seneschall gebracht? Was hat er gesagt? War er sehr böse?"

Tausend Fragen, die einfach auf Meyye einhämmerten. (Anstatt der Fäuste)
 
Meyye sieht sie an und lächelt schwach... nicht wirklich fröhlich, auch wenn sie sich freut, Tatjana wiederzusehen. Vor noch gar nicht allzulanger Zeit, als sie in bewegungslos aber wach in einer Holzkiste lag und glaubte, bald wahnsinnig zu werden oder Ritzen ausgemacht zu haben, durch die Sonnenlicht eindringen konnte, hätte sie nicht gedacht, dass sie nochmal die Stimme ihrer besten und irgendwie auch einzigen Freundin zu hören (Nikita ist ihr Kind, das zählt nicht ganz). "Kann ich mir vorstellen..." sagt sie gedehnt, während ihr erstmals das Ausmaß all der Leute klar wird, die sich tatsächlich Sorgen um sie machen. Sie weiß noch genau, dass das früher genau eine Person war: sie selbst.

"Es tut mir wirklich leid... wenn ich gewußt hätte, was daraus wird, wäre ich nie in das Flugzeug gestiegen." ..in den Wald gegangen... oder in den Stadtpark... im Stadtpark hat alles angefangen...
Sie stockt. "Ja, ich war beim Seneschall." sagt sie schließlich, und es klingt wie eine Kokosnuß, die sie ganz heruntergewürgt hat und die ihr noch im Hals steckt. "Und er war ziemlich... sauer..." Sie hebt die Schultern. Mehr will sie davon eigentlich nicht sagen, aber das wird nicht ausbleiben. "Ich werd dir später alles erzählen... jetzt... brauch ich echt ne Dusche."

Alles in allem hört sich das schon wieder fast nach Meyye an, wenn auch ungewöhnlich leise und ohne die sonstige Lässigkeit, die sie auszeichnete, ohne den trockenen Humor und feinen Spott. Diese Eigenschaften brauchen noch eine Weile, um wieder nachzuwachsen.
 
Tatjana bleibt stehen und sieht ihrer Schwester einfach hinterher. Traurig ... geknickt ... Natürlich ging es Meyye nicht gut ... und sie merkt auch, wie sie sich Vorwürfe macht. Wahrscheinlich sogar zurecht. Aber die Garou hat Angst, dass sie nie wieder die alte Meyye werden wird ...
 
Als Meyye die Tür reinkam, stand auch Nikita auf und ging richtung Tür, doch sie ließ Tatjana den Vortritt...
Anfangs stand sie nur im Türrahmen und schaute zu... mit einem traurig, besorgten Blick, schaute einfach zu, sagte gar nichts. Dann als Tatjana anfing zu weinen und vor Meyye auf die Knie ging, lies sie die beidem allein, sie hatte den Eindruck dass das im Moment besser so war. Sie hätte wohl im Augenblick eh nur gestört. Ihr war klar dass Tatjana nicht nur eine gute Freundin Meyyes war, so wie sie sich verhielten.
Sie setzte sich also auf ihr Bett und schaute sich die Wandgemälde an.....
 
Mit einem verlegenen Gesichtsausdruck und einer Art Winken wird Nikita begrüßt, während sich Meyye vornehmlich noch um Tatjana kümmert. Dann geht sie sich umziehen und duschen. Was wohl ihr Kind jetzt von ihr denken mag? Furchtbar, jetzt ist ihr schon wichtig, was andere von ihr denken. Nun, was soll es. Sie hat Nikita gegenüber nie die Autoritätsperson herausgekehrt, auch wenn sie ihr alles beibringen mußte was es halt so gibt über den Clan, die Camarilla, die Traditionen und die Disziplinen, den Sabbat und seine Bekämpfung. Dazu noch ein bißchen Werwolfkunde. Es ist nun schon bald zwei Jahre her, dass sie sie ins Unleben herübergeholt hat und viel gibt es nicht mehr, was sie ihr Neues erzählen kann. Sie hat Nikita auch nie geschont mit der ganzen Wahrheit über ihr Außenseitertum in der kainitischen Gesellschaft und was sie von den 'Bonzen' hält. Soll sie also ruhig wissen, dass ihre Erzeugerin einmal nicht nur gestolpert sondern gefallen ist... dass sie Fehler macht und dafür bezahlt.

