Gegenwärtige Vergangenheit

SeelenBlut

Devil was an angel too
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26. Januar 2004
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Erbarmungsloser Regen peitscht beherrschend auf die Erde. Bedrohlich drönt der Donner in meinen Ohren, der grelle Blitz durchschneidet den dunklen Himmel als wäre er ein Dolch. Die Luft ist ist schwül, sie riecht nach feuchter Sonne. Schweissnass klebt mir meine Kleidung am Körper, jeder Atemzug fällt schwer. Ich fühle mich als wäre ich in eine Kiste gezwängt und müßte um jeden Atemtug betteln.

Jahre vergingen seit dem Tag des Sommergewitters. Sie hat gelernt: Die Schönheit des Gewitters auch als das zu erkennen. Doch vergessen, vergessen hat sie nichts. Denkst du denn Demütigungen können verjähren? Sie riecht noch immer seinen Schweiß, den Alkohl der durch seine Poren dringt. Noch heute läßt sie die Erinnerung würgen. "Wo warst du?" Er trug das stahlblaue Hemd von Boss. Sie war so stolz. Unermüdlich gespart um es ihm schenken zu können. Seine braunen Augen erinnerten nicht mehr an den Milchkaffee, eher erinnerten sie an seinen übermäßigen Alkohlkonsum, die Bedeutung seiner über alle Maßen vergrößerte Pupille begriff sie nicht. Heute weiß sie, es MUSS ein "Teilchen" gewesen sein. "Wo warst du?" seine Stimme war kalt, vom Schnaps rauh. Sie missverstand, ein verliebtes lächeln auf den Lippen. Es wich als er in unkontrollierbarem Zorn mit der Faust nach ihrem Gesicht hieb. Sie fiel, war benebelt, verstand nicht, Sterne flimmerten vor ihren Augen. "Wo warst du?" grunzte er, sie erkannte nicht zum ersten Mal, dass alle Erklärungen nichts bringen würden, er würde nicht zuhören. Er tratt nach ihr, sie krümmte sich schützend zusammen. Dann kam der erste Donner, dem Donner folgte ein Blitz. Aus den Augenwinkeln erkannte sie das stahlblaue Hemd von Boss und wie er es sich vom Leib riss. Dann wurde es dunkel um sie herum.

"Du mußt", sprach ihr Verstand. Sie tat. Schmerz, Kummer, Angst verschlossen im Herzen. Erlaubte sich selbst nicht zu fühlen, was würde geschehen würde sie fühlen? Auseinandersetzungen oder Verderbniss?

Kann man denn darüber schweigen? Verheimlichen? So tun als sei nichts? Sie ist der lebende Beweis dafür: Man Kann.

Jahre vergingen, du gingst. Ich blieb. Heute kann ich das Gewitter beobachten ohne, dass sich die Metalspange um mein Herz zieht. Finde keine Erklärungen und habe dennoch das Gefühl ich müßte mich erklären. Verstehst du nun was er für einen Menschen aus mir gemacht hat? Ich bin nicht stolz drauf, doch ich habe überlebt. Weil ich nur mir gehöre und niemanden sonst. Dennoch, dass mir nun die Tränen über die Wangen rinnen kann ich nicht ändern, vielleicht weil ich es noch nicht mal merke.
 
Wohl eine Geschichte, die in dieser Form viel zu oft in unserer Zeit vorkommt...

Für mich hört es sich nach einer Frau an, die damals während des Gewitters von ihrem "Freund" geschlagen und vergewaltigt wurde. Ich denke, sie steht vor der Entscheidung ob sie ihn anzeigt oder nicht...
- So irgendetwas in dieser Richtung...

Habe ich recht?
 
Japp, dass stimmt.

Aber sie wird den Kerl nicht anzeigen, sie hat es einfach so hingenommen, aus Scham oder sonstigen Gründen
 
ansichtssache.
Was bringt es ihr, wenn sie im Nachhinein etwas unternimmt? Ihrem Seelenfrieden wird es kaum etwas bringen
 
Japp, ich weiss. Gerechtigkeit und so.

Aber mir ging es darum, dass es IHR nichts mehr bringt.
 
Ich finde schon, dass es ihr etwas bringt und wenn es nur ein bischen Selbstbestätigung ist, dass er nicht ungestraft davon kommt.
Rache?

-Aber ich war noch nie in dieser Situation und kenne zum Glück auch niemanden, der so etwas erleben musste.
 
Rache? Vielleicht, aber all die Rache wird ihr nicht, dass zurück bringen was sie "verloren" hat
 
Nein, definitiv nicht.

Vielleicht hilft es ihr aber bei der Vergangenheitsbewältigung...
 
Wie schon gesagt, das kommt in unserer Zeit leider viel zu oft vor.
Aber du hast ihren seelischen Zustand wirklich super beschrieben.
 
ich denke... wenn sie ihn anzeigt, muss sie drüber reden. das ist erniedrigend und tut weh. verdrängen und aufgeben ist leichter...
 
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