Hollowpoint - Erfahrungen

K

Kaffeebecher

Guest
Hi Leute!

Ich denke, ich habe das Glück, demnächst mit einigen Leuten vor Ort Hollowpoint ausprobieren zu können. Grobe Idee hab ich auch schon:

Amerikanischer Multimillionär schickt eine Gruppe Hitman etc. nach Paris, um dort seine entführte Tochter zu finden und ihre Entführer und deren Hintermänner zu zeigen, dass sie einen Fehler gemacht haben.

Ich dachte dabei an 96 Hours mit Liam Neeson.

Nun ja, für mich wäre das erste Kontakt mit dem System (von dem ich allein vom Lesen sehr begeistert bin). Deshalb frage ich hier nach, wer das System auch kennt, welche Erfahrungen er oder sie gemacht hat und worauf man achten sollte (Blechpirats Spielberichte kenne ich übrigens schon).

Danke!
 
Du solltest den Ort ändern.

Ich hatte schon bei Paris und entfürte Tochter 96 Hours im Kopf.

Das werden deine Spieler bei Auftragsvergabe auch haben.
 
Das mag sein, aber das macht nix. Sie haben Hollowpoint nie gespielt und ein vertrauter Plot koennte helfen, reinzukommen.
 
Die Frage des Ortes ist für mich nicht zwingend die Assoziation mit 96 Hours. Es ist eher die Frage der (gewünschten) Mentalität der (auch unbeteiligten) NSCs in der "Zielstadt".
 
Ok, ich dachte auch an Parid, weil ich dort war und eine Schiesserei in der Sacre Coeur oder Notre Dame geil finde
 
