AW: Die Ästhetik von Gewalt
Leronoth schrieb:
Also: Gewalt ist ein Thema der ästhetisierung und hat keine originäre ästhetik. (Eher schon macht, aber auch da muss man das soziohistorisch aufdröseln)
Dit versteh ich nicht. Da widersprechen IMO diverse Kampfkünste. Nimmste Capoeira ... entstanden und weiterentwickelt immer im Takt der Musik und basierend auf diversen Tänzen. Da haben sich Leute nicht nur kräftig auf die Omme gehauen, die haben dabei auch noch Rhythmen verwendet. Nimmste Kung Fu ... äußerst grazile und fließende Bewegungen in Kombination mit Vereinheitlichung von Körper und Geist resultierend in äußerst effektiven Angriffen und Verteidigungsmustern. Nimmste die drei großen Kans (Bujinkan, Jinenkan, Genbukan) basiernd auf diversen Samurai- und Ninjutsuschulen wird in allen drei Stilen die Gleichartigkeit von Techniken im unbewaffneten und bewaffneten Kampf eingeübt. Egal ob nun Schwert, Stock oder mit blanker Faust, alle Inhalte finden sich untereinander wider und können nahezu beliebig getauscht werden. Dazu ebenfalls effektive Bewegungen, eher mit einem Fokus auf dem Ausschalten von überflüssigen Abläufen. (das sind jetzt nur Beispiele ... Trainierende anderer Kampfsportarten mögen sich bitte nicht herabgesetzt fühlen)
Ich mein klar ... Kampfkünste (ungleich Kampfsport!) haben grundsätzlich den Fokus auf das möglichst effektive Ausschalten des Gegenübers und dennoch folgt das ganze einer inhärenten Ästhetik. Sei es nun das ziehen und führen eines Schwertes, ebenso wie die äußerst ausladenden Bewegungen eines Capoeira Kämpfers, wie auch die verschiedenen Tierstile im KungFu. Ästhetik geht hier einher mit Effizienz. Will heißen: Ohne ihre inhärente Ästhetik was mitunter auch gleichzusetzen ist mit inhärenter Funktionslogik würden die meisten Kampfkünste nicht existieren bzw. wären ineffizient.
Somit also die Folgerung: Gewalt kann durchaus ästhetisch sein, weil diese Ästhetik bereits als Feature fest verankert ist.
Davon ab liegt Ästhetik in meinen Augen immer im Auge des Betrachters. Meine Freundin wird meine zerebral-Orgasmen niemals nachvollziehen können, wenn Leute wie Kacem Zoughari mal wieder mit nem Bo rumwirbeln oder sonstwas tun. "Schön Schatz ... toll wie der sich bewegt ... hmhm ... und seine Hüfte! Feeeeeeiiiiiin!" Dafür betrachtet sie die Trachäa von Labormäusen als etwas ganz faszinierendes "Wie fühlt sich das an? Wien Schwammm? Musst du mir das beim Essen erzählen?!"
Was das Topic betrifft:
Skar schrieb:
Darf Rollenspiel dies einfach so unreflektiert tun?
Ich gehe hier mit Georgios konform: In den weitaus meisten Fällen gehen die Spieler unreflektiert an die Sache ran. Rollenspiel ist ein Hobby ... das tut gar nichts, außer als Oberbegriff für unterschiedliche Anschauungen, Regelkomplexe und natürlich auch Auffassungen zu dienen. Auch Psychologen verstehen was unter dem Begriff Rollenspiel ... möglicherweise nicht dasselbe wie "wir".
Wie kann man [Ästhetik von Gewalt] rechtfertigen?
Auf dieselbe Weise, wie man Emo-Musik, Liebe zur Klassik, Spaß am Sex und dergleichen rechtfertigen kann: Die pure Leidenschaft an der Thematik. Gewalt im Rollenspiel ist ja wenn wir von Ästhetik reden eher im gesprochenen Wort und in der Vorstellung niedergelegt. Das heißt: Menschen betreiben zerebral-Masturbation um verschiedene Aspekte möglichst stimmungsvoll in Szene zu setzen. Und bei manchen ist es eben Gewalt. Explizit oder versteckt ... aber auf jeden Fall präsent. Rechtfertigung: Besser so, als anders - aus einem sozio-psychologischem Hintergrund heraus.
Und selbst wenn man diese nicht rechtfertigen muss, welche Funktion kann die Ästhetik von Gewalt übernehmen?
Fleisch ums Gerippe packen, Dramatik integrieren, Spannung und Entertainment erzeugen - zugegebenermaßen ein anderer Fokus, als die von mir oben angesprochenen Kampfkünste. Da liegt der Fokus (so hoffe ich doch) weniger auf der Dramatik - wär sonst äußerst ineffizient das ganze.