Improvisation ?
Improvisieren oder nicht ist für mich sehr oft eine Frage des Systems oder vielmehr der Spielwelt, in der das Abenteuer stattfindet.
Ja - immer !
Unvorbereitet - und damit meine ich richtig unvorbereitet - habe ich z.B unzählige Runden im Shadorun Universum geleitet.
In einer unserer Shadowrun-Runden lief es sogar planmäßig so, dass keiner der Beteiligten als vorab dafür vorgesehener SL zum Spieltermin erschien. Und dann erst mit kurzer Absprache "Wer macht heute eigentlich ein Abenteur?" festgelegt wurde, wer diesen Posten übernimmt.
Geklappt hat das wohl vor allem deshalb so gut, weil jeder ohehin ein reiches Arsenal an spannenden Ideen im Kopf hatte.
Und sich diese - anders als bei einer Spielwelt mit deutlich eingeschränkteren Möglichkeiten - dank Matrix, Telefon, etc. sehr leicht auch ohne ausgefeilte Ausarbeitung umsetzen lassen. Das Handwerkszeug ist bei Settings wie diesen groß genug, dass man auch ohne Detailplanung erst einmal munter los marschieren kann.
Nee - bloß nicht!
Ganz anders sieht es bei mir in Sachen Fantasy-Spielwelten aus.
Hier gibt es trotz jahrelanger Spielpraxis - wenn es hoch kommt - nur eine handvoll Abenteur, die ich ganz ohne gar ohne Vorbereitung geleitet habe.
Gut zum Teil auch aus dem Grund, dass es in einer meiner langjährigsten Runden in diesem Bereich zur Abmachung gehörte, dass der SL immer mit einem vorbereiteten Abenteuer auf den Plan tritt. Und dieser Grundsatz sogar so streng verfolgt wurde, dass sogar in Fällen, in denen etwas schief ging - der SL ist ausgefallen, hat total verrafft, dass er an diesem Abend mit leiten dran ist und daher kein ausgearbeitets Abenteur, etc. - gemeinsam lieber etwas ganz anderes unternommen wurde, als ein spontan improvisiertes Abenteuer zu spielen.
Aber ich denke fehlende Praxis ist da nur ein Aspekt, der bei meiner Abneigung auch in Fantasy-Welten als SL Mal eben etwas aus der hohlen Hand an den Spieltisch zu zaubern eine Rolle spielt.
Ein ganz wichtiger Punkt ist hier vor allem der Mangel an Korrekturmöglichkeiten für kleinere Holprigkeiten, die man bei aller Improvisiererei versehentlich eingebaut hat. Oder ander formuliert: Um meinem persönlichen Anspruch an ein gelungenes Abenteuer gerecht zu werden, erfordert das spontane Improvisieren von mir als SL hier ein so hohes Maß an Konzentration, dass mir das Leiten mehr Qual als Freude bereitet. Naja, und nur wegen dem Spaß an der ganzen Sache spiele ich ja eigentlich.
Vorbereitung
Die ganze Vorbereitungs-Nummer nun aber bitte nicht so verstehen, dass es sich dabei um einen minutiös geplanten Fahrplan handeln muss, nach dem die Stationen des Abenteuers dann eine nach der anderen abgeklapptert werden.
Wackelige Kartenhäuser wie diese haben zumeist die Schwachstelle, dass man trotz aller Versuche sämltiche Handlungsmöglichkeiten der Spieler einzeln durchzuplanen, genau die kreative Idee der Spieler übersieht, die die gesamte Konstruktion zum Einsturz bringt.
Investigativ
Ich denke mit dem Schlagwort "investigativ" hast Du auch meine persönliche Vorliebe für Abenteuer recht gut getroffen.
Wobei für mich persönlich neben dem Untersuchen und Enträtseln von Vorgängen auch die "soziale" Komponente eine wichtige Rolle spielt.
Zum einen dadurch, dass es sich bei den Spuren nicht nur um unbelebte Dinge, wie Schriftrollen, Briefe, Fußabdrücke, etc. handelt, sondern auch um Personen - Oper, Täter, Zeugen, etc., die neben ihrem Kurzauftritt - sei es als nützliche Hilfe oder ärgerliches Hindernis - natürlich auch alle eine eigenes Leben haben, in das die Spielercharaktere hereinplatzen.