Was aus der Veränderung wird durch diese ganze Sache, wird die Zeit erweisen. Die alte Meyye ist sicherlich noch da... sie ist nur zusammengebrochen und wer weiß, ob sie sich aus den Einzelteilen wieder so zusammenbauen läßt wie sie einmal war. Vielleicht wird ja etwas ganz Anderes daraus. Mehr darüber werden aber erst die nächsten Wochen und Monate zeigen. Und auch wenn die innerliche Veränderung nicht ganz klar ist... die äußerliche wird deutlich sein. Schließlich hat sie jetzt allen Grund, noch viel vorsichtiger zu sein als bisher. Sie wird wohl auch nicht mehr so draufgängerisch sein, vorsichtiger und erst nachdenken (es sei denn, sie vergißt es). Und dann sind da noch andere Kleinigkeiten...

Als sie fertig ist und wieder hervorkommt, ruft sie die beiden zusammen. Sie erzählt ihnen alles, was beim Seneschall geschehen ist. Schonungslos alles... der Pflock, das Urteil, das Blutsband zu Cat, die drei Nächte. Sie erspart sich auch nicht, von Nikolais Drohungen zu berichten und dem was sie gefühlt hat in diesem Augenblick. Sie will, dass ihre 'Familie' diesen Seneschall ernstnimmt und vor ihm auf der Hut ist. So wie es aussieht, sind die Zeiten, in denen sie nicht beachtet wurden, vorbei. Meyye ist klar, dass sie schwimmen lernen muß, wenn sie nicht untergehen will. Abschließend sagt sie: "Tati, sag bitte den Garou dass es mir gutgeht. Ich werd mich morgen bei Sylvia melden, bei Viktor auch. Jetzt will ich eigentlich nur noch zu Julian."
 
Tatjana saß mit offenem Mund da und hörte Meyye ruhig zu. Sie wollte immer wieder sagen, wie ungerecht doch alles ist ... aber Ungerechtigkeit hat sie fast ihr ganzes Leben erfahren. Sie kann sich vorstellen, wie sich Meyye fühlt. Nein ... sie kann es nicht nur. Sie weiß es auch. Die Garou bleibt still.

Bei der Sache mit Cat lehnte sie sich sehr erschrocken zurück. "Sowas kann man wirklich befehlen?" Sie schluckte. Dann war sie wieder still. Die Garou nickte, als Meyye sie bat den anderen Garou bescheid zu sagen ... und sie kann auch verstehen, dass sie jetzt erst einmal zu Julian will. Das war alles ziemlich harter Tobak, den Tatjana da erst einmal verdauen musste. Kein Wunder, dass Meyye so sehr anders ist ... wirklich ... kein Wunder. Sie wurde gebrochen ... und auch dieses Gefühl kannte Tatjana. Ganz leise sagte sie dann noch. "Das tut mir alles unendlich leid ..."
 
Meyye blickt Tatjana an und schüttelt den Kopf. Sie kann sich vorstellen, was jetzt in ihrer Freundin vorgeht. Ja, wenn sie es recht bedenkt, ist Tati vermutlich die einzige, die wirklich verstehen könnte, wie es in ihr aussieht. Sie lächelt schief. Sie sollte sie eher dafür bedauern als beglückwünschen. "Da braucht dir nichts leidtun. Ich schätze, irgendwann war's einfach unvermeidlich, dass es mich erwischt. Dafür ist es eigentlich noch recht gut ausgegangen. Hätte auch noch schlimmer werden können." Es war nur ein Finger. Allen guten Geistern sei Dank, dass es nur ein Finger war! Dabei ist auch der schon zuviel.

