Verlage/Händler Es gibt keine schlechte Publicity?

AW: Es gibt keine schlechte Publicity?

Im „Sachwörterbuch der Literatur“ führt Gero von Wilpert unter dem Stichwort „Bestseller“ als eine verkaufsfördernde Maßnahme an:

“Aufbau einer kaufanreizenden Mundpropaganda etwa durch Skandalgerüchte oder Verbotsdrohungen, die das Buch zum Gesprächsgegenstand und damit für aktualitätssüchtige Kreise, die sich ein Urteil bilden wollen, zur Mußlektüre macht.“

Ein Beispiel hierfür wäre im Rollenspielbereich das Werk „Kleine Ängste“, in dem u.a. Kindesmißbrauch thematisiert wurde, was seinerzeit für kontroverse Diskussionen sorgte. Mittlerweile ist die Erstauflage des Buches ein gesuchtes Sammlerobjekt. Über Spielrelevanz und Umfang der Mißbrauchsthematik gehen die Meinungen so weit auseinander, daß es Geschmackssache zu sein scheint, ob man die Kritik als berechtigt ansieht oder als Alarmismus abtut. In einem solchen Fall kann der schlechte Ruf zu mehr Aufmerksamkeit führen und in der Folge für größerer Nachfrage sorgen.

Analog könnte man die viel kritisierten „Tittenbilder“ in den Büchern des Nackter-Stahl-Verlages ebenfalls als solch ambivalentes Skandalon sehen. Einige schreckt es ab, andere zieht es an. Die Debatten darüber sorgen jedenfalls für Aufmerkamkeit, wie sich gerade wieder an der Diskussion zu „Doomstone“ bei Tanelorn.net zeigt, wo zur Entlastung von „Nackter Stahl“ sogar noch krassere Vergleichsbilder aus „Vampire – The Masquerade“ verlinkt werden (für alle Hartgesottenen siehe hier Antwort #82 und Antwort #108).

Allerdings vergisst das „Internet“ nicht und manches kann zum Bumerang werden. Vor Jahren geriet „Nackter Stahl“ mit dem Illustrator Marko Djurdjevic in Streit und stellte eine zweisprachige Verlautbarung (deutsch und englisch) ins Netz, daß Djurdjevic einen Auftrag absichtlich nicht erfüllt habe, unzuverlässig sei und der Verlag in Zukunft nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten werde. Jeder, der sich für ein deutschsprachiges Rollenspiel interessiert, spricht auch deutsch; Djurdjevic arbeitet hingegen auch international. Daher erscheint dies für mich eher wie der Versuch, einem freien Mitarbeiter, von dessen Verhalten man sich "angepisst" gefühlt hat, selbst "ans Bein zu pinkeln" (analog zur späteren Klage gegen „Prometheus Games“). In meinen Augen hat dieses Verhalten primär ein schlechtes Licht auf „Nackter Stahl“ geworfen. Interne Querelen sollten auch intern geregelt werden. Aus welchten Gründen auch immer wurde die damals im hauseigenen Forum losgetretene Diskussion in drei Teile zerstückelt und findet sich hier (Verlautbarung), hier (allgemeine Kommentare) und hier (Kommentare Pro-Djurdjevic).

Interessant ist vor allem der letzte Link, wo Djurdjevic in Antwort #11 selbst Stellung bezieht und seinen angedachten Lohn für die Illustration des Spielleiterschirms vorrechnet (3500 Euro, aufgeteilt auf ihn und seinen für die Kolorierung zuständigen Partner, ergäbe einen Stundenlohn von 30 Euro, üblicher Satz für Grafiker wäre 50-90 Euro pro Stunde, die entsprechende Zeichnung kann man unkoloriert hier betrachten, "runterscrollen"). Interessant deshalb, weil jüngst die Illustratorin Caryad bekanntgab, daß sie nicht mehr für DSA arbeiten werde, weil man ihr den Stundenlohn halbieren wolle (siehe hier, eine der älteren News-Meldungen). Ihr üblicher Stundenlohn liegt laut ihrer „Homepage“ bei 60 Euro. Als Kommentar zu einem Blogbeitrag dazu schreibt Melanie Maier (festangestellte Illustratorin bei „Ulisses-Spiele“), es würde sich dabei um Honorarvereinheitlichungen handeln (siehe hier). Verbindet man diese Informationen, hat man also einen Eindruck, was ein Illustrator in der Rollenspielbranche so verdienen kann, etwa 30 Euro pro Stunde.

