AW: Fremde Kulturen als Fantasy-Setting - Was gibt es nicht?
Gibt es ein Rollenspiel was direkt die Klutur um Kalari Payattu abhandelt so wie es auch Rollenspiel gibt die die Kultur um Kung Fu abhandeln?
Die allermeisten Rollenspiele, die irgendetwas mit "Kung Fu" aufführen, weisen alles andere als eine "Abhandlung" der diese Kampfkunst hervorgebracht habenden KULTUR auf.
Vor allem: Was man so alles als "Kung Fu", eigentlich genauer Wu Shu, aufgeführt findet, das spottet jeglicher Beschreibung - selbst den eh schon gerne von den Chinesen selbst ganz bewußt ins "Märchenhafte" gesteigerten Herkunftsgeschichten diverser Kampfstile und der an Superheldenfähigkeiten grenzenden "legendären Meisterschaft" in bestimmten Künsten, wie dem "Leichtigkeits-Qigong".
Und da die meisten Rollenspielprodukte aus den USA bzw. dem englischsprachigen Raum kommen, wird einem dort etwas als "Kung Fu" verkauft, was letztlich eine Art Kickboxen mit blumigen Namen für Pekingoper-Fähigkeiten aus den entsprechenden Filmen darstellt.
Wu Shu ist anders. - Zwar immer noch ENORM VIELFÄLTIG, und es sind noch lange nicht auch nur die Mehrzahl der Stile historisch und kulturell wirklich gesichert erforscht, aber es ist eben anders als das Film-Kung-Fu, welches über die Hongkong-Schiene in den Westen gelangt ist.
Kalaripayat ist in manchen der hier im Westen inzwischen immer mehr gesendeten indischen Filme als "heimische Kampfkunst" ebenfalls z.T. krass verzerrt dargeboten (indisches Kickboxen mit viel Special Effects eben).
In GURPS Martial Arts ist Kalaripayat als eine der vielen dort aufgeführten und mit Spielwerten beschriebenen Kampfkünste vorhanden, aber OHNE mehr als eine Handvoll Worte über die kulturellen Wurzeln zu verlieren. (Nebenbei ist zumindest bei den Kampfkünsten, die ich selbst seit z.T. über 20 Jahren praktiziere die Einstufung in Spielwerte in GURPS Martial Arts ausgesprochen DUBIOS und für mich nicht nachvollziehbar - bei Kalaripayat, einer in der Kampfkunstwelt immer noch sehr exotischen Kampfkunst, würde ich mir noch weniger stimmige Werteumsetzungen erwarten.)
Fantasy-Welten, die etwas "in der Art von Indien" abbilden, sind oft von Autoren entwickelt worden, die sich mit exotischen Kampfkünsten, oder mit Kampfkünsten ÜBERHAUPT in keinster Weise auskennen. - Daß eine Kampfkunst immer ausschließlich aus einer Kultur heraus erwachsen kann, daß sie eine Art "Spiegel" für die hervorbringende Kultur ist, das ist ja selbst in Kampfkunstkreisen eine eher wenig wahrgenommene Sicht.
So gesehen würde ICH gerne mal eine Spielwelt sehen, in welcher allein so etwas Verbreitetes wie Taijiquan (inklusive der Taiji-Waffen) halbwegs erträglich eingearbeitet wurde. - Da ich aber an Enttäuschungen diesbezüglich schon reich bin, fällt es mir viel leichter beim SEHR GROBEN KLISCHEE des verschlagenen asiatischen Kampfkunstmeisters im Rollenspiel zu bleiben und lieber nicht allzu genau nachzufragen, was der alles so gelernt haben soll.
Kalaripayat ist seit Ende der 70er-Jahre in das Bewußtsein der deutschen Kampfkunstszene geraten. Als "coole, exotische" Kampfkunst kam es erst mit den Fernsehberichten der letzten 10 Jahre so richtig prominent auf. - Bis ein Kampfkunstuninteressierter Rollenspielautor (meist ja ein US-Amerikaner) über diese Kampfkunst stolpert, bis er die zugehörige indische Regionalkultur dazu für geeignet ansieht in seiner Fantasy-Welt aufgenommen zu werden, da wird vermutlich noch einige Zeit ins Land gehen.