Geschichten

Skar

Dr. Spiele
#StandWithUkraine
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Warum erzählen wir (die Menschen) eigentlich Geschichten? Lasst uns das mal hier erörtern.

Geschichten erzählt man ja nicht von irgendwelchen alltäglichen Geschehnissen. Aus der Frage "Wie wars denn heute auf der Arbeit?" wird daher nur selten eine spannende Erzählung werden.

Geschichten berichten also von etwas Besonderem. Etwas Interessantes, Wichtiges oder Wissenswertes.

Ein Geschichtenerzähler ist dabei relativ gesehen in der bessern/höheren Position als der Geschichtenempfänger. Schließlich weiß er etwas - oder kann zumindest davon berichten - was der andere nicht weiß.

Er kann Informationen weitergeben, die für den anderen einen Stellenwert haben.

Und zwar Letzteres ob vom Empfänger zugegeben oder nicht. Gibt er dies aktiv nicht zu, will es nicht zugeben oder weiß es wirklich noch besser, dann entsteht wohl Konversation.
(Wobei der Ping gegenüber dem Pong wohl im gefühlten Vorteil im Sinne von Mehr-Wert ist.)

Geschriebene oder anderweitig aufgeschriebene Geschichten (oder auch nur Informationen) befreien den Empfänger von dem sozialen Druck, der vom (überlegenen) Sender ausgeht. Vermutlich sind daher Informationsmedien beliebter als die Informationsweitergabe aus einem sozialen Gefüge Gleichberechtigter heraus. Denn dies würde immer eine Hierarchie schaffen.

Dass wir Geschichten oder Informationen gegenüber offen sind, also unser Wissen und Können erweitern wollen, wird in der Evolution begründet liegen.

Ich habe jetzt "Geschichten" um "Informationen" erweitert. Der Unterschied wird vor allem deutlich, wenn wir Informationen in Geschichten hüllen. Sie bleiben dann - wie "Eselsbrücken" - besser im Kopf.
Das Gewand der Information passt so einfach besser zu eigenen Erfahrungen, die man ja auch eher in Form bildlicher Geschichten im Kopf hat.

Zudem lassen Geschichten einen Schluss (Logik) zu. Beweisen sich also sozusagen:

Information: Ahmet hat Angst im Dunkeln.
Geschichte: Ahmet hat Angst im Dunkeln, weil damals im Krieg immer die Feinde im Schutze der Dunkelheit ins Lager schlichen.

Geschichten können aber auch einfach nur spannend sein. Haben also einen "nur" unterhaltenden Wert.
Spannend ist natürlich nur etwas, was wir noch nicht kennen. Anscheinend reicht das dafür aus, dass unser Bewusssein diese Informationen als wissenswert einstuft.
Wir lauschen also begierig einem Erzähler, auch wenn die Inhalte fälschlischerweise als wissenswert eingestuft wird. Und das eben weil sie spannend sind. Also weil sie nicht vorhersehbar sind und daher noch nicht in unserem Erfahrungsschatz existieren.

Offenbar gelingt dieses Austricksen des Bewusstsein auch recht leicht immer wieder aufs Neue. Ein wenig Coleur einer Grundstruktur (siehe Heldenreise) verändert und schon lauschen sie wieder.

Man sieht also gleich wie wichtig unserem Hirn neue Informationen sind.
Für uns sollte daher aber auch die Frage Berechtigung haben, wie wir Geschichten für uns nutzen können.
In welchen Mythos sollen wir uns oder von uns gesendete Informationen hüllen, damit sie eine größere Wirkung erzielen, als wenn man sie einfach als nackte Information sendet?

Das klingt bei einigen bestimmt schal nach Beeinflussung. Aber sobald wir uns über diese Zusammenhänge im Klaren sind, können wir es doch auch als Handwerkszeug begreifen.


Hm, ich will diesen Text eigentlich nicht so enden lassen, weil diese letzgenannte Message ja gar nicht meine Intention war. Kam jetzt nur so, entwertet aber irgendwie den vorangegangen Text als Mittel zur Aussage.

Also eigentlich wollte ich von euch wissen, ob ihr mit meinen Überlegungen so d'accord geht?

Und was mir noch fehlt ist: Man kann als Empfänger von Geschichten ja auch immer ein wenig auf die Persönlichkeit des Senders schließen. Bei einem mehr bei einem weniger.
Mir ist noch nicht ganz klar, wie ich das in Worte fassen soll und zu welchen Schlüssen das führen kann.
 