Die ganze Angelegenheit hat zwar für viel Wirbel gesorgt, bei den genannten Verlagen hätte man sich diese Offenbarungen aber wohl gerne erspart, denn Honorare werden meist als Betriebsgeheimnis betrachtet und einen Werbeeffekt dürfte derlei eher nicht haben. Vielmehr gibt es in den Foren ja noch jene Fraktion, die Rollenspiele zu Bilderbüchern mit radebrechenden Inhalten verkommen sieht, weil das Geld primär in die Aufmachung und nicht in die Inhalte fließen würde. Bei Tanelorn.net gab es vor einiger Zeit eine Diskussion über Übersetzungsqualität und Übersetzerhonorare. In Antwort #34 (siehe hier) schreibt dort eine Übersetzerin, daß bei Lokalisierungen von Computerspielen ein Honorar von 6-8 Cent pro Wort gezahlt würde und auf dem „normalen Markt“ die Wortpreise bei 12-15 Cent lägen, wobei ein Übersetzer an einem achtstündigen Arbeitstag etwas 3000-4000 Wörter schaffen würde. Bei DnD-Gate.de hat Daniel Schuhmacher (ehemaliger D&D-Übersetzer bei F&S) geschrieben, daß ein professioneller Übersetzer in der Rollenspielbranche etwa 2-2,5 Cent pro Wort verdienen würde, „Ulisses-Spiele“ dies für „Pathfinder“ aber nicht glaubt, zahlen zu können und daher auf Hobbyisten zurückgreife (siehe hier Antwort #192). Bei einem Satz von 2 Cent pro Wort würde man bei 4000 Wörtern in acht Stunden demnach 10 Euro je Stunde verdienen. Ein Übersetzer wird bei „Ulisses-Spiele“ also mutmaßlich mit merklich weniger als 10 Euro pro Stunde vergütet und bei den kleineren Verlagen dürfte es nicht besser aussehen. Zu diversen Übersetzungen verschiedener Verlage (Pathfinder, Der Eine Ring, Rolemaster, Hellfrost) sind in letzter Zeit die Kommentare zur Übersetzungsqualität entsprechend ernüchternd ausgefallen und derlei wirkt auf die Kunden meiner Meinung nach in jedem Fall abschreckend und damit verkaufsmindernd.

Langer Rede kurzer Sinn: Ist man als enfant terrible verschrien, kann das Aufjaulen der Kritiker unter Umständen verkaufsfördernd wirken, ist das Produkt hingegen nicht skandalträchtig, sondern einfach nur fehlerbehaftet, sollte man alles tun, um aus den negativen Schlagzeilen wieder herauszukommen. Und hier sehe ich die gesamte Branche in der Krise: If you pay peanuts, you get monkeys! Aber sollten obige Zahlen stimmen, dann scheinen den Verlagen so langsam ja selbst die Erdnüsse auszugehen.
 
AW: Es gibt keine schlechte Publicity?

Nette Sammlung, Fimbul!
 
AW: Es gibt keine schlechte Publicity?

Hatte Marko Djurdjevic sich damals nicht von Degenesys verabschiedet um sich dem Auftrag von NS zu widmen?
Danach ging es mit Degenesys auch berg ab weil Djurdjevic mehr oder minder der einzige Lichtblick in dem System war.
(Wie gesagt, die Artworks waren schon krass! zwar auch Eingeweide und Titen aber sehenswert, ist halt nur schade wenn ein Buch viel anderes zu bieten hat. Als Comic währ das Projekt warscheinlich erfolgreicher geworden)
 
AW: Es gibt keine schlechte Publicity?

Er war doch dann IIRC bei Massive Black als Concept Artist.
 
AW: Es gibt keine schlechte Publicity?

Kann sein, hatte nur noch mitbekommen das er danach bei Dsys weck war, ist auch wenn ich es noch mal nachschlage länger her als ich dachte.
 
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