Löwenclub Entwicklungen im Rollenspiel

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Skar

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Seit 1974 hat sich das Rollenspiel durchaus entwickelt. Die Schritte waren nicht unbedingt riesig, aber doch spürbar. In einem Anflug von nostalgischer Recherche habe ich in der Phantastische Zeiten #1 (12/1987) ein paar schöne Punkte gefunden:

Der Erste befasst sich mit der Simplizität bzw Komplexität des Rollenspiels:

In Deutschland begann die 'Zeit der Rollenspiele' erst in den Jahren 1983/84. Auslöser waren hier die Übersetzung des vollkommen neugestalteten 'D&D' und das auf unerfahrene Rollenspieler ausgerichtete deutsche Rollenspiel 'Das schwarze Auge' (DSA). Beide Regelkonzepte schienen Teil einer Gegenströmung zu sein, die eine einfache, unkomplizierte und spielbetonte Form des Fantasy-Rollenspiels ankündigte. Tatsächlich war es nur eine Methode, die Idee des Spiels werbewirksam zu vermarkten, denn alsbald blähten sich 'D&D' als auch 'Das schwarze Auge' durch in schneller Folge produzierte 'Experten'-, 'Ausbau'-, 'Master'- bzw. 'Professional-Sets' zu einer regeltechnisch komplexeren und umfassenderen Form auf, die aber jeweils von der Basis kaum noch getragen werden kann.

Der Zweite bezieht sich auf den größeren Setting-Schwerpunkt:

Das wesentlichste und zukunftsweisendste Element der genannten Rollenspiele ist aber die jeweilige Verbindung mit einer detailliert ausgearbeiteten Spielwelt.
[Es folgen Beispiele (RuneQuest mit Glorantha, MERS mit Herr der Ringe, Midgard mit Magira, Warhammer mit der Old World)]
Mehrere Anzeichen belegen, dass die Existenz einer Spielwelt auch zukünftig ein entscheidendes Bewertungskriterium für die Qualität von Rollenspielthemen sein wird. So steigt z.B. die Nachfrage, als auch das Angebot an Rollenspiel-Stadtmodulen stetig an. Eine Rollenspielversion von C.L. Lewis Märchenweld 'Narnia' in einer ähnlich sorgfältigen Ausstattung wie MERS/MERP ist angekündigt. Nach dreizehnjähriger Spielgeschichte versucht 'D&D' nun eine, wenn auch reichlich dürftige Rollenspielwelt nachzuliefern, und die neue, anspruchsvoll aufgemachte 'AD&D''-Welt 'Forgotten Realms' ist beim englischen Produzenten schon vierzehn Tage nach ihrem Erscheinen restlos ausverkauft. Das sind deutliche Zeichen.

Und ein weiterer beschäftigt sich mit der fortschreitenden Individualisierung der Spielercharaktere.

Als die wichtigsten Signalpunkte für diese Bewegung sind das 1984 in einer überarbeiteten Fassung publizierte 'RuneQuest' (RQ 3), das ebenfalls 1984 veröffentlichte 'Middle Earth Roleplaying' (MERP), das 1985 neu gestaltete 'Midgard' und das 1987 herausgegebene 'Warhammer Fantasy Roleplay'. Alle vier Rollenspielsysteme sind fertigkeitsorientiert, d.h. legen großen Wert auf die Ausgestaltung individueller Spielercharaktere und bieten zu diesem Zweck ein reichhaltiges Spektrum an unterschidlichsten Fähigkeiten, Berufen und Entwicklungsmöglichkeiten an.

Welche Entwicklungen fallen euch noch ein und auf wann würdet ihr diese datieren?
 
AW: Entwicklungen im Rollenspiel

Spontan fällt mir einmal der Trend zum Würfelpool ein, der Ende der 80er, Anfang der 90er auftrat und ein neues Regel-Konzept darstellte. (Oder gab's sowas schon vorher?)

Dann war da unvermeidliche Trend zur Standardisierung, einmal mit den "generischen" Systemen wie GURPS und Rolemaster, aktueller D20 und Savage Worlds.

Ganz aktuell (wobei es angesichts des obigen Textes fast wie ein Revival wirkt) finde ich den Trend, leicht umsetzbare Rollenspiele auf den Markt zu bringen (z.B. Savage Worlds), oder den Versuch, diese an andere Medien anzupassen (RPG-Brettspiel-Crossover, DnD 4E).

Eine Nebenerscheinung ist die Umsetzung von RPG-Inhalten in Computerspiele und Filme. Zwar sind Computer-RPGs nun auch schon wieder ca. 20 Jahre alt, aber erst seit wenigen Jahren haben wir die Technologie, die PC-RPGs, MMORPGs und Co konkurenzfähig zum Tischerlebnis machen. (Und nicht nur konkurenzfähig, sondern sogar verdammt konkurenzstark.)
 
