AW: Erzählt mir davon
Ich leite eine AC-Kampagne und habe es davor an 3 oder 4 Spieltagen mit einer anderen Gruppe gespielt.
Die Regeln sind leicht zu lernen und leicht anzuwenden. Der Detailgrad ist immer ausreichend, aber die Regeln sind dann leicht umgesetzt. Zum Beispiel gibt es ähnlich wie in DSA4 spontane Modifikationen für Zauber, um sowas wie Reichweiten oder Wirkungsdauer zu verändern, die sind aber in AC bei weitem nicht so umfangreich und mit zusätzlichen Modifikatoren versehen. Also bei DSA4 gibt es Modifikatoren, die den Modifikator verändern, z.B. können Gildenmagier bestimmte spontane Modifikationen leichter, dann kann man hierdurch oder dadurch auf die eine oder andere spontane Modifikation einen Bonus geben. Dadurch wird das natürlich furchtbar kompliziert. Bei AC gibt es halt eine Liste von spontanen Modifikatoren, die kann man benutzen und damit hat es sich dann auch. Diesen Ansatz finde ich supi. So gibt es z.B. eine einfache, aber funktionierende Trefferzonenregel, einige schöne Kampfmanöver, sogar ein (wie ich finde innovatives und unglaublich einfaches) Wundensystem und auch Regeln für Fallen, Gift, Feuerschaden usw. Alles mögliche ist also abgedeckt, aber es geht immer unkompliziert. Dabei spielt sich AC aber auch immer recht klassisch – nur schneller.
Also man merkt - ich bin von den Regeln begeistert. Natürlich gibt es auch Punkte, die man kritisch sehen kann. Wir haben uns in unserer Gruppe auch ausgiebig darüber unterhalten, ob Fertigkeiten wie "Mode" nötig sind oder ob man unbedingt "Schleichen" und "Verstecken" trennen muss. Bei Fertigkeiten wie Mode weise ich immer darauf hin, dass die Spielwelt sehr umfangreich ist. Es gibt Länder, in denen Mode durchaus relevant sein kann, wenn man stark intrigenlastig spielt. Ich empfinde es hier als bequem, dass schon viele Fertigkeiten im Grundregelwerk enthalten sind und sie nicht in Quellenbüchern nachgeliefert werden müssen.
Der Grundmechanismus – 2w10 + Attributsbonus + Fertigkeit gegen Mindestwurf – ist simpel und wird für alles mögliche angewendet. Wenn man z.B. auf eine Falle tritt, hat die auch einen Angriffswert, mit dem sie das Opfer einfach angreifen kann, mit ihren 2w10 + Fallenstufe. Wird man vergiftet, wird man von 2w10 + Giftstufe "angegriffen". Alles ist also auf denselben Grundmechanismus zurückzuführen.
Möglichkeiten zum Minmaxing sehe ich nur eingeschränkt. Es gibt auf jeden Fall "Hartholzharnische", also Regel-Optionen, die anderen überlegen sind. Ein Schwert ist besser als eine Keule. Wer mit einer Keule kämpft, sollte sich also gut überlegen, wieso er das tut. Ein Troll gibt den besten Kämpfer ab, weil Stärke vom System bevorzugt wird, Trolle die größeren Waffen führen können und Trolle über Regenerationsfähigkeit in einem Spiel verfügen, in dem Heilmagie sehr schwach und Heiltränke sehr selten sind. Ja, solche Möglichkeiten gibt es. (Hier möchte ich anmerken, dass wir in unserer Runde dennoch keinen Troll haben.) Was es aber nicht gibt, ist eine besonders optimale Verteilung der Punkte bei der Generierung, weil die Punkteverhältnisse in der späteren Steigerung beibehalten werden. Es ist also rechnerisch egal, ob ich bei der Generierung 5 Fertigkeiten auf 1 oder eine Fertigkeit auf 5 setze!
Meine größte Kritik an AC betrifft die Magieregeln. In der Berechnung, wann man einen Zauberspruch lernen bzw. wie gut man ihn sprechen kann, finde ich das System recht "mechanisch" und leicht zu berechnen. Ich kann das nicht gut erklären, ist wohl auch eher eine persönliche Sache. Darüber hinaus hätte ich mir für Priester mehr Vielfalt bei den Zaubern gewünscht.
