Hier nochmal einer meiner neuen Charaktere, für diejenigen, die es interressiert.
Zwar reichen meine Erinnerungen nicht so weit zurück, aber ich weis, dass es eine klare, sternenreiche Nacht war, in der ich das Licht der Welt erblickte. Meine Mutter Margaret erzählte mir, dass sie in dieser Nacht in ihrem Garten saß und die Sterne betrachtete. Ihr Blick glitt über das Sternbild des Skorpions, unter dessen Zeichen ich geboren werden sollte, das des Großen Bären, sie blickte hinauf zum Orion und sie war sich sicher, dass diese Sterne später im Leben ihres Sohnes eine große Rolle spielen würden. So zumindest hat sie es mir erzählt.
Es war der 15. November 1935, an dem ich von meiner Mutter unter dem Namen Samuel Jones zur Welt gebracht wurde.
Ich möchte gerne ein paar Worte über meine Eltern verlieren. Mein Vater Geoffrey war ein etwas höher gestellter Fabrikarbeiter; dennoch war unser Leben nicht luxuriös, wie Sie sich sicher vorstellen können. Schließlich war es die Zeit des 2. Weltkrieges und niemand von uns hatte viel Geld. Allerdings hatten wir das Glück, dass uns meine Großeltern ein mittelgroßes Haus vererbt hatten, so dass uns zumindest ein Heim sicher war. Alles in allem lebten wir gut und glücklich.
Zudem sei gesagt, dass meine Eltern recht gläubig waren. Mein Vater half der Gemeinde nach Feierabend mit seinen handwerklichen Fähigkeiten und meine Mutter sang mit vollem Glauben in der Stimme im Chor. Demnach können Sie sich vorstellen, dass ich von meinen Eltern auch zum Glauben erzogen wurde.
Ich möchte mich über meine Kindheit nicht beschweren. Ich spielte oft auf der Straße mit ein paar Freunden. Manchmal spielte auch ein Mädchen aus der Nachbarschaft mit uns. Ihr Name war Martha Haley und ihre Mutter sang mit meiner Mutter zusammen im gleichen Chor.
Allerdings war es nicht leicht, einen Schulplatz für mich zu bekommen. Immer noch wollten viele Schule keine farbigen Kinder aufnehmen. Trotz aller Erschwernisse versuchte ich die Schule bestmöglich abzuschließen und dieses Ziel verfolgte ich noch auf den weiterführenden Schulen. Sollten sie doch sehen, wozu ein Nigger in der Lage war. Ich hatte viele Träume, was ich später einmal werden wollte. Zum Beispiel wollte ich Politiker werden um etwas zu verändern, ich wollte Lehrer werden um mein Wissen an spätere Generationen weiterzugeben. Doch am Ende kam es anders.
Mein Bruder Joseph war aus dem 2. Weltkrieg nicht zurückgekehrt und seit dem Tag, an dem meine Mutter realisierte, dass er im Krieg gefallen war, ging es mit ihr gesundheitlich rapide bergab. Ihren Tiefpunkt erreichte sie, als ich gerade 20 war. Ich war mittlerweile weggezogen, da ich ein Stipendium bekommen hatte und mein Studium anfangen wollte.
Eines Tages, am 3. September 1955, erreichte mich ein Brief. Mein Vater bat mich, wieder nach Hause zu kommen, meiner Mutter würde es sehr schlecht gehen. Er war ehrlich zu mir; er fürchtet um ihr Leben. Natürlich machte ich mich so schnell wie möglich auf den Weg nach Hause. Mein Gott, ich war erschreckt und bestürzt, als ich meine Mutter sah. Bleich und verschwitzt und mit deutlich mehr grauen Haaren als ich es in Erinnerung hatte lag sie da in ihrem Bett und sah mich aus glasigen Augen an. Mein Vater saß auf einem Stuhl in der Ecke des Zimmers und hatte sein Gesicht in den Händen vergraben. Von hinten kam jemand auf mich zu und ich spürte, wie sich ein Arm um meine Schultern legte. Es war Martha. Schon seit längerem half sie meinem Vater bei er Pflege meiner Mutter. Nur einen kurzen Augenblick wurde ich abgelenkt um zu erkennen, zu was für einer Schönheit sich Martha entwickelt hatte. Sanfte, weiche braune Haut, nicht ganz schulterlanges welliges Haar und einen Körper, der einen vor Anmut weinen lassen mag. Ich wandte mich von ihr ab und sah zu meiner Mutter, ich sah, wie ihre Seele ihren Körper verließ. Ihr Blick war selig und von Glück erfüllt und in mir keimte die Frage auf, was sie wohl gesehen haben mag, als sie gestorben war. War es ein Engel, der sie auf seinen Armen in den Himmel getragen hat? Ihr Blick war von mir abgewandt und in die Leere gerichtet, weshalb ich nicht glaube, dass sie so glücklich war, weil sie dachte Martha und ich hätten zu einander gefunden. Was es auch war, ich zog wieder in das Haus meiner Eltern.