AW: Entwicklungen im Rollenspiel

oder den Versuch, diese an andere Medien anzupassen (RPG-Brettspiel-Crossover, DnD 4E).
Ja das wäre ein wirklich guter Punkt
Revenge of the Sith Capitalists


Beim MMORPG muss ich dir recht geben, leider ohne witty remark
 
AW: Entwicklungen im Rollenspiel

Die Verplotung, also der Übergang von Szenario zu plotorientiertem Abenteuer, ab Dragonlance.
 
AW: Entwicklungen im Rollenspiel

Spontan fällt mir einmal der Trend zum Würfelpool ein, der Ende der 80er, Anfang der 90er auftrat und ein neues Regel-Konzept darstellte. (Oder gab's sowas schon vorher?)
Aber hat das etwas bewirkt? Hat das etwas ausgedrückt?

Die Geburtstunde des Rollenspiels vom Tabletop zum charakterzentrierten Rollenspiel wäre wohl der erste Punkt (1974).

Die Forge-Bewegung mit der Entwicklung von zielgerichtetem Spiel, dem Stützen und Forcieren von Independent-Spielen und einer starken Theoretisierung bzw Metabetrachtung des Rollenspiels.
Wann war das? 2004-2006?
 
AW: Entwicklungen im Rollenspiel

Die Verplotung, also der Übergang von Szenario zu plotorientiertem Abenteuer, ab Dragonlance.
Wann war das? Und gab es eine Hoch-Zeit? Fiel diese mit den Storyteller-Spielen zusammen?
 
AW: Entwicklungen im Rollenspiel

Wann war das? 2004-2006?
Eher so 2003-05. Wobei das ganze eigentlich 1996 auf rec.games.frp.advocacy anfing.

Wann war das? Und gab es eine Hoch-Zeit? Fiel diese mit den Storyteller-Spielen zusammen?
1984 fing es an. Deutlich ist der Wandel an AD&D zu erkennen, vor allem an der zweiten Edition. Seinen Höhepunkt würde ich in den USA um '92 sehen, in Deutschland entsprechend später.
 
AW: Entwicklungen im Rollenspiel

Ein ganz starker Trend - der auch noch nicht ganz aufgehört hat - war eine Zeitlang der Meta-Plot, also die Tendenz, dass die für ein System erscheinenden Materialien eine durchgehende Geschichte erzählen, der eine Rollenspielgruppe, wenn sie das Setting (inkl. der entsprechenden Neuerscheinungen) auf Dauer nutzen will, auch folgen muss.

Hat mich persönlich immmer sehr gestört, weil ich eigentlich nie mit den gespielten Abenteuern der Geschwindigkeit der "Geschichtsentwicklung" in den offiziellen Publikationen folgen konnte (oder erst viel später in ein System eingestiegen bin) und so den Eindruck hatte, dass ich irgendwie "hinterherhänge".

Bei Shadowrun, Deadlands und der oWoD gab's das schon von Anfang an, bei DSA und 7th Sea wurde es erst nachträglich eingeführt (dafür aber umso heftiger).

Mittlerweile gibt's ja schon fast gegenläufige Beispiele, etwa die Plot Point-Kampagnen für Savage Worlds, in denen die gesamte (zukünftige) Geschichte eines Settings bereits im ersten (und einzigen) Band geschildert wird.
 
AW: Entwicklungen im Rollenspiel

Wobei ich das aber eigentlich noch dem ersten Phänomen zuschlagen würde - der sich in den Publikationen entwickelnden Spielwelt, gibt es nur eine Publikation, dann entwickelt sie sich zwar nur in dieser einen, aber ich sehe da immer noch einen deutlicheren Unterschied zur "status quo-Spielwelt", die in einem bestimmten Zustand, der den Anfang des Spiels bildet (bilden soll), beschrieben wird, und danach nur durch die Spielgruppe verändert wird.
Die Unterscheidung ob sich eine Spielwelt in einer oder verteilt über mehrere Publikationen "offiziell" wandelt erscheint mir dagegen eher gering.

mfG
cag
 
AW: Entwicklungen im Rollenspiel

[...] "status quo-Spielwelt", die in einem bestimmten Zustand, der den Anfang des Spiels bildet (bilden soll), beschrieben wird, und danach nur durch die Spielgruppe verändert wird.

Gibt es eigentlich ein System, für das über einen längeren Zeitraum Quellenbücher herausgebracht wurden und dessen Spielwelt ihren Status quo gar nicht verändert hat?
 