Nicht d'accord gehe ich damit, dass der Sender immer einen Vorteil gegenüber dem Empfänger hat. Der Sender gibt durch Hervorhebungen und Betonung von Aspekten immer Informationen über sich preis (wenn er sie nicht gerade gezielt verheimlicht) und offenbart damit etwas, das (zB. die politische Orientierung, Religiösität usw.) für den Empfänger interessant sein kann, ohne dass der sich für die eigentliche Geschichte interessiert.

Insgesamt glaube ich, dass Geschichten erzählen eine der kulturellen "Weiterentwicklung" (oder vielleicht besser "Verfeinerung") von unterrichten ist. So wie Städte, Nationen und soziale Klassen unterschiedliche Weiterentwicklungen von Familien und Stämmen sind. Angesichts meines Wissensstandes zu dem Thema ist das aber weit aus dem Fenster gelehnt ;)
Wenn du es genau wissen willst, schau dich doch mal in der Literatur der Anthropologen oder für die hinten dran stehenden Grundlagen bei den Primatologen um.
Das klingt bei einigen bestimmt schal nach Beeinflussung. Aber sobald wir uns über diese Zusammenhänge im Klaren sind, können wir es doch auch als Handwerkszeug begreifen.
Die Idee ist nicht neu. Das nennt man Propaganda, von lange vor den Nazis bis lange nach Michael Moore.
 
Und was mir noch fehlt ist: Man kann als Empfänger von Geschichten ja auch immer ein wenig auf die Persönlichkeit des Senders schließen. Bei einem mehr bei einem weniger.
Mir ist noch nicht ganz klar, wie ich das in Worte fassen soll und zu welchen Schlüssen das führen kann.
Freud sagt im Rahmen der Psychoanalyse ja, dass narrative Strukturen preisgeben und heilen können.

Wann immer wir uns der Gehirntätigkeit bewusst werden, geschieht dies ja in Sprache. Entweder ist Denken direkt Sprache oder Sprache ist zuminest das, womit wir mit unserem Gehirn (bewusst) kommunizieren.
Insofern können Geschichten, die wir kommunizieren, auch ohne Umwege Dinge aus unserem Bewusstsein transportieren. Ob intendiert oder unterbewusst (vermutlich mehrheitlich beides). Und ebenso kann dies vom Bezogenen beobachtet werden.

Mir erscheint dieser Komplex aber gerade nicht mehr so bedeutend zu sein. :)
 
Also, wenn ich mir Geschichten aus alten Quellen angucke, zeigt sich, daß wenn man die Geschichte wirklich verstehen und fundiert interpretieren möchte, verschiedene Kontexte des Autors beachten muss, z.B. die historischen, die sozio-kulturellen, die theologischen, die anthropologischen, die literarkritischen und 'zig andere Kontexte, was mitunter eine schwierige bis fast unmögliche Aufgabe darstellt.
 
Nein, den hab ich nur in Beitrag 4 ins Spiel gebracht.

Ich mag halt Freud. Und Darwin. Aber den krieg ich hier so schlecht unter.
 
Ist halt die Frage, ob man psychologisch, kommunikationswissenschaftlich, philosophisch oder medienwissenschaftlich an die Sache rangeht. Da kommen vermutlich jeweils sehr unterschiedliche Dinge bei raus.
 
Wobei 4-Seiten- bzw. 4-Ohren-Modell doch eher Schulz von Thun ist und nicht Watzlawik? Wobei natürlich beide im selben Metier unterwegs waren. ;)
:eek: Wird hier eigentlich analysiert was wir hier so (unbewußt) von uns geben??? :confused:
 
Wobei 4-Seiten- bzw. 4-Ohren-Modell doch eher Schulz von Thun ist und nicht Watzlawik? Wobei natürlich beide im selben Metier unterwegs waren. ;)
:eek: Wird hier eigentlich analysiert was wir hier so (unbewußt) von uns geben??? :confused:

Schulz von Thun baut auf Watzlawick auf, ist nicht unüblich in der Psychologie das viele dinge ähnlich klingen und nur "geringfühig" sich unterscheiden. Erst beim näher hinschauen kann man die Tragweite der Unterschiede erkennen (oder auch nicht)
 
:eek: Wird hier eigentlich analysiert was wir hier so (unbewußt) von uns geben??? :confused:
Sicher. Zumindest unbewusst. ;)

Insgesamt ist das aber wohl die Krone der Fragestellung hier.

Wenn man bedenkt, dass der Anteil der Schriftkommunikation in der sozialen Kommunikation durch Mobile Geräte und soziale Netzwerke stark zugenommen hat, dann sollte man auch einmal einen Blick darauf werfen, welche Schatten- und Sonnenseiten daraus resultieren.
 
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