Fast zeitgleich mit meiner Rückkehr wurde ich in meiner alten Gemeinde zum Unterdiakon ernannt, dann zum Diakon und schlussendlich wurde ich in das Priesteramt erhoben. Die Zeit flog so an mir vorbei. So ist es immer, wenn man eine glückliche Zeit verbringt. Martha und ich näherten uns an, bis in uns Liebe aufkeimte und wir zu guter Letzt heirateten. Oh, es war eine schöne Ehe, wir waren sehr zufrieden. Wie ich schon sagte, gute Zeiten verlebt man wie im Fluge. Lange predigte ich als Priester in meiner Gemeinde. Ich verstand mich schon immer darauf, mit meiner Stimme die Leute mitzureißen. Der Glauben meiner Eltern hatte auf mich abgefärbt und der Blick meiner Mutter bei ihrem Tod hatte etwas in mir bewegt. Ich war entflammt im Glauben und ich war meiner bescheidenen Meinung nach ein guter Ehemann. Mein Vater war nur ein Jahr nach meiner Mutter gestorben und hatte uns das Haus überlassen und Martha arbeitete im Stadtzentrum als Krankenschwester, so dass ich mich in dieser Zeit nicht um unser Einkommen kümmern musste, sondern mich voll und ganz meinem Wirken als Priester widmen konnte. Schließlich hatten wir noch kein Kind, das es zu versorgen galt. Sicher, wir dachten schon daran unsere Familie zu vergrößern, doch bis dahin hatte es nicht sein sollen. Ah, es ist lange her. Fast zwanzig Jahre lang waren wir verheiratet und ich wurde in das Amt des Hirten berufen, womit ich auch gleichzeitig als Vorsteher der Gemeinde eingesetzt wurde.
Doch meine Erinnerungen reichen nicht nur auf gute Zeiten zurück. Ich entsinne mich noch klar an den Tag ihres viel zu frühen Todes. Es war ein Sonntag und wir waren gerade in der Kirche; ich bei meiner Predigt am Altar, sie im Chor. Mitten im Gottesdienst verließ sie die Kirche. Ich war gerade 40, als ich sie zum letzten Mal sah. Im Nachhinein habe ich erfahren, dass sie Bereitschaftsdienst hatte und das Krankenhaus sie angepiept hatte. Auf dem Weg dorthin hatte sie jemand, als sie an einer roten Ampel stand, aus ihrem Wagen gezerrt und in den eigenen Wagen gezogen. Später hat man ihren nackten Körper abseits der Stadt tot aufgefunden. Man hatte sie vergewaltigt und ermordet. Der Täter wurde nie gefasst, nicht einmal gefunden. Dies war mein persönlicher Fall und wie Luzifer wurde auch ich zum Ankläger Gottes.
Ich tobte vor Zorn und Trauer, ich verfluchte Gott dafür, dass er mir Martha genommen hatte und das auf solch eine abscheuliche Art und Weise. Ich fragte ihn, ob dies seine Rache dafür war, dass Martha an diesem Tag die Kirche verlassen hatte. Als mein Zorn abgeklungen war, entstand Zweifel aus den Ruinen meines Glaubens. Konnte ein liebender und gnädiger Gott, den ich meinen himmlischen Vater genannt habe, so etwas zulassen? Gab es einen Gott? Wenn ja, so hatte er sich mir nie offenbart, mich, seinen treuen Diener jedoch sehr wohl im Stich gelassen.