"Wie auch immer... ich gehe jetzt. Ach ja... sagt bitte auch Viktor bescheid. Ich kann das heute nicht mehr..." Womit kaum irgendwelche Zeitprobleme gemeint sein können. Aber vermutlich verstehen sie auch so. Meyye jedenfalls schnappt sich ihr Bike und macht sich auf den altbekannten Weg zu Julian. Na, wenigstens ihre Fahrweise hat nicht unter dem Erlebten gelitten. Nur ihr Tempo ist weniger aberwitzig. Kurze Fahrt, dann steht sie einmal mehr vor Julians Tür und... zögert. Klingelt dann doch noch. Wartet.
 
Die Tür wurde sehr rasch aufgemacht und Julian stand in der Tür. Er sah dünn aus ... und etwas übermüdet, seine Hand in Gips ... aber ansonten unversehrt. Er hatte Tränen in den Augen und umarmte Meyye stürmisch. Mit leiser Stimme begrüßte er sie. "Mein Herz. Meyye ... ich bin so ... unglaublich froh, dass du lebst. Bitte ... vergiss niemals, dass ich dich liebe. Aus ganzem Herzen ..." Er küsste sie liebevoll und löste sich, nachdem er sie über ihre Haare gestreichelt hatte.

"Bitte erschrick nicht." flüstete er leise. "Ich konnte dich nicht mehr anrufen ... sie sind erst vor zwei Minuten aufgetaucht. Es tut mir leid. Aber glaub mir. Ich bin bei dir und egal, was sie dir vorwerfen. Ich tue es nicht. Und das ist doch das, das zählt ... oder?" Hoffend sah er in Meyyes Gesicht. "Bitte komm rein."

Dann nahm er sie an die Hand und führte sie langsam in das Wohnzimmer. Black Mind stand mit dem Rücken zu Meyye und starte hinaus durch die riesige Glasfront. Sylvia saß auf dem Sofa und hatte ihre Hände im Schoß gefaltet. Sie sah sehr elegant heute aus. Sie hatte einen engen Rock und ein hübsches, dunkelblaues Oberteil an. Black Mind trug einen dunklen Anzug. Sylvias Gesicht sah sehr traurig aus ... auch Spuren der Enttäuschung waren zu sehen. Dann sah sie zu Boden. Meyye konnte sehen, dass sie nicht gerne hier war.

Black Mind drehte sich zu Meyye und Julian langsam um und lief um die Couch herum, um sich neben Sylvia zu setzen. Dann eine stumme Geste, dass die beiden sich setzen sollen. Keine Begrüßung ... kein Wort ... nichts. Black Minds Mimik war nicht deutlich zu erkennen, aber auch hier sah Meyye keine Wut.
 
Sie fragt sich noch, ob sie ihm überhaupt in die Augen sehen kann, als sie es auch schon tut, angezogen von diesen zwei Sternen die sie einfach nicht verfehlen kann, auch wenn sie im Moment überschattet sind. Sie spielt noch mit den schweren Gedanken, wieviel besser es für ihn wäre wenn sie aus seinem Leben verschwinden würde oder nie darin aufgetaucht wäre, als sie schon in seinen Armen liegt und ihn selbst umklammert, als wolle sie ihn nie wieder loslassen. Es ist alles umsonst, diese vernünftigen Gedanken, Vorsätze und Selbstwappnungen. Was sie Viktor damals gesagt hat.. daran glaubt sie wohl doch auch selbst. Vielleicht hat es ja deshalb so gut funktioniert.

Den Kuß erwidert sie, schwankend in der Intensität des Atemzugs einer Ertrinkenden und einer schüchternen Braut. Dann sieht sie ihn an, hört zu und nickt sacht. Sie kann es kaum ertragen... fast wünschte sie sich, er würde ihr Vorwürfe machen, so wie sie sich selbst, damit sie vor ihm auf die Knie fallen und um Verzeihung bitten kann. Er gibt sie ihr sicher eher als sie sich selbst.