Die Welt möchte in der Tat düster sein. Überall Schlachten, böse Zauberer, Dämonenhorden und und und. Das liegt daran, dass Zeichen auf den Untergang der Welt hindeuten. Der Vorteil davon ist, dass die Welt nicht statisch ist. Es gibt zwar keinen fortlaufenden Metaplot, aber die relativ ausführliche Beschreibung der Welt (Geschichte, kurze Beschreibung jedes Landes, dazu Beschreibungen von Geheimgesellschaften und Gilden) ist voll mit Konflikten. Egal, für welches Land man sich entscheidet, da ist auf jeden Fall ordentlich was los! Für mich ist das ein riesiger Vorteil dieses Settings. Ich habe schon Spiele erlebt, wo ich mir nach dem Lesen der Beschreibungen dachte: "Ok. Und jetzt?" Das passiert mit AC nicht mehr!
Dabei unterstützt die Welt durchaus übliches Fäntelalter, es sind also alle möglichen Länder in der Welt, die jeweils verschiedene irdische Vorbilder haben: Es gibt Vargothia, das ein wenig gotisch ist, Veruna ist das Äquivalent des Römischen Reiches, Saphiria bietet Märchen aus 1001 Nacht, Megalys bietet ein wenig Steampunk, Aquitaine ist etwas für Freunde von Mantel & Degen und Intrigenspiel am Hofe usw. Das ist natürlich eine Designentscheidung, um viele Geschmäcker zu unterstützen und hat wenig mit Weltkonsistenz zu tun. Möchte man es lieber homogen/einheitlich haben, sollte man sich auf ein Land und seine Grenzgebiete konzentrieren. Die Entfernungen sind aber viel größer als meinetwegen in Aventurien/DSA, so dass dies auch leichter vonstatten geht.
Das Buch ist, wie hier schon gesagt wurde, von exzellenter Qualität. Durchgehend farbig, massig Illustrationen (auch ganzseitige), jede Illustration hat eine kleine Bildunterschrift, ausführliches Inhaltsverzeichnis, die Bindung ist gut… Der Preis ist zwar happig, imho ist das Buch sein Geld aber wirklich wert.
Insgesamt bin ich von AC hin und weg, auch wenn ich anfangs sehr, SEHR skeptisch war: Die Kritiken im Internet sind nicht immer gerade positiv. Die Düsternis des Settings wirkte auf mich zuerst auch ein wenig... übertrieben und pseudocool. Ich bin jedoch froh, dass ich mich nicht habe abschrecken lassen. Die Frage ist natürlich immer, was man eigentlich sucht.
Du (Guardian) hast ja explizit die schlechten Reviews angesprochen. Oft wird erklärt, dass die Regeln nur zusammen geklaut wurden und man alles schon gesehen hat. Das möchte ich nicht bestreiten, aber als Vorteil verkaufen. Neu ist nämlich zum einen die Zusammenstellung und die Art und Weise, wie die Mechaniken umgesetzt wurden. Insofern handelt es sich schon um ein neues Rollenspiel. Schlimm wäre es, wenn z.B. nur D&D kopiert worden wäre. Schlimm wäre es auch gewesen, wenn man sich von verschiedenen Rollenspielen hätte inspirieren lassen, dabei aber nur uneinheitlicher Quatsch, nicht zusammen passende Regeln entstanden wären. Das ist hier aber nicht geschehen – die Regeln wirken (zumindest auf mich) wie aus einem Guss und stimmig. Meiner Meinung nach ist es auch dieser Umstand, dass man viele Mechaniken erkennt und in anderer Form aus anderen Spielen schon kennt, der den Einstieg ins System so einfach macht. Wir hatten mal einen neuen Spieler in der Runde, dem wir die Regeln nicht erst lang und breit erklärt haben und der sie praktisch intuitiv sofort anwenden konnte. Das leistet nicht jedes Rollenspiel.