Ich möchte nun nicht meinen ganzen Leidensweg darlegen. Es sei nur soviel gesagt: ich begann zu trinken, viel zu trinken, habe mein Amt niedergelegt und meine Gemeinde im Stich gelassen, so wie Gott mich im Stich gelassen hatte. Ein paar Jahre lang reichte es mir, im Dunkeln in meinem Haus zu sitzen, mich mit billigem Schnaps zuzusaufen und mich innerlich von meinem Gram zerfressen zu lassen. Dann jedoch wollte ich mehr. Zuerst suchte ich die Hurenhäuser auf, um mich mit jeder Nutte zu vergnügen, die auch nur annähernd so aussah, wie Martha, bis eines Abends ein Mann auf mich zu kam. Er sprach mich frei heraus an und fragte mich, wen ich durch meine Fixierung zu ersetzen versuchte. Zuerst wollte ich dem Mann meine Faust zu schlucken geben, am Ende siegte jedoch das Bedürfnis danach, mich auszusprechen. Immerhin war ich immer noch ein Mensch. Er lud mich in ein Café ein und ich erzählte ihm alles. Von meiner Liebe zu Martha, von meinem Zweifel an Gott, ja sogar davon, dass mein Erbe durch meine Laster bald aufgebraucht war und ich nicht mehr wusste, wovon ich leben sollte. In einem Anflug von Sentimentalität zeigte ich ihm sogar all die Fotos von Martha, die ich bei mir trug und er ertrug diese ganze Litanei. Zu meiner Verwunderung bot er mir seine Hilfe an und versprach mir einen Job für mich zu organisieren. Als wir uns verabschiedeten gab er mir seine Karte. Ich sollte mich melden, sobald ich mich ein wenig in meinem neuen Job eingelebt hätte.
Er hielt sein Versprechen. Bereits am folgenden Tag erreichte mich ein Anruf von einer großen Anwaltskanzlei. Sie boten mir einen Job als Archivar an. Ich sollte die Akten verwalten und an die entsprechenden Personen weiterleiten.
Nach ungefähr zwei Wochen rief ich bei meinem sonderbaren Gönner an. William meldete sich auch und bat mich, dass ich mich erneut mit ihm in einem Café mir ihm treffen sollte. Ungefähr eine Stunde später saßen wir wieder zusammen. Er bat mich um einen Gefallen. Ich sollte ihm Kopien von einigen Akten aus der Kanzlei besorgen. Noch im gleichen Atemzug machte er mir ein Angebot, dass ich nicht ablehnen konnte.
Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch betrat ich am kommenden Abend sein Büro, die gewünschten Kopien in einer Mappe unter den Arm geklemmt. Wir unterhielten uns kurz, bis er mich zu einem Aufzug führte, der uns scheinbar eine Ebene unter den Keller brachte. An diesem Abend betrat ich zum ersten Mal einen Tempel des Set. Auch wenn ich noch kein Mitglied des Tempels war, so bat mich William darum, mich doch an ein gewisses Ritual zu halten. Ich legte all meine Kleider ab und wusch meinen Körper rein. Anschließend zog ich mir einen ägyptisch aussehenden, grünen Rock an und ging barfuss durch die Tür, die mich in den eigentlichen Zeremonienraum führte. Dort angekommen wartete ich einige Augenblicke, bis William nachkam. Er trug eine grün-schwarze Robe und stellte sich vor eine große, kunstvoll gearbeitete Statue, von der ich annahm, sie würde seinen Gott darstellen. Die Arme hatte er hoch erhoben und er stimmte eine Art Sprechgesang in einer mir unbekannten Sprache an. Nach ein paar Minuten begann er sich zu verändern, bis er als ein fleischgewordener Avatar seins Gottes vor mir stand und meine Seele mit Ehrfurcht erfüllte. Ich spürte zum ersten Mal seit einer langen Zeit das Gefühl, das mir so fremd geworden war – Glaube. Eine Tür öffnete sich und herein kam eine Frau, ebenso wie ich, nur mit einem grünen Rock bekleidet. Mir stockte der Atem – es war Martha. Sie schien noch so jung zu sein, wie ich sie in Erinnerung hatte. Sie müssen wissen, dass Martha schon immer etwas altersloses an sich hatte. Die Jahre schien fast spurlos an ihr vorbei zu ziehen. Zumindest kam es mir immer so vor. Sie ließ sich vor mir auf dem Boden nieder und wir unterhielten uns lange Zeit. Sie erzählte mir nicht, wie ihr Tod war. Sie berichtete nur, dass sie danach in Finsternis wandelte und dass Set sie gefunden hatte oder hatte sie Set gefunden? Sie war sich nicht sicher, aber das hatte auch keine Bedeutung für sie. Sie sagte Set hätte sich ihrer angenommen und sie in Freiheit geführt und er würde das selbe mit mir tun, wenn ich ihn als meinen neuen Herren annehmen würde. Ich fragte sie, wie ich frei sein konnte, wenn ich mich erneut einem Gott unterwerfen würde, aber sie sagte nur, ich hätte noch viel zu lernen. Am Ende liebten wir uns vor den Augen eines Gottes und auch wenn ich es mir nicht eingestehen wollte, hatte Set doch schon einen Teil meiner Seele für sich gewonnen. Es war ein Gefühl der Ekstase, wie ich es nie zuvor erlebt hatte und ich war voll und ganz von ihm erfüllt.