Und so ist es gelaufen:
Ich hatte jetzt das erste Mal Hollowpoint geleitet. Die Umstände waren ziemlich interessant, denn die Mitspieler waren 2 Amerikaner, die sonst eher die klassischen Spiele gewohnt waren, die chinesische Freundin des einen Amerikaners, die noch immer eine kleine Sprachbarriere hat und die mit Rollenspielen nicht so viel anfangen konnte und meine Frau, deren Englisch auch mehr Übung benötigt.
Die Charaktererschaffung dauerte etwas länger, was vor allem an der Sprachbarriere lag. Die Skills zu erklären war noch relativ einfach aber die Traits... Na ja... das war schon etwas härter.
Problematisch war vor allem, dass die Freundin des einen Spielers keinen Hang zu Actionfilmen hatte, wohl aber zu Spielen wie Final Fantasy Online.
Da fiel die Beratung und Erklärung reichlich schwer.
Schlussendlich hatte aber jeder mehr oder weniger 5 Traits und es ging los:
Die Charaktere sollten im Auftrag eines amerikanischen Medientycoons nach Paris und dort dessen Tochter befreien, die entführt wurde. Dazu lieferte er ein Tonband, dass das Telefonat des Mädels mit der französischen Polizei aufgezeichnet hatte und auf dem auch noch osteuropäische Stimmen zu hören waren.
Zusätzlich bekamen sie noch die Nummer von jemanden, der sie mit Waffen versorgen konnten, denn immerhin mussten sie durch die amerikanische und die französische Flughafensicherheit.
Die Suche nach Complications war dann auch noch schwierig. Die eine Spielerin hatte etwas genommen, was wirklich nicht ging (irgendwas mit Durchfall durch schlechte Schnecken auf dem Flug) und die andere wusste nichts damit anzufangen. Die beiden Spieler dagegen hatten sich nette Sachen ausgesucht. Der eine hatte Probleme mit der Polizei und der andere war der Ex des Opfers und wollte sie umbringen.
Vor Ort angekommen, gingen die Leute erstmal zum Tatort - ein Fünf-Sterne-Hotel (eigentlich wollte ich eine Villa nehmen, aber leider hatte ich da einen geistigen Aussetzer). Der Charakter meiner Frau (Kill 0, Take 4, Dig 5) machte sich sofort auf den Weg zum Sicherheitsraum, schlug den Wachmann KO und besah die Bänder (ich liess die Spieler das einfach beschreiben. Warum würfeln?). Dort war zu erkennen, dass die Leute in den Uniformen des Reinigungspersonals gesteckt hatten und sich Zugang zu dem Zimmer mit dem Generalschlüssel verschafft hatten. Ein Spieler meinte, dass einer der Übeltäter ein auffälliges Tatoo auf dem Kopf hat.
Zu dem Zeitpunkt merkte ich schon, dass die beiden erfahrenen Spieler, das Ganze sehr gut annahmen und viel Spass hatten. Die beiden Mädels waren noch etwas ratlos. Das eine wegen der Sprachbarriere und das andere scheinbar wegen der Unerfahrenheit.
Die Gruppe durchsuchte weiter das Zimmer, fand aber nichts Nennenswertes (außer Fussabdrücken). So verhörten sie also die Putzfrau, eine ältere Dame, die aus dem Kosovo stammte. Sie gab zu, dass sie von einem gewissen Vlatko angerufen wurde, der meinte, dass er ihren Onkel Pawlo kannte und wie es halt so ist... sie hat ihm geholfen, zumal es viel Geld gab. Sie nahmen das Handy der Putzfrau wegen der Telefonnummer von Vlatko.
Das eine Mädel brachte die Frau mit einer Comicfigurine (irgendsoeiner blauen Katze) um.
Die anderen Spieler schauten etwas blöd, aber wieso nicht.
Fair enough!
Ich merkte langsam, dass ich insbesondere durch die beiden Frauen Probleme hatte, wobei die Freundin des Spielers mir die Hauptsorgen bereitete. Ihr Freund versuchte ihr mit Engelsgeduld zu erklären, was abgeht und was los ist, aber irgendwie begriff sie es nicht.
So ging es dann erstmal zum Treffen mit dem Waffenhändler und ich wollte endlich eine Konflikt. Es sollte eine Schießerei bei Sacre Coeur werden. Die beiden Männer hatten erklärt, dass sie über Umwege ihre Lieblingswaffen (Pistole und Scharfschützengewehr der eine und abgesägte Schrotflinte der andere) nach Paris schmuggeln ließen und dabei hatten. Mir war es recht.
Die Übergabe fand gegen 5 abends statt. Es war nicht viel los trotz Sommerhitze und die Kirche war schon zu. Als der Waffenhändler ihnen den Schlüssel zu einem schäbigen Peugeot gab und sagte, dass dort die Waffen lagen, explodierte sein Brustkorb.
Hinter den Charakteren war eine Gang Skinheads aufgetaucht, die selber im Waffengeschäft mitmischten und dabei waren, an der Konkurrenz ein Exempel zu statuieren... also schloß das die Kundschaft mit ein.
Der eine Spieler ging auf Kill, einer auf Cool, eine Spielerin auch auf Terror und die andere auf Con.
Die Würfel waren mir nicht sonderlich hold und so würfelte ich gerade mal zwei Sets, während der eine Spieler göttlich würfelte und mir ruckzuck alle Sets zerballert wurden, während er beschrieb, dass er einen Messer- und Klingenhagel auf die Leute loslässt.
Seine Freundin dagegen wollte ein Trait einsetzen und zwar wollte sie ihre Freundin (also IT) anrufen, dass sie vorbeikommt und die Leute zur Sau macht.
wtf? wtf? wtf? bei allen. Ich mochte es nicht, aber ich teilte ihr mit, dass das so nicht hinhaut, denn bis dahin ist der Kampf vorbei. Sie könnte ihr Trait einsetzen, um die Freundin ans Telefon zu holen, welche dann die Skins zur Sau macht (war zwar weit hergeholt, aber was besseres fiel mir nicht ein) oder sie denkt an ihre Freundin, während sie die Jungs fertig macht (war zu abstrakt für sie).