Zum anderen aber auch dadurch, dass ich versuche neben den Charakteren selbst auch andere Figuren in den Verlauf der Geschichte einzubringen, die ihrerseits ein Interesse haben mit den Spielercharakteren zu interagieren. Die Polizei, einen Privatschnüffler, einen Sensationsreporter, einen lästigen Konkurrenten, etc.
Figuren wie diese und das Thema des Abenteuers unterstützende Szenen und Ereignisse, die - ganz unabhängig davon, was die Spielercharaktere so treiben - überall und zu jeder Zeit universell eingesetzt werden können, gehören dabei für mich zu den wichtigsten Bausteinen.
Darüber hinaus stricke ich dann bei genügend Zeit im Vorfeld noch das ein oder andere Handout für die Spieler zusammen und kann mich mit den genannten Eckdaten dann auch bei einem Fantasy-Abenteuer als SL ganz entspannt zurück lehnen und mit Spannung erwarten, wie sich die Geschichte im Verlauf des Abends entwickeln wird.
Charaktere
Die Charaktere der Spieler spielen auch bei meiner Abenteuer-Vorbereitung zumeist eine wichtige Rolle.
Immerhin wird die Geschichte aus ihrer Sicht erzählt.
Und dafür sollte es dann wohl auch einen guten Grund geben. Weshalb ich beim Abentuerbau für eine Runde mit bekannter Zusammensetzung der Spielercharaktere versuche darauf zu achten, dass für jeden etwas dabei ist, das im speziellen Bezug auf seinen Charakter nimmt.
Wobei sich dieser Bezug auch in einer besondere Schwäche, Abneigung, etc. des Charakters bestehen kann.
Vorausgesetzt natürlich ich weiß, dass es dem Spieler Spaß macht auch diese Facette seines Charakters auszuspielen.
Was mich - glaube ich - zu einem recht wichtigen Punkt führt.
Denn noch wichtiger als der ganze Charakterbezug ist mir persönlich der Spielerbezug.
Bei der regelmäßig zusammentreffenden Stammrunde ist das sicher kein großes Problem. Hier kennt man ja schließlich seine Pappenheimer und weiß welche Stories und Storyelemente der Spielerschaft gefallen.
Kritischer ist dieser Punkt bei Abenteuern, die – im Rahmen einer Con z.B. -– für ein unbekanntes Publikum zusammen gestrickt werden.
Ohne den Gang zum nächsten Wahrsager und Pendelschwinger ist es dabei unmöglich sich vorab ein Bild von den vertretenen Vorlieben zu verschaffen.
Hier achte ich in der Regel schon darauf zumindest einen Kampf - im Idealfall im Rahmen eines großen Showdowns – zum Schluss in das Abenteuer einzuflechten.
Ganz einfach, weil diese Komponente meiner Erfahrung nach von einer Vielzahl von Rollenspielern erwartet wird.
Treibend oder Getrieben?
Weniger kritisch als
@harekrishnaharerama sehe ich in Sachen Charakterorientierung die Frage des Abenteuer-Aufhängers.
Für meinen Geschmack muss die erzählte Handlung ihren Ursprung nicht unbedingt in den Charakteren selbst finden, sondern kann durchaus auch von Außen an sie herangetragen werden.
Ich denke besonders als Spieler wäre mir eine solche Version auch einfach viel zu langweilig. Zumal ich in solchen Szenario ja stets immer weiß, wie und wo es weiter geht.
Von einem spannenden Abenteuer aber, möchte ich überrascht werden.
Mit offenem Munde da stehen, vor Schreck erstarren, etc. wenn mein Charakter in eine ungewöhnliche Situation stolpert, die ihn in eine spannende Geschichte hinein zieht.
Unvorhergesehene Verwicklungen in in der Spielwelt bereits ablaufende Geschichten bieten zahllose Möglichkeiten sich bei einem solchem von Außen initiierten Handlungsstrang von der "typischen Auftrag (Gääääääähhhhn)" Variante ein wenig zu entfernen.