Benommen ging ich nach Hause, nachdem ich mich für diesen Abend von Martha trennen musste. Die Welt in die ich nun zurückkehrte, mein normales Leben, erschien auf einmal unwirklich für mich. Oft, fast täglich, wiederholte sich dieses Ritual und jedes Treffen mit Martha gab mir neue Kraft, genug Kraft um dem Alkohol von nun an zu entsagen, nur um einer schlimmeren Droge zu erliegen, aber diese Droge zog kein schlechtes Gewissen nach sich. Es war doch gut und gerecht, wenn ein trauernder Mann wieder mit seiner zu früh verstorbenen Frau zusammengeführt wurde.
Einmal jedoch änderte sich der Verlauf des Rituals. Ich betrat das Heiligtum, sah wie sich Set manifestierte und kniete verehrungsvoll vor ihm nieder, Martha jedoch kam nicht. Was war geschehen? Wo war sie? Was hatte ich getan, dass Set auf einmal mich nicht mehr mit ihr zusammenführte? Ich hatte Angst! Ich hatte Martha schon einmal verloren und war zerbrochen, ein zweites Mal könnte ich es nicht mehr ertragen. Wenn ich sie noch einmal verlieren würde, so sollte mich mein Gott lieber gleich erschlagen. Statt dessen bedachte mich Set mit wüsten Beschimpfungen, verstieß mich und die Angst in mir wuchs ins Unermessliche. Doch anstatt mich wimmernd auf dem Boden zu winden, kämpfte ich gegen diese Angst an. Ich erhob mich und erneut wurde ich zum Ankläger. Ich sah ihm in die Augen, beging diesen Frevel und sagte ihm, dass ich nicht noch mal wegen einem Gott zerbrechen würde, dass ich gegen ihn kämpfen würde, dass ich lieber aufrecht sterben würde, ja ich war sogar so anmaßend, dass ich ihm entgegenschleuderte, er hätte Angst vor mir. Warum wollte er mich sonst zu einem seelenlosen Menschen machen und mich nicht einfach zerschmettern, wenn ich seiner unwürdig wäre. Sicher, das waren törichte Gedanken. Nie hätte ich es mit einem Gott wie ihm aufnehmen können, aber ich war wieder in Wut entbrannt. Erneut hatte mich ein Gott fallen gelassen, dem ich diente. Seine Reaktion jedoch riss mich aus meinem Zorn. Er schwieg und lächelte sanft, aber sein Lächeln war nicht voller Hohn, es war von Stolz gezeichnet. Dann plötzlich war ich allein in dem Raum. Ich hatte ihn bezwungen, aber viel wichtiger war, dass ich meine Angst bezwungen hatte. Ich spürte eine Macht und Freiheit in mir, wie ich sie unter der Knechtschaft Gottes nie verspürt hatte.
