Ist die Trennlinie zwischen Oldschool und Storytelling der Munchkinismus?

AW: Ist die Trennlinie zwischen Oldschool und Storytelling der Munchkinismus?

Hm, was Zornhau und Grgfnszs da sagen, klingt für mich plausibel. Dennoch ist meine Erinnerung eine andere, denn ich habe die Entwicklung in Deutschland unterschiedlich wahrgenommen. Vielleicht liegt das an dem Umstand, dass ich damals recht eng mit Teilen der deutschen Rollenspielszene verbandelt war und weniger stark durch die angloamerikanischen Tendenzen beeinflusst wurde. Auf den wenigen Cons wurden jedenfalls für mein Empfinden anteilig noch mal deutlich weniger der genannten Nischensysteme, sogar Runequest und Traveller zähle ich dazu, aber auch Gammaworld, Sternengarde und der genannte Rest, gespielt.

Die Erinnerung ist wie gesagt ein trügerisches Geschäft, aber ich vermute, dass mindestens 95% aller Con-Runden sich auf D&D, DSA (zu etwa gleichen Teilen) und Midgard (etwas weniger, aber auch stark vertreten) beschränkten. Und diese Systeme unterliefen die Entwicklung Dungeon -> Wildnis -> Stadt in der skizzierten Reihenfolge. Dass sich das übrigens in der Zauberzeit nachvollziehen lässt, hatte mich dabei wiederum überrascht, denn die kam erst ein paar Jahre nach Fantasywelt und Mythos/Spielwelt auf den Markt.

Insofern scheint mir, dass sich abhängig vom Fokus der Orientierung USA/Deutschland die Entwicklung eben doch nicht so parallel vollzog wie vermutet. Vielleicht war ich damals auch einfach noch zu jung, um die tendentiell avantgardistischen Tendenzen frühzeitig wahrzunehmen. Das ist aber unwahrscheinlich, weil das dann auf die in den Zeitschriften repräsentierte, gesamte deutsche Szene zuträfe und mir das unplausibel erscheint.

Aber als Erklärungsmodell, weshalb Reindot sich mit seinem Erzählfokus auf Städte kaprizierte und zwecks besserer Darstellbarkeit die Realwelt garniert mit ein paar mystischen Einsprengseln wählte, scheidet die von mir ins Spiel gebrachte zeitliche Entwicklung der hauptsächlichen Erkundungsgegenstände aus. Kommt vor.

Dafür habe ich aber gelernt, dass die damals von der Masse tendentiell ignorierten Systeme bereits sehr viel früher mit Konzepten hantierten, die die Marktführer in Deutschland erst viel später aufnahmen. Hat sich also ein bisschen gelohnt. Herzlichen Dank :D
 
AW: Ist die Trennlinie zwischen Oldschool und Storytelling der Munchkinismus?

1.) Oldschool verlangt ein anderes Fähigkeitenprofil als Storytelling, um auf seine Kosten zu kommen und sich Erfolg zu erspielen.
Nein.
Old-school verlangt (genau wie ich es im Nachbarthread beschrieben habe) das Eintauchen in die Spielwelt. Kein Unterschied zu Storytelling. Old-schooler spielen nicht konstant in einer bestimmten Weise, sondern variieren ihr Spiel. Erfolg ist eher uninteressant.

2.) Oldschool legt viel wert auf Welterkundung, Monster der Woche und Abwechslung; Storytelling ist eher das Kammerspiel mit konstanten, sich weiterentwickelnden NSCs und Locations.
Nein. Wiederkehrende Gegner und Konstanz sind kein Hinderungsgrund für Old-school. Genauso kann Storytelling komplett abgeschlossene Geschichten erzählen (bei meinen frühen Vampire-Runden, war es eine Woche mal ein Spukhaus, ein anderes mal ein murder-mystery, mal ein paar Feen welche die Charaktere in die Alptraum-Dimension entführten, mal Verhandlungen mit Werwölfen, mal urban-renewal vs. Drogenmafia...).

3.) Oldschool erfordert eine "Schau'n mer ma"-Haltung und die Bereitschaft, einfach drauflos zu spielen, ohne größeres Ziel.
Storytelling erhebt die meist schon größere Ansprüche und Erwartungshaltungen (Technik des Themas in VtM etc.)
Nein (s.o.). Erzähltechniken können die Bindung der Spieler an das Setting erhöhen und (wie im Falle des Themas in VtM) kreative Blockaden lösen, aber in keinem Fall sind sie als Fesseln anzusehen (und zwar genausowenig wie man die Begegnungstabellen in "old-school" Spielen als Fesseln ansehen sollte).

Zornhau schrieb:
Das ist die "old school"-ige Welterkundung als AKTIV von den SCs betriebenes "Erfahren" der Welt. Im Großen wie im Kleinen! - Wiedererkennungswert gibt es allein schon dadurch, daß man ja auch tatsächlich zu den gleichen Orten wieder zurückkehrt.
Mit dem "im Kleinen" hapert es bei mir. Wenn ich z.B. die Realms als Beispiel nehme, dann gibt es da drin viel zu viele "blank spaces", Orte die komplett LEER sind und in denen nichts interessantes abgeht (das- korrekt betitelte- "The Vaste" ist so ein Ort). In der Film-Analogie sind solche Orte die Szenen, in denen man sieht, dass die Kulissen nur aus Pappmaché sind und nach hinten von ein paar Leisten gestützt.
 
