Ist SLA Industries "cyberpunk"?

AW: Ist SLA Industries "cyberpunk"?

blut_und_glas schrieb:
Eine berechtigte Frage ist allerdings wie groß der Anteil an der Bevölkerung ist, der regelmäßigen Zugriff auf diese Technologie besitzt.

Schätzungsweise gering ... in den Slums wird wohl kein Computerterminal öffentlich stehen und wer wird sowas schon privat haben? Wozu auch? Die haben Fernsehen ... es geht ja auch nicht einzig und allein um das Vorhandensein des Interfaces in Form von: Ich logg mich da mit meinem Verstand ein. Es geht ja auch um Vernetzung, um Möglichkeiten sich im virtuellen Raum auszuleben.

Und deiner Meinung nach ist es ein entscheidender Unterschied ob die Implantate nun glitschig oder stahlhart sind?

Schon, ja ... aber das ist glaube ich eine persönliche Einstellung. Cyberpunk hat Cyberware und die ist grob, entstellend in ihrer billigsten Ausführung, aber vor allem technisch orientiert. Mit dem Schritt zu Bioware/ Genetic Modification/ etc ist man auf dem besten Weg die technische Symbiose zu vervollkommnen. Es stellt sich nicht mehr die Frage inwieweit der Mensch durch Technik entmenschlicht wird, weil die technische Errungenschaft bereits Teil des Fleisches geworden ist. Die Problematik verlagert sich also immer weiter in eine ökonomische Frage (Wer kann sich Übermenschlichkeit leisten?), während diejenigen die natürlich unmodifiziert auf die Welt kamen bzw. die auf Cyberware setzen ausgegrenzt werden (was ja bei SLA im übrigen durchaus passiert ist, mitunter weil der Support für Cyberware eingestellt wurde - so zumindest deine Worte damals).
Hinzu kommt, dass ein Cyberarm oder ein Cyberauge trotz aller Vorteile erstmal eine Prothese ist (als solche wahrgenommen wird), während ein Arm aus der Retorte (geklont aus meinem eigenen Material mit natürlicher Kraftverstärkung) mein eigen Fleisch und Blut ist. Schon bei Shadowrun setzt man im Falle eines Falles lieber auf den echten Arm, zumal der nicht erst noch mit nem LapTop richtig kalibriert werden muss (siehe Cybertechnology). Auch so eine Sache: Oftmals ist Cyberware ja furchtbar fehleranfällig - eines der Grundprobleme vom Cyberpunk: Technischer Fortschritt auf der einen Seite, aber die totale menschliche Abhängigkeit von eben diesem. Genetische Verbesserungen bereiten dem ein Ende - wenn auch vielleicht in der Anfangsphase nur oberflächlich (weil ein falsch angepappter Arm eben auch wehtun kann).

Wie gesagt: Ist erstmal nur meine Ansicht.
 
AW: Ist SLA Industries "cyberpunk"?

Auch so eine Sache: Oftmals ist Cyberware ja furchtbar fehleranfällig - eines der Grundprobleme vom Cyberpunk: Technischer Fortschritt auf der einen Seite, aber die totale menschliche Abhängigkeit von eben diesem. Genetische Verbesserungen bereiten dem ein Ende - wenn auch vielleicht in der Anfangsphase nur oberflächlich (weil ein falsch angepappter Arm eben auch wehtun kann).

Ist mein dritter Arm wirklich weniger unmenschlich, weil er angewachsen statt angeschraubt ist? Verändert sich meine Wahrnehmung - mein Bild von der Welt (mein Weltbild?) - wirklich weniger, wenn ich Infrarot plötzlich durch biologische statt durch mechanische Augen sehen kann? Und wird es mir wirklich weniger unnatürlich erscheinen, dass ich ohne Wartungsarbeiten sterben werde, nur weil ich die mit einer Spritze statt mit einem Schraubenzieher erledigen kann? Und wo wir schon bei Spritzen sind, ist das nun weniger schlimm, dass ich mir Immunsupressiva spritzen muss, damit mein Körper meine neuen Organe nicht abstößt, als die selbe Behandlung, damit mein Körper meine neuen Bauteile nicht abstößt?

?(

Stay SLA
cag
 
AW: Ist SLA Industries "cyberpunk"?

Ist mein dritter Arm wirklich weniger unmenschlich, weil er angewachsen statt angeschraubt ist?

Meine Mutter hat herausnehmbare dritte Zähne. Wenn ich die so im Glas sehe könnt ich kotzen und wenn ich mir vorstelle sowas selbst mal tragen zu müssen schauderts mich runter bis in die Fußsohle. Ich für meinen Teil bekam letztens meinen ersten Dritten Zahn in Form einer Krone (damals wurde mir die Wurzel gezogen). Das Dingen ist mit Titanstiften im Kiefer verankert, aus vernünftigem und gefühlsechtem Irgendwas und ich bemerke zum alten Zahn keinen Unterschied ... es widert mich nicht an, es fühlt sich richtig an.

Klaro hinkt der Vergleich, aber ich denke es ist für einen Bewohner einer Cyberpunktwelt wesentlich schöner einen Cyberarm mit Echthautüberzug zu haben als einen blanken Stahlarm und wiederum wesentlich angenehmer einen echten Arm aus eigenem Material geklont zu haben als eben diesen technischen Kram, auch wenn er echt aussieht.

Mein alter Zahn musste raus und die Frage des Geldes entschied darüber welchen Ersatz ich kriege.