Vielleicht einen Monat später, oder waren es zwei, ging ich von meinem Besuch im Tempel nach Hause, als mich ein Mann aufhielt. Er lachte und nannte mich beim Namen, er sagte er wäre es gewesen, der meine Frau ermordet hatte und er schilderte mir, wie geil es doch für ihn gewesen wäre, wie meine Frau gezappelt und um Hilfe geschrieen hätte, als er sie vergewaltigte. Er kam nicht mehr dazu noch weiter seine detailreiche Schilderung in kleinen mundgerechten Bröckchen auszuspucken, denn es dauerte nur einen kleinen Augenblick, bis ich ihn bebend vor Hass und ungebändigtem Zorn an der Kehle hochhob und gegen die Wand drückte, während meine Faust mit einem Schlaghagel immer weiter au ihn einhämmerte. Ich hätte ihn zu Tode geprügelt, hätte William, woher er auch immer gekommen sein mag, meine Hand ergriffen hätte und mich von ihm zurückgezogen hätte. Ich achtete gar nicht auf die Stärke, die von seinen Armen ausging. Röchelnd und kaum zu einem Schritt ohne zu stürzen fähig, lief der Mann vor uns weg. Als sich mein Zorn wieder etwas gelegt hatte, fragte mich William, wie ich mich fühlen würde. Ich fühlte mich befreit. Er fragte mich ob ich Reue verspüren würde. Ich verneinte. Er fragte warum. Ich antwortete: „Weil es mein Wille war.“ und er lächelte. „Samuel, spare dir deine Kraft auf. Nimm ihm nicht sein Leben, nimm ihm lieber dessen Wert.“
Ich verbrachte die folgende Zeit mit Williams Hilfe damit, dem Mann das Leben zur Hölle zu machen. Zusammen nahmen wir ihm alles und zum Abschluss ließen wir ihn von der Polizei hetzen, jedoch immer nur so weit, dass er gerade knapp entkommen konnte, so dass sein Leben nur noch aus Angst bestand. Dieses Spiel trieben wir so lange, bis es mir langweilig wurde und keine Befriedigung mehr gab. Selbst der von mir abgefeuerte Gnadenschuss rang mir nur noch ein müdes Lächeln ab, aber ich fühlte mich so stark wie nie zuvor. Kein schlechtes Gewissen störte mich mehr, ich war frei und ungebunden an irgendwelche moralischen Vorstellungen.
Doch dieses Gefühl sollte nicht von Dauer sein. Mein Leben, das sich so zu meinen Gunsten entwickelt hatte, zerbrach auf einmal. Man feuerte mich fristlos, weil ich angeblich Geld veruntreut hatte. Verzweifelt lachte ich wegen der Ironie des Schicksals. Jahre lang hatte ich William mit Kopien von vertraulichen Akten versorgt und nun schmiss man mich raus, wegen einem Vergehen, dass ich nie begangen hatte. Ich bewarb mich an anderen Stellen, doch niemand wollte mir mehr einen Job geben, selbst William verwehrte mir seine Hilfe. Ich flüchtete mich in en Tempel in der Hoffnung Set würde zu mir stehen oder Martha würde mir Kraft und Trost spenden. Da kam sie wieder auf mich zu, doch kein Lächeln zierte ihr schönes Gesicht; sie sah mich nur angeekelt an. Ich heulte auf vor Verzweiflung und Unverständnis. „Ich hasse dich! Du bist so schwach! Mein Gott Set verabscheut dich. Ich habe dich immer für deine Schwäche, deine Güte gehasst, aber ich in bei dir geblieben – weil ich mich auf diesen Tag gefreut habe. Sogar in den Tod bin ich dafür gegangen um dir heute ins Gesicht spucken zu können!“ Wie von Sinnen starrte ich sie an. Es konnte nicht sein, dass alles, was ich für sie getan hatte, für unser Glück getan hatte sinnlos gewesen war. Dass sie mich trotz Allem hasste. Ich wimmerte, ich schrie und plötzlich wurde es finster um mich herum.