Meine Frau blieb recht still, weil sie auch noch mit den Traits nicht so gut klar kam und der andere Spieler beschrieb extremst cool, wie er mit seiner abgesägten Schrotflinte einen Kerl umnietet und dann extremst cool die Patronen wechselt.
Ich weiß nicht mehr wie, aber ein Set konnte ich in einer weiteren Runde noch dazu anbringen, einen Effekt bei einem der Spieler zu erwirken.
Um es nicht zu lang zu machen:
Sie verfolgten das Handy bis zu einer Baustelle vor der Stadt, wo ein Puff mit entführten Mädchen eingerichtet war. Von der einen Spielerin ging es diesmal echt flott. Die andere Spielerin ging hinten rein und fand die Zimmerkollegin des Opfers voller Drogen und im Delirium, aber noch ein paar wichtige Sachen sagend.
Draußen bahnte sich Streit zwischen einem SC und den Schlange stehenden Bauarbeitern an. Die andere Spielerin wollte mit ihrem Schoßhund diesen Vlatko finden, der sich hier herumtrieb.
Der kam dann auch schließlich und der Conflict mit Principal ging los.
Wieder würfelte ich grottenoberschlecht und die anderen wesentlich besser. Hier nutzte die eine Spielerin auch mal das Fuck That aus. Ihr Freund hatte um Hilfe gebeten und sie gab ihm die Würfel, besann sich dann aber eines besseren und sagte "Fuck That". Kam schon cool!
Ok, der Principal war bald dahin und die Retaliation-Szene, (die ich wohl falsch durchgeführt habe) ging sofort los. Es war ein Conflict mit Catch Taken (6, 2, 1), denn es ging darum, das Mädchen von der Baustelle zu schaffen, während Baumaschinen, Geländewagen,... hinter ihnen her waren.
Meine Frau nutzte Taken und sie beschrieb, wie sie mit dem Auto fuhr. Zusätzlich fragte sich noch bei dem einen Spieler um Hilfe, dass er ihr Feuerschutz aus dem fahrenden Auto gibt. Kein Problem! Klang cool!
Sie beschrieb also, wie sie mit dem Wagen (einen dieser überbreiten BMW SUV, den sie von Vlatko geklaut haben) auf zwei Reifen durch eine Gasse Kieshaufen fuhr, wodurch die Verfolger nicht passten, dann mit Vollgas und festgezogener Handbremse Kies und kleine Steine auf weitere Verfolger niederregnen liess, wodurch deren Fensterscheiben kaputtgingen. Die andere Spielerin und der andere Spieler machten sich mittels Motorrad und Kill daran, die bösen Buben blutig zu dezimieren.
Schließlich waren sie von der Baustelle runter, aber es gab eine zweite Runde. Die Verfolger hatten noch keinen Effekt und da lagen noch zwei Würfel vom Catch (2 und 1). Die eine Spielerin und der eine Spieler halfen gerne, als sie gefragt wurden und unsere Diebin würfelte verdammt gut... immerhin war ein 1er Pasch dabei. Ich würfelte mal wieder nicht so doll.
Der Konflikt endete, als sie das Auto in einem Boot auf der Seine geparkt hatten (nach dem üblichen Absprung). Die Entführer hatten zwei Hits erhalten via Take (woraufhin ich beschloß, dass ihre Autos alle im Dutt waren und sie die Verfolgung nicht fortsetzen konnten). Das Mädchen war aber tot durch einen unglücklichen Kopfschuss (der Wagen war während der Flucht beschossen worden).
Die eine Spielerin war etwas ungeduldig. Sie meinte, sie hätte immer irgendeinen Plan, was sie machen wollte und ihr dauerte das mit dem Beschreiben und dem Conflict etwas lange.
Den Conflict hatten sie verloren. Aber sie wussten immer noch halbwegs, wen sie suchen sollten. Sie hatte ja schon ein paar Informationen geliefert. So ging es also in einen Plattenbau in einen Pariser Vorort. Hier fand kein Conflict statt. Stattdessen beschrieben sie, wie sie den Chef der Bande ausquetschten und anschließend umlegten, nachdem er ausspuckte, dass diese Jungfrau weiter verkauft worden war zu einer Aktion unter dem Louvre.
Hier fand nur ein einfacher Conflict statt, obwohl ich eigentlich einen Principal hätte einsetzen sollen und noch eine Retaliationszene. Aber es war spät und wir alle müde. Der eine Spieler hat gewonnen, weil er seine Ex-Freundin umgelegt hat und dann verschwunden war.
Mein Fazit:
Das Spiel ist saugeil. Die Regeln sind super und sehr einfach. Ich hatte zwar manchmal etwas Konzentrationsschwäche (begriffsstutzigen Spielern das Spiel erklären und gleichzeitig noch die Sets im Auge behalten). Die beiden Amerikaner sind tolle Spieler und ich freue mich auf das nächste Mal. Besonders hat mir gefallen, dass sie gute Ideen und Beschreibungen immer mit "Cool" oder "Awesome" kommentierten und den beiden Frauen so gut halfen wie sie konnten. Meine Frau wird wohl auch wieder mitmachen. Sie hatte auch Spass daran und hatte zum Schluß auch raus, was Sache ist und einige sehr gute Beschreibungen abgegeben (außerdem eine perfekte Englischübung). Die andere Spielerin sollte erstmal einen Actionfilm oder ähnliches sehen. Sie hat viel Potential, denn sie verfügt über eine ausgeprägte Phantasie und Vorstellungskraft. Leider waren diese Dinge irgendwie nicht mit dem Setting verknüpft.
Der größte Schwachpunkt war wohl meine Performance, denn ich hatte aufgrund der ständigen Erklärungen, Probleme so richtig ins Spiel reinzufinden, wodurch meine Beschreibungen etwas litten.
Ich hätte immer noch einen etwas nerdigen Kungfu-begeisterten Chinesen hier, der gut Englisch spricht und den ich sicher auch dazu überreden könnte.
 