Auftrag (Gääähhhhhn)
Stichwort "typischer Auftrag (Gääähhhhhnnn)". Auch hierzu fällt mir eine lustige Anekdote ein.
Mit meiner eigenen Vorliebe für "Nicht-Auftrag-Gäääähn" Abenteuer hatte ich es in einer meiner Shadowrun-Runden als SL so weit getrieben, dass einer der Spieler entsetzt bemerkte: "Ach nö - Nicht schon wieder so eine Geschichte bei der wir nur draufzahlen! Können wir nicht einfach Mal einen 'normalen' Auftrag spielen?".
An diesem Abend wurde es mit dem 'normalen' Auftrag natürlich nichts mehr. Dafür dann aber an den Folgeabenden.
Asche auf mein Haupt. Hier hatte ich den Faktor "Kenne Dein Publikum." wohl nicht gründlich genug beachtet.
Entschieden?
Da wir gerade beim Thema "Auftrag" sind, möchte ich auch aus meiner Sicht als SL dabei gern eine Lanze für diesen - m.E. oft zu unrecht als unkreativ verpönten Aufhänger brechen.
Echt ätzend ist ein Auftrag Abenteur für meinen Geschmack nur dann, wenn es die Spieler ihrer Handlungsmöglichkeiten beraubt, weil alle interessanten Enscheidungen bereits vorab getroffen und in die Formulierung des Auftrags eingearbeitet wurden. Richtig viel Spaß hingegen kann es bereiten, wenn bei der Umsetzung der Kreativität freier Lauf gelassen werden kann.
Die Gefahr die Möglichkeiten der Spieler vorab zu sehr zu beschneiden mag bei dem Aufhänger "Auftrag" ein wenig höher sein als bei anderen Alternativen.
Eine zu starke Einschränkung der Handlungsoptionen ist aber auch bei einem nach dem Muster "Auftrag" gestrickten Abenteur vermeidbar.
Und selbstverständlich schützt umgekehrt ein Vorgehen nach dem "Nicht-Auftrag" Muster nicht zwangsläufig davor den selben Fehler zu begehen.
In meinen Augen viel wichtiger als die "Auftrag vs. Nicht-Auftrag" Frage, ist die dannach wieviele der in der Story auftretenden interessanten Entscheidungen bereits vorab fest vorgeschrieben wurden und wieviele von den Spielern selbst gefällt werden können.
Beispiel
Um zu verdeutlichen worauf ich hinaus will hier ein knappes Beispiel mit dem Motiv "Heist".
Mit dem Mutser "Auftrag" stinklangweilig umsetzen kann ich das in ein Abenteur, in dem "Mr. Big" die Spielercharaktere für einen minutiös nach dem Motto
"T=0: Mr. Pink betritt den Schalterraum",
"T=100: Mr. Brown schließt die Notstromversorgung kurz", etc. geplanten Raubzug anheuert.
Nur wenig spannender lässt sich die Sache nach dem "Nicht-Auftrag" Muster an, wenn Mr. Pink und Mr. Brown sich aus eigenen Stücken zu einem solchen Raubzug entschießen, am Ende ihrer Nachforschungen vor Ort, bei Kontakten, etc. jedoch in Erfahrung bringen, dass das Sicherheitskonzept der Anlage nur ein Vorgehen zulässt, bei dem
"Mr. Pink um T=0 den Schalterraum betritt" und
"Mr. Brown um T=100 die Notstromversorgung ....", etc.
Gehörig spaßig hingegen kann das Abenteuer mit dem "Auftrag" Muster werden, wenn den Spielern anstelle eines festen Plans alle Optionen offen gelassen werden und Mr. Pink und Mr. Brown über Grundrissplänen, Stundenplänen von Gebäudereinigung, Telefonnummern von Klempner-Notdiensten, etc. brüten können, bevor sie zur Tat schreiten.
Schlusswort
So ich denke ich bin durch und habe nichts wichtiges vergessen. Falls doch einfach noch einmal nachfragen, oder soo