Ich erwachte in einer Kammer. Als ich meine Augen aufschlug sah ich, dass William neben mir auf meinem Bett saß. Noch ehe ich sprechen konnte, ergriff er das Wort. Er erzählte mir alles, was in den letzten Jahren passiert war. Martha war eine seiner Priesterinnen, die die Gestalt angenommen hatte, die ich sehen wollte. Ich selbst hatte ihm ja verraten wie Martha aussah, indem ich ihm die Fotos damals gezeigt hatte. Der Set, gegen den ich gekämpft hatte war er gewesen. Mit dem selben Trick hatte er mir vorgetäuscht der Gott zu sein. Marthas vermeindlichen Mörder hatte er beauftragt, damit er mir diese Geschichte vorgaukelte. Meinen Job hatte ich auch durch seinen Einfluss verloren und sein Einfluss war es gewesen, der mich daran gehindert hatte einen neuen Job zu finden. Nun hatte er wieder alles ins Reine gebracht und er übergab mir ein gutes Zeugnis in die Hand, in dem stand, dass die Kanzlei bedauerte, dass ich gekündigt hatte und in dem sie schrieb, dass sie jeden beglückwünschen würde, er mich einstellen würde. Alles – Stärke wie Leid – war sein Werk. Ich schrie ihn an: „Du hast mir alles gegeben und alles genommen!“ „Aber habe ich dich nicht auch gestärkt?“ „Nur um mich anschließend zu brechen!“ „Nein, um dich dazu zu bringen, deine Fesseln abzustreifen. Ich habe dich befreit. Dein persönlicher Leidensweg, deine Offenbarungen des Nichts, waren nur der Weg zur Erkenntnis.“ Ich wollte etwas erwidern, ihm etwas entgegenschleudern, aber ich hielt inne – und verstand. „Doch eine Pforte gilt es noch zu durchschreiten: den Aufstieg zum Göttlichen. Set hat dich erwählt, eines seiner Kinder zu werden. Hast du diese Pforte durchschritten, dann wirst du bereit sein Sets wahre Lehre aufzunehmen.“
Es war der 19. November, an dem ich vor der Statue des Set kniete. Es war der Tag, an dem Osiris ermordet wurde und ich sollte, als ehemaliger Mann Gottes, nun sterben, symbolisch für den Tod Osiris’. „Auf der Erde gewunden hast du dich als Wurm, auferstanden bist du als die Schlange im Paradies, die Adam, wie Eva, die Erkenntnis schenkte.“ Ein paar Priesterinnen kamen auf mich zu, tranken all mein sterbliches Blut um mich als Gefäß für das göttliche Blut zu bereiten, das mich nun erwarten sollte. „Nun erhebe dich als Gott!“, vollendete William seine knappe Rede, schnitt sich die Pulsader auf und gab mir von dem Blut eines Gottes zu trinken. Ich versank in Finsternis.
Ich stand auf einem Pfad. Links von mir war Dunkelheit, rechts von mir glänzte die goldene Sonne Ras. Ich kehrte ihr den Rücken zu und er brannte wie Feuer, doch ich blieb stark und schritt den Pfad entlang, bis auch das letzte Licht erloschen war. Am Ende des Pfades sah ich meinen Gott; Set selbst stand in imposanter Gestalt vor mir. „Du hast der Sonne entsagt. Bist du bereit mir zu dienen, die Äonen zu bekämpfen und die Menschheit von ihren Banden zu befreien?“ Unfähig zu sprechen, nickte ich einfach. „So nehme ich dein Gelübde an, wie ich dich auch als Kind annehme.“
Ich schlug die Augen auf. Ich war nun ein Gott, ein Kind Sets, unsterblich und durchströmt von Macht. William, oder Emhotep, wie er sich nun nannte, hielt einen Sterblichen, einen Kultisten, wie ich erkannte, für mich bereit, an dem ich meinen Durst stillen konnte. Emhotp gebot mir jedoch, ihn am Leben zu lassen, aber es gab noch genug andere Jünger, die mir Blut opfern wollten.
Später fragte ich Emhotep, weshalb ich den Mann am Leben lassen sollte. Was war ein Menschenleben schon gegen den Durst eines Gottes? „Jedem Menschen, dem du das Leben nimmst, nimmst du auch die Möglichkeit Erkenntnis zu erlangen. Du würdest ihn der Tyrannei der Äonen überlassen und ihn damit verdammen, gleichzeitig aber auch die Äonen stärken. Jamal, töte niemals unbedacht und verschwende nie ein Leben.“ Er Sprach dies mit einigem Nachdruck, aber ich hatte nicht das Gefühl, er würde als der Hohepriester, der er war, zu mir sprechen. Etwas väterliches lag in seiner Stimme. Ich erkannte die Weisheit in seinen Worten und nahm sie an.
Es war nur natürlich, dass ich Emhotep als meinen Mentor annahm, schließlich besaß er viel von dem Wissen, nach dem es mich nun verlangte. Ich war 55, als ich zum Gott aufstieg, aber ich musste erkennen, dass ich viele Jahre in Unwissenheit verschwendet hatte. Unter der Anleitung meines Mentors nutzte ich nun die kommenden Jahre um die theophidianischen Lehren zu studieren. Parallel begleitete Emhotep mich auf dem Pfad des Sotech, für den er mich schon in meinem sterblichen Leben bereitet hatte. Gezielt hatte er nach und nach meine Menschlichkeit abgetötet um mich für das Göttliche zu öffnen. Ich erlernte die Gaben Sets und all das, was nötig war, diese zu wirken, war Grundlage dabei für mich. Emhotep erzählte mir auch von anderen, die uns ähnelten, doch die kein göttliches Blut in sich trugen. Er weihte mich über die 12 anderen Clans und ihre Rolle im Zwölfgestirn ein, berichtete mir von der Gesellschaft, die sie sich gebildet hatten.