Wir leben heute in einer Welt der Schönheits OPs in der auf der einen Seite versucht wird schön, jung und frisch als Idealbild zu verkörpern und andererseits fieberhaft geforscht wird wie man das mit Natürlichkeit in Einklang bringen will. Die (psychisch gestörte) Frau von heute (mit eingebildet viel zu kleinen Brüsten) will Implantate, will aber gleichzeitig am liebsten ein Natürlichkeitszertifikat haben. (Pauschalaussage, ist mir klar. Ich versuche aufzuzeigen, dass die Bereitschaft zur Verbesserung da ist und das gleichzeitig auch das Empfinden für Perfektion also der Natürlichkeit angestrebt wird).

Verändert sich meine Wahrnehmung - mein Bild von der Welt (mein Weltbild?) - wirklich weniger, wenn ich Infrarot plötzlich durch biologische statt durch mechanische Augen sehen kann?

Shadowrun beschreibt den Effekt von Cyberaugen als distanziert, als würde man die Welt durch eine Kamera wahrnehmen. Konsequenterweise wurden in SR4 Kontaktlinsen mit denselben Effekten eingeführt. Nicht mehr als umständlich große Brille, aber eben auch nicht als Implantat. Cyberware wird substituiert und ebenfalls der Natürlichkeit angepasst. Wenn ich aber jetzt den Effekt "Lichtverstärkung" unbedingt haben möchte, aber keine Entfremdung will und vor allem keine umständlichen Linsen die ich immer friemeln muss und verrutschen können, welche Möglichkeiten habe ich dann noch? Gentechnik und biologische Verbesserung. Es ist ein Schritt - den aber bereits heute Menschen bereit sind zu gehen, wenn auch eher im kosmetischen Bereich.
Aber auch im Bereich der Prothesen werden natürlich aussehende Exemplare bevorzugt. Man will Normalität schaffen so tun als sei man nicht anders bzw. diesen Aspekt weitestgehend reduzieren.

Bei SR gehört Chrom natürlich auch teilweise zum Image. Ist halt nur die Frage ob man noch als Runner eingesetzt wird, wenn man auf 5m aussieht wie Ärger auf 2 Rädern.

Und wird es mir wirklich weniger unnatürlich erscheinen, dass ich ohne Wartungsarbeiten sterben werde, nur weil ich die mit einer Spritze statt mit einem Schraubenzieher erledigen kann?

Würdest du als BuG eher konform damit gehen dir insulin zu spritzen oder dir eine Klappe aufzumachen, das Zeug via Plastikröhre reinzukippen und dann die Klappe wieder zuzumachen ... sagen wir am Hals? Was klingt für dich natürlicher?

Und wo wir schon bei Spritzen sind, ist das nun weniger schlimm, dass ich mir Immunsupressiva spritzen muss, damit mein Körper meine neuen Organe nicht abstößt

Sind die Immunsuppressiva denn noch nötig? Die Organe entstammen schließlich aus meinem eigenen Material. Klonen ist in solchen Vorstellungswelten schließlich kein Problem mehr. Und wenn sie es hinbekommen dir einen Arm fertig zu bauen und wieder dran zu machen ohne nachhaltige Beschwerden, dann sollte das bei aufgepeppten Modellen ("Wie gewünscht wurden ihre Muskel verdichtet!") auch kein Problem sein. Anders: Nimmt man lieber eine Spritze in Kauf und sieht menschlich aus? Ich denke schon...

Das alles hat natürlich als Grundvoraussetzung, dass wir es nicht mit Personen zu tun haben, die möglichst nur auffallen wollen und deshalb alles aus Chrom nehmen was sie kriegen können. Ich glaube die Durchschnittsperson, das soziale Face, sowie der bürokratische Hengst einer Strahlemanngesellschaft wird wohl eher auf unauffälliges Material setzen. Neo-Goths würden das bestimmt anders sehen.
 
AW: Ist SLA Industries "cyberpunk"?

Der aber Teil des RPG Cyberpunks ist. Davon ab ist deine Definition des RPG Cyberpunk unter anderem Bestandteil des Romans Neuromancer. Ich glaube die Definitionen bzw. die Unterscheidungen die du machst sind in sich nicht stimmig. Und dennoch: Cyberpunk ist wie ich bereits sagte mehr als nur die Frage nach der Menschlichkeit in Bezug auf technischen Fortschritt.
SLA Industries hat Elemente des Cyberpunk ist aber in weiten Teilen darüber hinaus. Die Exklusion der Protagonisten fehlt, viel wichtiger das rebellische der Protagonisten fehlt, die Oligarchie fehlt (das ist ein Monopol und die Subcompanies sind lediglich Ärgernisse*), ein virtueller Raum (im Stile einer Matrix) ist faktisch nicht vorhanden und Cyberware wurde weitestgehend hinter sich gelassen und Genetik als Status Quo definiert, als ein Muss. Immerhin werden Workerklone gebaut - das ist vollkommen okay und wird ethisch nicht hinterfragt. Die ethische Auseinandersetzung mit dem Thema fehlt ebenfalls, weil bereits lange Zeit hinter sich gelassen.

Ich bleibe dabei: SLA Industries ist kein Cyberpunk, sondern hat lediglich Elemente dessen.

*In mWoP sind Thresher und DarkNight sogar Teile von SLA ... es ist immer gut einen Feind zu haben, dem man die Schuld in die Schuhe schieben kann, wenn man ihn selbst kontrolliert um os besser. Negative Integration - das wusste schon Bismarck.
 
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