AW: Kampf oder Rollenspiel?
In der klassischen Lesart ist allerdings „Rollenspiel“ oft als synonym für „soziale Konfliktlösung“ verwendet worden.
Insbesondere bei den alten Wargamern, die eben die Problemlösung via "roleplay" als DIE erweiternde Möglichkeit gegenüber den klassischen Wargames, wo es ja NUR das Kampfsystem und sonst nichts gab, aufgefaßt haben. Ich hatte mit alten D&D-Spielern der hier stationierten US-Soldaten AD&D gespielt und da waren viele Leute der ersten Stunde dabei. Für diese war es überhaupt keine Frage, daß zum Rollenspiel beides gehört: Problemlösung durch Gewalt oder durch Magie (ja, es gibt auch NÜTZLICHE Zauber in D&D nicht nur Killerzauber) oder durch Ideen und Reden. Für Kampf und für Magie gab es harte Regeln, und für den Rest eben das "roleplay". - Kein Gegensatz, sondern Teil des Ganzen.
D.h. es stand nicht in Frage, dass ein Abenteuer zum Inhalt hat, eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen. Die Frage war nur, ob diese Aufgabe eher mit Waffengewalt, unter Zuhilfenahme eines meist komplexen Kampfsystems, zu lösen war, oder mit List, wofür es traditionell keine harten Regeln gab, sodass es auf den Scharfsinn und die Beredsamkeit der Spieler ankam.
List ist aber gerade auch in Kampfszenen enorm wichtig. Gerade weil man früher eben NICHT "Challenge Ratings" hatte und so nie sicher war, ob die Gegner, die man hatte, überhaupt von einem besiegbar waren, mußte man einfach härter nachdenken, wie man solche Gegner austricksen konnte, wie man sich einen Vorteil verschaffen konnte, wo die Schwachstelle des Gegners sein könnte. - Und da zeigte sich: KEIN KAMPFSYSTEM kann mit dem Einfallsreichtum von Spielern mithalten. Es gibt in JEDEM noch so hart geregelten Kampfsystem immer Situationen, immer Ideen der Spieler, wie sie einem Gegner beikommen wollen, die regeltechnisch nicht abgedeckt sind. - Hier zu sagen: "Das geht nicht, weil das nicht bei den Kampfregel steht." halte ich für schlechten Stil. - Und bei solchen kreativen Kampf-Problemlösungen sind auch mehr die SPIELER und weniger die Charakterwerte gefragt. Ähnlich wie bei den sozialen Problemlösungen.
Es ist ja schon so, daß IMMER DER SPIELER mitspielt und der Charakter bestenfalls ein "Plausibilitätsfilter" und die Werte ein "Fairness-Instrument" für das Einbringen der Ideen des Spielers ist.
Wenn also der Spieler die Idee hat, daß er, statt den Boten des feindlichen Fürsten vom Pferd zu schießen, ihm eher vorspielen kann, daß er auch zum betreffenden Fürsten gehört, wenn DER SPIELER den NSC wortreich und überzeugend vollabert, und dann der Spielleiter einen Wurf auf Überreden oder eine Charisma-Probe oder ähnliches verlangt, dann nur, um den beredten Spieler, der aber unbedingt seinen Charisma 3 Stinkezwerg spielen muß, auf den gleichen Boden regeltechnischer Fairness zu bringen, wie den Spieler, der nur sagt "Ich laber mit dem Boten und mache ihm vor, daß ich ein Alliierter bin. - Mein Charakter hat Charisma 17." - Die Regeln sorgen nur dafür, daß es fair zugeht, aber auf die IDEE muß schon der SPIELER SELBST kommen.