Liest sich sehr cool. Danke das du hier trotz mangelnden Interesses weiterschreibst. Ich lese auf alle Fälle mit.

Was hat für dich Hollowpoint geliefert was jetzt ein anderes System wie z.B. Savage Worlds (mit Streets of Bedlam etwa) oder nWoD nicht geschafft hätte?
 
Streets of Bedlam kenne ich nicht.

Hollowpoint ist insofern anders als andere Rollenspiele, als dass es hier tatsächlich um die Story geht und man als SL wirklich gegen die SCs würfelt. Aber die Regeln sind hier sehr begrenzt. Es wird selten gewürfelt, es gibt keine Gegneranzahl, keine Zauber, keine Ausrüstung (nicht in dem Sinne), sondern nur Skills und Traits.

Statt taktische Entscheidungen zu treffen wie Zurückhalten oder in Deckung springen, wird das Würfelergebnis genommen und entsprechend in die Szene interpretiert.

Nach jedem Konflikt oder Einsatz von Skills erhält der SL weitere Würfel, die er gegen die SCs einsetzen kann.

Im Gegensatz zu SW oder nWoD (welche im Grunde einen eher klassischen Spielstil präferieren) steht bei Hollowpoint die Story im Vordergrund und die Regeln transportieren das optimal. Das "Fuck That", der "Catch" und die Regeln mit dem Principal fördern sehr stark das Spielgefühl, dass Hollowpoint liefern möchte. Zusätzlich ist es durch seine Einfachheit unglaublich leicht anpassbar an weitere Settings.

Eigentlich würde ich die beiden Spiele nicht mit Hollowpoint vergleichen, denn das Spielgefühl soll ein anderes sein. Es ist ein Indy-Game (was aber ausgesprochen gut funktioniert). Das merkt man auch daran, dass man weiterkommt, wenn der Charakter aus dem Spiel genommen wird (zum Beispiel stirbt) und dabei eine Complication eine Rolle spielt.

Die Vorbereitungszeit inklusive Erschaffung des Settings für den SL liegt bei weniger als 1 Stunde. Er braucht nur ein paar Namen, die Agency und ihre Ziele und das war es dann auch.
 
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