Sie läßt sich führen und sieht die beiden Garou. Sie hätte es sich denken können, es ist noch lange nicht vorbei. Wenn ihr jetzt verboten wird, mit Julian und Tatjana zusammenzusein, weiß sie nicht mehr was sie tun soll. Denn obwohl es das Beste für sie wäre... könnte sie nicht mehr ohne sie sein, das wird ihr in diesem Moment noch klarer als zuvor. Auch diesen beiden wird auffallen, wie diese ungewohnt stille Meyye mit gesenktem Blick mit zum Sofa geht, um sich dort zu setzen. Sie versucht erst gar nicht, sich gegen das zu wappnen, gegen das sie keinen Schutz kennt.
 
Einige Augenblicke, die sich in die Ewigkeit zogen blieb es einfach still. Black Mind rieb sich zwischen den Augen und die Stirn. Dann sieht er wieder die Gangrel an. Natürlich ist ihm aufgefallen, wie ruhig sie ist ... kein Wort der Verteidung ... kein Wort der Entschuldigung, was ihm natürlich etwas aufstößt ... und kein Wort der Erklärung.

Immernoch keine Begrüßung. "Du siehst furchtbar aus Meyye." Das war eine Untertreibung. Er seufzte und es vergehen wieder ein paar Augenblicke. Dann stand er auf und ging wieder auf die Scheibenfront zu, um hinaus zu blicken. Seine Hände legte er zusammen auf dem Rücken.

"Es war nicht einfach euch beide aus diesem Schlamassel herauszuholen. Was mir am meisten Aufstößt ist, dass ich persönlich in der Schuld des Seneschalls stehe. Ich weiß nicht, wie und wann er diese Schuld einfordern wird. Aber mein Wort ist bindend. Du hast ja mittlerweile mitbekommen, dass wir unsere Ehre hochhalten." Dann drehte er sich um und senkte den Blick.

"Ich bin enttäuscht Meyye ... wirklich sehr enttäuscht. Aber ich habe jetzt nicht alles daran gesetzt, dass ihr zwei lebend wieder hierher kommt, um euch dann zu bestrafen. So wie du aussiehst ... hast du das sowieso schon hinter dir." Black Mind setzte sich zu Sylvia.

"Erzähle bitte, was passiert ist."
 
Wie könnte sie sich für soetwas auch entschuldigen? Für Meyye ist das nicht nur irgendein Zwischenfall... es ist das Desaster, an dessen Rand sie die ganze Zeit getanzt und dem sie ins Gesicht gelacht hat. Das Lachen ist ihr vergangen, und Worte sind nur lächerlich angesichts der Ereignisse. Wobei die anderen ja noch nicht die ganze Wahrheit kennen.

Sie blickt kurz auf, als Black Mind sie anspricht und sagt immer noch nichts... aber vielleicht wird das Donnerwetter jetzt ja nicht ganz so schlimm wie sie dachte. Sie senkt den Blick wieder und nickt schließlich. Kurz schaut sie Julian an... sie will eigentlich nicht, dass er es erfährt, aber wenn nicht er wer sonst verdient es, über alles bescheidzuwissen was mit ihr zu tun hat. Also fängt sie an... wie schon bei Nikita und Tati läßt sie nichts aus, erklärt wenn nötig noch wie ein Blutsband funktioniert und beschreibt, was der Seneschall mit ihr gemacht hat (und dass das auch der Prinz konnte; vermutlich viele alte Vampire können das). Zwar schaudert sie bei dem Gedanken, den Seneschall zu verärgern... aber die Garou will sie noch weniger gegen sich aufbringen, und hier ist es nicht Zwang, der sie dazu treibt. Ohne dass es nach einer Verteidigung klingt, geht sie auch darauf ein warum sie in Irland gehandelt hat wie sie es tat.

Nach einem stockenden Anfang ist ihre Erzählung recht flüssig, wenn auch ohne die üblichen Färbungen aus Ärger und Spott, eher unheimliche Untertöne von Furcht und Niedergeschlagenheit. Es wird eine Weile dauern, bis Meyye wieder auf die Beine kommt. Schließlich hat sie geendet und schaut auf ihre Hand, welche die von Julian hält. "Es tut mir leid. Ich wünschte, das alles wäre nicht passiert. Ich werde alles tun, was ihr verlangt." sagt sie nun endlich.
 