Zusammen reisten wir sogar nach Ägypten, die Wiege Sets, um meine Studien in der alten Sprache Ägyptens zu fördern. Es war ein erhabenes Gefühl die Pyramiden bei Nacht zu sehen und den Pharaonendienern der Äonen voll Hohn entgegen zu lachen. Gemeinsam besuchten wir das Haus der Finsternis in Kairo, den Roten Tempel Thebens, den Natterngarten von Memphis und all die anderen Gründertempel Ägyptens. Einzig Ombos blieben wir fern, auch wenn ich gerne die Ruinen des Tempels gesehen hätte, den Set selbst erbaut hatte.
Doch immer mehr näherte sich der Zeitpunkt, an dem ich meinen Mentor verlassen werden würde. Er gab mir Zeit eigene Kontakte aufzubauen. Ein paar hatte ich schon aus meinem sterblichen Leben. Dazu zählt zum Beispiel mein alter Arbeitgeber aus der Anwaltskanzlei. Mit ein paar erfüllten Gefallen gehörte sogar der Seneschall unserer Stadt dazu. Sicherlich würde er ein gutes Wort für mich einlegen, sollte ich mich einmal in eine Stadt der Camarilla begeben. Als letztes gab es da noch so einen Mann, der sich sehr gut darauf verstand, neue Identitäten zu beschaffen. Praktischerweise hat er mir selbst eine neue Identität gegeben. Samuel Mathews, geboren 1960 in New Orleans. Emhotep lehnte es ab, mich finanziell zu unterstützen, also schlug ich ihm ein Geschäft vor. Ich vermietete mein Haus an den Tempel, welcher es dafür nutzen konnte dort Sachen zwischen zu lagern oder ein paar speziellen Kunden eine sichere Zuflucht zu bieten. Emhotep lachte, als ich ihm dieses Geschäft vorschlug, aber er willigte ihm ein. Ich denke, es gefiel ihm, wie ich ihm nun doch indirekt die Unterstützung des Tempels abgerungen hatte, aber ich denke er zog auch seinen Nutzen daraus. Noch lebe ich im Tempel, sichere mir ein angemessenes Startkapital, aber je mehr ich an das Ende dieser Schrift gelange, desto mehr nähert sich der Tag, an dem ich den Tempel verlassen werde und mir mit der Hilfe Frederics, meines Ghuls, vielleicht sogar einen eigenen Tempel erbauen werde, denn Sets Lehre muss verbreitet werden. Ich erwähnte Frederic noch nicht. Er kam kurz nach meiner Adoption in den Tempel und erwies sich als recht gelehrig, obgleich noch Welten dazwischen liegen, dass er in unsere göttliche Familie aufgenommen wird, falls er es je soweit bringt, aber sein Glaube und sein Band als Ghul sichern mir zumindest seine Loyalität. Frederic ist ein junger Mann, der sich recht gut auf Finanzen versteht und ich bin mir sicher, dass er meine Angelegenheiten diesbezüglich gut regeln wird.
Nun bin ich hier, ein alter Mann, aber ein junger Gott, ungewiss was die Zukunft bringen wird, aber mit festem Glauben und festen Zielen.
Aussehen und Auftreten:
Die 55 Jahre seines sterblichen Lebens sind nicht spurlos an Samuel vorbeigegangen, doch strahlt der charismatische Farbige eine Aura der Weisheit aus. Obgleich er zwar von seinem Glauben abgefallen ist, haftet ihm immer noch die priesterliche Ausstrahlung von Vertrauenswürdigkeit und Weisheit an. Seine Augen sind gezeichnet von Wissen und Erfahrung.
Die meiste Zeit trifft man ihn in einem eleganten, wenn auch nicht unbedingt teuren Anzug an, meist in schwarz gehalten, doch auch andere Farben halten in seine Kleidung Einzug