Du findest also das man nicht sklavisch an den Vorgaben des Regelwerkes kleben sollte (und somit von diesem Eingeschränkt wird), sondern diese stattdessen als "Beispiele" wertet nach denen man seine eigenen Vor- und Nachteile erstellen kann (und somit neue Möglichkeiten gewinnt). Das ist in jedem Fall eine gute Idee.
Ich finde sowieso, dass überhaupt ALLES was im Regelwerk steht, nur ein Vorschlag ist. Wenn ich Regel X dumm finde, ersetze ich sie durch Hausregel Y. Wenn ein Regelwerk nur aus Xen besteht, schmeiß ich den Mist in die Tonne, aber wenn mir ein Regelwerk bewusst in einem gesonderten Kapitel einiges serviert, was unter dem Motto "Spezielles verrücktes Zeug, dass uns noch eingefallen ist und man noch einbauen könnte - sowie ein Haufen Sonderregeln." läuft, dann freu ich mich über die Inspiration. Ich denke meine WoD-NSCs besitzen weit mehr Spezialfähigkeiten, die durch "Vorzüge und Schwächen" inspiriert sind, als tatsächliche Vorzüge und Schwächen.
Aber es ist auch etwas was vielen Spielern schwerfällt, da sie gar nicht erst auf die Idee kommen von den bestehenden Regeln abzuweichen. Loben tue ich mir dabei Regelwerke die von vorneherein sagen, das die gezeigten Möglichkeiten nur Beispiele sind. Davon gibt es aber (bislang) leider nicht allzuviele (Fate fällt mir da spontan ein).
Die meisten Spieler nehmen sowas auch garnicht an. Einer der häufigsten inhaltlichen Kritikpunkte, die ich über die WoD höre, ist der, dass die Golden Rule ("Ändere die Regeln, wenn sie dir anders lieber wären.") lediglich ne Ausrede sei um Design-Fehler zu überdecken - dabei ist es einfach nur das Eingeständnis, dass man eben auch nicht den Heiligen Gral des RPGs gefunden hat und sich bewusst ist, dass anderen Leuten anderes Spaß bereitet.
Es ist halt einfach ne Frage ob man RPG, wie ein Brettspiel sieht, bei dem man einfach den Regeln entsprechend versucht zu gewinnen oder als eine kreative spielerische Unterhaltungsform irgendwo zwischen Strategiespiel, Impro-Theater, Erzählspiel, Kinoerlebnis und kindlichem Rolenspiel (Vater-Mutter-Kind, Cowboy und Indianer, Power Rangers, etc.).
Bei ersterem sind Regeln eben einfach Regeln. So geht es und nicht anders. Der beste Schachspieler, ist der der seine Figuren am besten einsetzt und nicht der, der mir am schönsten erklärt, warum das Pferd jetzt auf den Turm gesprungen ist.
Bei letzterem hingegen sag ich 16 Cowboys gegen 16 Indianer. Die Schachregeln besagen... MOMENT: Die Cowboys haben nur 2 Pferde? Ne, das ist Quatsch. Das wird geändert.
Und wenn ich bei letzterem Beispiel der Meinung bin, dass die Indianer keine Türme, sondern noch zwei Bauern haben sollten, dann bin ich als Spieler der Indianer nicht "dumm" wenn ich das ausspreche - ich bin halt einfach konsequent. Ich will Indiander spielen, also spiel ich Indianer.
Um "gewinnen" gehts dabei nicht. Es geht darum die Indianer zu spielen - weil Indianer cool sind.
Oder Cowboys.
Oder Vampire.
Oder 80-jährige Omas mit Gehhilfen.
Oder was auch sonst man gerne spielen will.