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Die Trennlinie verläuft irgendwo zwischen AD&D 2nd edition und Shadowrun. Munchkins gibt es unter den Old-Skoolern und den Storytellern, auf beiden seiten des schirms. Und fast alle "Diktator-SLs" mit denen ich zu tun hatte, kamen aus dem AD&D 1st/2nd lager
 
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Munchkinismus ist ja das "aufblasen" der Werte jenseits der Glaubwürdigkeit und Plausibilität.

Bei Storyteller fällt diese Diskrepanz vor allem auf, wenn Charakterkonzept und Werte auseinderklaffen (ein Uni-Professor mit Körperkraft und Nahkampf 5 z.B.), aber das ist eher ein Problem mit der Runde/der Erfahrung der Spieler, als mit dem System. Ein Charakter mit Körperkraft und Nahkampf 5 ist weder unspielbar, noch mäht er sich durch Massen an gesichtslosen Schergen.

Und es ist ja auch nicht so als ob man bei OD&D/AD&D nicht auch auf absurd-lächerliche Werte kommen könnte, bei denen man sich fragt "Warum würfle ich eigentlich noch?".
 
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Mit dem "im Kleinen" hapert es bei mir. Wenn ich z.B. die Realms als Beispiel nehme, dann gibt es da drin viel zu viele "blank spaces",
Die Forgotten Realms empfand ich schon damals als andersartig, als LANGWEILIG und unabenteuerlich. - FR ist in meinem Empfinden NICHT "Old School". Dazu ist viel zu viel von der Welt vorgegeben (ja, das geht auch trotz weißer Flecken!).

Greyhawk ist viel dichter und läßt trotzdem mehr Platz für eigene Abenteuer und eigenes Gestalten.
 
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NACHTRAG:

Ich schlage vor, daß Ihr Euch mal bei der ganzen "Old School"-Thematik davon löst mit "Old School" stets und ausschließlich "Old D&D" zu meinen. - Klar hat D&D gerade im US-Bereich einen starken Einfluß gehabt. Aber D&D war nicht alles, was man "old schoolig" gespielt hat.

Insbesondere wird die "Entwicklung" von der Höhle über das Freiland hin zur Stadt gerade zu lächerlich, wenn man mal die eher Sci-Fi-orientierten Rollenspiele wie eben Traveller anschaut, aber auch Star Wars, welches noch satt in die 80er und damit zu den anderen hier im Thread angesprochenen Rollenspiele paßt.

Zornhau hat eine "oD&D = old school" -Paranoia ! :nana:

Die benannte "Entwicklung" würde ich am realweltlichen Zeitstrahl festmachen, nicht an den einzelnen Spielen. In Sturmbringer und WFRP spielt der Dungeon z.B. auch keine große Rolle mehr! Dieses Dungeon/Wildnis/Stadt- Ding ist etwas, das in alten Zeiten diskutiert wurde. Mehr wurde gar nicht festgestellt!


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FR ist in meinem Empfinden NICHT "Old School". Dazu ist viel zu viel von der Welt vorgegeben (ja, das geht auch trotz weißer Flecken!).
Das geht mir auch so. Für durchgescriptete Computer-Abenteuer ganz brauchbar, aber sonst ...
 
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Die benannte "Entwicklung" würde ich am realweltlichen Zeitstrahl festmachen, nicht an den einzelnen Spielen. In Sturmbringer und WFRP spielt der Dungeon z.B. auch keine große Rolle mehr! Dieses Dungeon/Wildnis/Stadt- Ding ist etwas, das in alten Zeiten diskutiert wurde. Mehr wurde gar nicht festgestellt!

Stimmt !
 
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Star Wars, welches noch satt in die 80er und damit zu den anderen hier im Thread angesprochenen Rollenspiele paßt.

Star Wars d6 ist eine Bibel des Illusionismus, jedenfalls die SL-Tipps.
 
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Ich sag noch mal was zum Thema "Leistungsbereitschaft", das kam ja unter anderem auf und ist so ein Steckenpferd von mir. Ich sehe das so: Man kann Rollenspiel mit unterschiedlichem Einsatz spielen, sich unterschiedlich engagieren und anstrengen. Man kann ein unterschiedliches Niveau an Fähigkeiten mit an den Tisch bringen, und man kann diese unterschiedlich ausreizen. Ich denke, dass die meisten Teilnehmer an dieser Diskussion relativ ehrgeizig sind, was Fähigkeit und Einsatz im Rollenspiel angeht.