Beide Garou hörten schweigend zu. Das mit dem Blutsband wollte Black Mind noch erklärt bekommen ... auch, ob das zu Menschen oder gar mit Garou funktioniert ... Dann war es wieder lange Zeit still.

"Das, was dir der Seneschall ... also deine Art dir angetan hat ... tut mir leid. So, wie ich es sehe, wurdest du genug und wirklich sehr hart bestraft ... und wir sind auch nicht aus diesem Grund hier. Weißt du ... wir hatten sehr viel Vertrauen in dich ... wir hätten dir nicht zugetraut, dass du Julian und dich so in Gefahr bringst.

Dieses Vertrauen ist ... angeknackst. Ich werde dir bestimmt nicht den Umgang mit Julian oder Tatjana verbieten. Damit würde ich euch allen dreien das Herz brechen." Black Mind seufzte.

"Ich möchte dich nur bitten ... tu nichts mehr, was deine Ältesten erzürnen könnte. So, wie du sprichst, hat der Seneschall dich in seiner Hand. Reiz ihn nicht. Ich hätte nicht gedacht, dass er soweit gehen würde, um tatsächlich einen Krieg zur provozieren ... aber wenn er ihn haben will ... dann bekommt er ihn auch. Sobald er Julian oder Tatjana ein Haar krümmt ... gibt es Krieg. Du kannst diesen verhindern. Das weißt du. Also ... bitte ich dich nur um eines. Füge dich deinen Ältesten."

Er seufzte, nickt Sylvia zu und beide standen gemeinsam auf. Sie gingen in Richtung Türe. Die Ritenmeisterin drehte sich zu Meyye und Julian um. "Bitte ... enttäusche uns nicht noch einmal." Sie verabschiedeten sich mit einem kleinen Nicken und gingen aus der Tür.
 
Ja, auch zu einem Menschen. Wieder einmal bricht Meyye die Maskerade, indem sie Black Mind erklärt was es mit Ghulen auf sich hat, ihrer Langlebigkeit, ihren Fähigkeiten. Und dem Blutsband natürlich. Sie betont dabei, dass sie soetwas für Julian nicht im Sinn hatte, weil es die echten Gefühle verfälschen könnte. Bisher wußte Julian auch noch von nichts, das ist eines der Dinge, die sie ihm bisher nicht erzählt hat (weil unwichtig, und nicht in Versuchung führen und so).

Sie sieht erschöpft aus vor Erleichterung, als sich keine Konsequenzen wegen Julian und Tatjana ergeben, aber sie macht sich keine Illusionen darüber was wird, wenn sie es nochmal vermasselt. Irgendwann wird die Sicherheit des Rudels und der Blutsverwandten vor die Gefühle Einzelner gestellt werden. "Ich werd dran denken." sagt sie ernst, als er von einem Krieg spricht und ihrer Rolle dabei. Black Minds Kriegsgrund wäre auch ihr Kriegsgrund, und Blutsband hin, Majestät her, ihr Platz wäre dann nicht beim Seneschall oder bei Cat...

Ihr Abschied, und Antwort auf Sylvias Worte ist nur ein Blick. Sie weiß wie ernst das ist und die Sache steckt ihr in den Knochen, um wahrscheinlich nie mehr wieder ganz wegzugehen. Als die beiden weg sind, starrt sie den Verband um Julians Hand an. "Es tut mir leid. Ich hab dir das angetan." flüstert sie. Wie gesagt... wenn er ihr keine Vorwürfe macht, sie macht sich welche.
 
Julian sah natürlich, wie sie sich Vorwürfe machte ... auch schon bei der Begrüssung. Das alles wurde noch etwas bestätigt, als Meyye mit der Erzählung begann. Black Mind und Sylvia waren wirklich erstaunlich ruhig. Wahrscheinlich auch, weil sie einfach so sehr enttäuscht waren. Als die beiden endlich fort waren, zog Julian Meyye in seine Arme und umarmte sie.