AW: Entwicklungen im Rollenspiel

Na klar, indem es nur geographisch erweitert wurde und nicht die Timeline fortgeschrieben wurde.
 
AW: Entwicklungen im Rollenspiel

Mittlerweile gibt's ja schon fast gegenläufige Beispiele, etwa die Plot Point-Kampagnen für Savage Worlds, in denen die gesamte (zukünftige) Geschichte eines Settings bereits im ersten (und einzigen) Band geschildert wird.
Das trifft auf KEINE EINZIGE der Plot-Point-Kampagnen in den bisherigen offiziellen Savage Settings zu!

Was eine PP-Kampagne macht, ist einen der KERN-KONFLIKTE (ja, da gibt es IMMER mehr als einen!) aufzugreifen und dessen Behandlung und Auflösung im Spiel zu präsentieren. Danach ist die Spielwelt KEIN Stück "ausgespielt" - nicht einmal die gescriptete Kampagne Evernight ist nach deren Ende auch tatsächlich ZUENDE.

Und es wird eben gerade NICHT die "gesamte (zukünftige) Geschichte eines Settings" VORGEZEICHNET.

Zudem: PP-Kampagnen GEHÖREN DEN SPIELLEITERN, die sie leiten. Damit werden sich nach Belieben Änderungen, Verschiebungen usw. ergeben - und PP-Kampagnen sind genau dazu auch GEDACHT!

Ich weiß wirklich nicht, woher diese so unzutreffende Sicht auf PP-Kampagnen kommt, daß hier ALLES ZUKÜNFTIGE des Settings vorgezeichnet wäre. Das könnte kaum unzutreffender sein.
 
AW: Entwicklungen im Rollenspiel

Ich weiß wirklich nicht, woher diese so unzutreffende Sicht auf PP-Kampagnen kommt, daß hier ALLES ZUKÜNFTIGE des Settings vorgezeichnet wäre. Das könnte kaum unzutreffender sein.
Das kommt wohl daher, dass die Intention von vornherein nicht ist weiteres spielbares Material dazu zu veröffentlichen. Man kann also in dem Setting spielen so lang man Lust hat, man bekommt aber nicht mehr unbedingt was offizielles vorgelegt.

Oder?
 
AW: Entwicklungen im Rollenspiel

Was eine PP-Kampagne macht, ist einen der KERN-KONFLIKTE (ja, da gibt es IMMER mehr als einen!) aufzugreifen und dessen Behandlung und Auflösung im Spiel zu präsentieren. Danach ist die Spielwelt KEIN Stück "ausgespielt" - nicht einmal die gescriptete Kampagne Evernight ist nach deren Ende auch tatsächlich ZUENDE.

Und es wird eben gerade NICHT die "gesamte (zukünftige) Geschichte eines Settings" VORGEZEICHNET.

Zudem: PP-Kampagnen GEHÖREN DEN SPIELLEITERN, die sie leiten. Damit werden sich nach Belieben Änderungen, Verschiebungen usw. ergeben - und PP-Kampagnen sind genau dazu auch GEDACHT!

Ich weiß wirklich nicht, woher diese so unzutreffende Sicht auf PP-Kampagnen kommt, daß hier ALLES ZUKÜNFTIGE des Settings vorgezeichnet wäre. Das könnte kaum unzutreffender sein.

Tja, da habe ich wohl die 50 Fathoms-Kampagne, die Evernight-Kampagne und die Necessary Evil-Kampagne falsch in Erinnerung - ist aber auch schon einige Zeit her, dass ich die entsprechenden Bücher gelesen habe.

Aber die PP-Kampagne bei 50 Fathoms dreht sich entscheidend darum, ob die SCs es schaffen, die gesamte Welt zu retten oder ob sie "absäuft". Bei Evernight geht es darum, ob die SCs der Welt das Licht zurückbringen oder nicht. Und bei Necessary Evil ist es der Kern der Kampagne, ob die SCs die Alien-Invasion zurückschlagen.
Das sind Entwicklungen, die die jeweilige gesamte Welt betreffen.

Natürlich heißt das nicht, dass die Geschichte der Welt mit dem Ende der PP-Kampage endet - bei 50 Fathoms jedenfalls nicht, soweit die SCs Erfolg haben. Aber die gesamte Geschichte der Hintergrundwelt wird durch die PP-Kampagne beeinflusst.

Dass jeder Spielleiter Kampagnen - im Übrigen auch gesamte Settings - nach seinem Willen verändern kann, ist doch klar. Auch ein Setting mit Meta-Plot kann ich völlig ohne den Meta-Plot spielen. Das schränkt aber die Nutzbarkeit offizieller Supplements für mich - sofern diese den Meta-Plot forführen - stark ein. Aber in diesem Thread geht es ja wohl darum, Entwicklungen in offiziellen Rollenspiel-Publikationen aufzuzeigen.