Aber was für Fähigkeiten, und Einsatz in Bezug auf was, da scheiden sich die Geister. Es ist eben nicht so, dass Storytelling wenig Fähigkeit oder Einsatz erfordert und Oldschool viel. Es gibt meiner Erfahrung nach im Gegenteil einen Haufen sogenannter Oldschool-Runden, die sich darauf beschränken, taktisch einfallslos Gegner runterzuwürfeln, die wertetechnisch den SCs unterlegen sind. Demgegenüber gibt es Storytelling-Runden, die auf einem sehr hohen Niveau von Kreativität, Einfühlvermögen, Beschreibung und Darstellung stattfinden, was höchste Anforderungen an die Beteiligten stellt bzw. was viele gar nicht könnten, selbst wenn sie wollten. Und umgekehrt gibt es eben lahme Storytelling-Runden und höchst anspruchsvolle Oldschool-Runden.

D.h. Leistungsbereitschaft im Rollenspiel ist ein wichtiges Thema, aber es hat ganz und gar nichts mit der Differenzierung von Oldschool und Storytelling zu tun.
 
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Ich werf mal eine Frage in den Raum, bezogen auf die FR-Kommentare, weil ich aus einer Zeit komme, in der Greyhawk schon keine Bedeutung mehr hatte: Geht es euch jetzt um das "Entdecken"? Ist das nicht auch gegeben, wenn der Spielleiter der einzige ist, der das FR Buch (oder die Karte) vor sich liegen hat? Bin da jetzt übrigens wirklich offen.
Ich benutze FR allen voran, weil ich die D&D3 (Greyhawk ist da ja afaik standard) Götter (und viele Domänen) zu lahm finde.
 
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@Zornhau, Dealgathair:
Seh ich aus so. Aber bei der WoD sehe ich das viel drastischer. In der Regel war es so, dass jeder SC einer Runde einer anderen Konfliktpartei zugehörte. Das gab den Weg für sehr intensives Play zwischen den Charakteren frei.

(Durch die zugehörigen, übergreifenden (Befehls-)Instanzen oder auch "Gesetze" innerhalb der WoD-Linien, brach das Spiel aber trotzdem nicht völlig aus dem Ruder.)

Das wurde m.W. so nicht in anderen Spielen umgesetzt.

Well, PARANOIA hat das aber schon vorher durchexerziert.

Ausserdem gab es auch in AD&D1st Zeiten (also nicht auf D&D beschränkt) durchaus PvP-Konflikte. Meist halt nicht in voller Absicht und nicht als ständiges Hintergrundrauschen fast jeden Spieleabends.

Die Factions sind hier wie z.B. das Gesinnungssystem in D&D ein Detail das auch überbewertet werden kann.

Trotzdem wollte ich nie ein "Monster" spielen. :D
 
AW: Ist die Trennlinie zwischen Oldschool und Storytelling der Munchkinismus?

Eine der Entwicklung von "Old School" zu "Storytelling" ähnliche Entwicklung gab auch in
anderen Bereichen, etwa in der Science Fiction-Literatur, wo zu der Entdeckung des "Ou-
ter Space" in den Romanen der klassischen SF des "Golden Age" mehr und mehr die Erkun-
dung des "Inner Space" der Protagonisten in den Romanen der "New Wave" hinzukam, bis
sich die beiden Strömungen schließlich wieder ausbalancierten, und heute problemlos mit-
und nebeneinander existieren.

Aus meiner Sicht hat "Storytelling" ebenso lediglich einen in der "Old School" etwas ver-
nachlässigten Teilaspekt des Rollenspiels aufgegriffen und zeitweilig in den Vordergrund
gestellt, ohne dabei in einen Gegensatz zur "Old School" zu geraten. Ich sehe die Unter-
schiede zwischen den beiden Strömungen also nur als quantitativ, nicht als qualitativ:
"Storytelling" ist eine Ergänzung von "Old School", keine "Gegenbewegung".

Das macht es auch so schwer - und nach meiner Überzeugung letztlich unmöglich - eine
eindeutige Grenzlinie zwischen den beiden Spielstilen zu definieren oder ihnen bestimmte
Rollenspiele (oder Rollenspieler) eindeutig zuzuordnen. An den "Außengrenzen" der Stile,
bei den in beiden Richtungen bizarren Extremen, mag das noch möglich sein, aber im sehr
breiten "Mittelfeld" sind "Old School" und "Storytelling" nahezu identisch und können jeder-
zeit ineinander übergehen.
 
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1a beitrag rust direkt karma von mir dafür.
was du bei space gesagt hast, könnte man ja glatt bei fantasy insoweit anpassen dass man bei einem extrem die dungeon mordbrenner und bei dem anderen die "junge menschenrasse" hat die von den nichtmenschen lernt (zwerge:Handwerk; Elfen: Magie & Kunst) d'accord?
 
AW: Ist die Trennlinie zwischen Oldschool und Storytelling der Munchkinismus?

Danke für die Blumen ! :)
was du bei space gesagt hast, könnte man ja glatt bei fantasy insoweit anpassen dass man bei einem extrem die dungeon mordbrenner und bei dem anderen die "junge menschenrasse" hat die von den nichtmenschen lernt (zwerge:Handwerk; Elfen: Magie & Kunst) d'accord?
Ja, das könnte man durchaus so sehen.
 
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