"Ich bitte dich ... du hast mir das ja gar nicht angetan ... du hättest mir niemals einen Finger brechen können. Es ist nicht schlimm ... das wäre es nur, wenn er steif bleiben würde und ich nicht mehr zeichnen könnte ... aber so sieht es ja zum Glück nicht aus. Also ... es ist nicht so schlimm." Sacht streichelte Julian über ihre Haare. Lange Zeit saßen sie einfach nur da und er war einfach nur für sie da.

"Ich weiß, dass du dir Vorwürfe machst ... aber ... es ist doch vorbei. Wir beide leben ... es gibt auch keinen Krieg zwischen den Garou und den Vampiren ... gar nichts. Bitte ... verzeih dir."
 
Meyye läßt sich widerstandslos umarmen, tut aber auch nicht selbst etwas dergleichen... eher wie eine Puppe als ein lebendes... nunja, jedenfalls ein Wesen mit eigenem Willen. Erst nach einer Weile, als er sie schon mit Worten zu beruhigen versucht (ist ja gar nicht so schlimm, es ist ja nicht einmal irreparabel...), lehnt sie den Kopf an seine Schulter. Sie kann nicht anders, es fühlt sich einfach zu gut an. Und sie weiß ja selbst, dass sie von Julian gar nicht mehr loskommt. Sie darf es also. Nur ihr Gewissen leistet noch Rückzugsgefechte, weil der Verstand (wieder mal) längst aufgegeben hat zu warnen: Wenn du bei ihm bleibst, ist das nur die Spitze des Eisbergs dessen, was ihm durch dich noch alles widerfahren wird.

"Sowas Gutes wie dich hab ich gar nicht verdient." sagt sie halblaut als erstes, ehe doch noch Leben (oder was ein Vampir halt so nennt) in sie kommt und sie die Hand auf seine Wange legt, ihn ernst und aufmerksam ansieht. Ist die Liebe eines Sterblichen so stark, dass er alles vergessen kann, die Schmerzen, den Beinahe-Verlust dessen, was seine Lebensfreude ist und die Monate der Gefangenschaft unter Bestien? Und sie? Ist ihre stark genug, dass sie es ihm gleichtun kann? "Ich liebe dich." wispert sie nur, ohne eine Antwort zu finden, welche sowieso nur die Zeit nachreichen kann. "Irgendwann, vielleicht... jetzt noch nicht."
 
Julian hatte auch keine Umarmung gebraucht ... sondern wollte genau das, was er machte. Sie ließ sich fallen ... und er versuchte sie aufzufangen und festzuhalten. Als Meyye davon anfängt, dass sie Julian gar nicht verdient hätte, schüttelte er nur den Kopf. "Das ist Blödsinn! Sag so etwas nie wieder! ... Bitte ..." Sie würde bestimmt irgendwann wieder die alte Meyye werden ... ganz bestimmt ... sie war schließlich stark ... "Du bist mein starkes Mädchen" flüstete er leise.
 
"Entschuldige." sagt sie mit gesenktem Blick, als er deutliche Worte auf ihre Selbstbezichtigung findet. Es stimmt aber trotzdem. Sie denkt es schon lange, vor der Gefangenschaft mehr als Überlegung, jetzt als etwas im Bereich der Gewißheit. Doch, so erkennt sie, darf sie sich davon nicht schwächen lassen. Sie muß stark sein... für Julian, für sich selbst, für sie beide. Er weiß es auch. Nur gerade jetzt... da fühlt sie sich alles andere als stark. Jetzt braucht sie ihn mehr als alles andere, jetzt ist er der Stärkere. Aber wahrscheinlich war er das in Wahrheit schon immer.

Absichtlich atmet sie tief durch und sieht ihn wieder an. "Irgendwann wird wieder alles wie vorher. Ich.. werd nur ein bißchen Zeit brauchen." sagt sie und schiebt dabei himmelhoch aufgetürmte Probleme und bodenlos tiefe Fallgruben beiseite. Sie wird sich zumindest bemühen, für ihn, soviel ist sicher.
 
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