Vielleicht solltest du, lieber Zornhau, einfach mal ab und zu ein wenig durchatmen und erst einmal zur Ruhe kommen, bevor du eine so emotionale Antwort auf eine - vermeintliche - Kritik an einem deiner Lieblingssysteme schreibst. Ich bin nämlich selber ein fast so großer SW-Fan wie du und halte die PP-Kampagnen für die beste Entwicklung im Rollenspielbereich in den letzten zehn Jahren (und damit ist das hier wieder on-topic).
Ich hab' dich aber trotzdem lieb. :)
 
AW: Entwicklungen im Rollenspiel

Das sind Entwicklungen, die die jeweilige gesamte Welt betreffen.
...
Aber die gesamte Geschichte der Hintergrundwelt wird durch die PP-Kampagne beeinflusst.
Das liest sich aber schon deutlich ANDERS, als daß die "gesamte zukünftige Geschicht der Welt festgeschrieben" ist.

JEDE Kampagne, die nicht ausschließlich charakterzentriert läuft (und das tun "old school"-ige Kampagnen wie die allermeisten PP-Kampagnen eben nicht), SOLL die gesamte Spielwelt betreffen, SOLL die Historie der Spielwelt nicht etwa nur "beeinflussen", sondern SCHREIBEN .......... LASSEN! Schreiben lassen - durch die Spieler.

Und das ist genau das, was die PP-Kampagnen auch tun.

Auch Caribdus wird nicht so schnell absaufen, daß man die PP-Kampagne wirklich mit allen Plot-Points erfolgreich abschließen muß. Und falls man scheitert, dann geht die Geschichte weiter. - Vielleicht härter, vielleicht mehr mit Endzeit-Feeling, vielleicht mehr Richtung "Waterworld", oder eben komplett unter Wasser, weil nur die Wasserwesen überleben werden. - Hinterm Horizont der PP-Kampagne geht es weiter...
 
AW: Entwicklungen im Rollenspiel

Ein weiterer Punkt könnte sein, dass mehr spielbegleitendes Material zum Rollenspiel veröffentlicht wurde, um den Spielablauf zu erleichtern. Ich denke da vor allem an Paizo Publishing. Das müsste so 2006 losgegangen sein, ist aber eher nur für den amerikaischen D&D-Markt relevant.

Ein weiterer Punkt könnte der Wandel von der Box zum Buch sein. In Deutschland vor allem wegen der Preisbindung und der niedrigeren Mehrwertsteuer interessant. Aber wo könnte das zeitlich gelegen haben? 1989?
 
AW: Entwicklungen im Rollenspiel

@Skar: Wie würdest Du denn solche Entwicklungen, die ja längst nicht nur auf SW und D&D 4E beschränkt sind, bezeichnen bzw. einordnen: Es wird mehr SPIELMATERIAL zum ANFASSEN im Spiel verwendet.

Statt minimalistisch herumzusitzen, oft ohne rechten Tisch, in der Sofa-Ecke lümmelnd, ab und an mal was würfelnd oder eine Arkana-Karte ziehend, ist aktuell nicht nur wieder, sondern durch die gegenüber früher NEUEN Spielmaterialien einfach ein dedizierter Spieltisch als wirklich für das Spielen eingerichtete Umgebung wichtiger geworden.

Engel-Arkana kann man auch im steckengebliebenen Lift spielen. D&D 4E braucht zur vollen "Geschmacksentfaltung" eine klare "Tischorganisation" - der Begriff "Table-Management" ist hierbei wichtig.

Es wird mit Figuren, Würfeln, Karten (SW-Initiativ-Karten und Adventure Deck, 4E Power-Cards), Spielsteinen (Magiepunkte, Action-Points, Bennies, ...), Markern mit Aufdruck für unterschiedliche Zustände, 2D-Szenerie am Stück (Battlemap) oder "gekachelt" (Dungeon-Tiles, eTiles), 3D-Szenerie (von Papier bis echter Tabletop-Miniaturenspiel-Szenerie), mit computergestützter Visualisierung über entsprechende Werkzeuge wie MapTool, TokenTool, usw. gespielt.

Bis auf die computerunterstütze Spielhilfe ist ALLES andere zum ANFASSEN gedacht.

Das ist in meinen Augen eine NEUE Entwicklung.
 
AW: Entwicklungen im Rollenspiel

War das mit der Box nicht eher ein Stunt, um die Preisbindungsgeschichte zu umgehen?
 
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