Der Zug [Graue Wirklichkeit 2]

Freako

Der Kriegerpoet
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"Jetzt guck nicht so komisch, es wird bestimmt cool!" riss Yasmine sie aus ihren Gedanken. Sie merkte wie sie leicht zusammenzuckte und ihr eine leichte Röte ins Gesicht stieg. Es ärgerte sie. Scheinbar waren ihr ihre gemischten Gefühle über ihren bevorstehenden Ausflug deutlicher anzusehen, als es ihr lieb war.

Sicherlich, es war aufregend... doch die Gegend, in die sie fuhren, war nicht sicher. Ihre Mutter hatte ihr verboten, sich dort herumzutreiben; schreckliche Dinge sollten dort passieren, die sie nicht auszusprechen wagte, jeden Tag und auf offener Straße.

Sie betrachtete das Zugabteil, in dem sie saßen. Es war fast kein Stückchen Holz, Metall oder Kunststoff zu sehen, das nicht mit blauem, rotem, vor Allem aber schwarzem Filzstift vollgeschmiert war. Sie konnte nicht verstehen, warum jemand so etwas tat, oder viel mehr noch, warum die Stadt sich nicht die Mühe machte die Schmierereien zu entfernen.

Ein Schriftzug stach ihr in diesem Moment besonders ins Auge; obwohl die Schrift so fremdartig war, dass sie die einzelnen Buchstaben kaum auseinanderhalten konnte, war sie seltsamerweise doch in der Lage das Wort zu lesen: 'Clash' stand da, mit einem blauen Stift geschrieben. Auf seine Weise war es doch irgendwie kunstvoll, dachte sie.

"Bobo? Alles klar bei dir?" unterbrach Yasmine sie wieder. Sie sah fast etwas besorgt aus, dachte Bobo.

"Bei mir ist alles in Ordnung." sagte sie schließlich und schaffte es irgendwie, ein halbwegs überzeugendes Lächeln auf ihre Lippen zu zaubern.

Yasmine sah sie nur kurz skeptisch an und schüttelte dann den Kopf.

"Es wird echt mal Zeit, dass dich einer aus deinem goldenen Käfig herausholt. Manchmal habe ich das Gefühl, dass du hinterm Mond lebst."

Darauf konnte Bobo nichts erwidern. Yasmine war zwar ihre beste Freundin und lebte nur wenige Straßen weiter, doch ihre Welt war eine komplett andere as ihre eigene. Obwohl Yasmines Eltern wohlhabend waren, so gestatteten sie ihrer Tochter doch weit mehr Freiheiten als Bobos Eltern es taten. Sie trieb sich oft in den Ghettos herum und hatte dort wohl auch einige gute Freunde. Sie lief immer in komischen Klamoten herum; viel zu großen Jeanshosen, die sie 'Baggies' nannte, und bunte Kopftücher, die sie sich jeden Tag anders zu binden schien. Bisher war es ihr noch nicht gelungen, Bobo in ein solches Outfit zu stecken. Sie hatte lediglich etwas an Bobos Kleidung herumgezupft und es dann bei einem Kopfschütteln und der Bemerkung: "Wunder dich nicht, wenn die Leute dich komisch anschauen" belassen.

Bobo sah aus dem Fenster; ihre Umgebung hatte sich drastisch verändert. Die großen, erhabenen Villen, von denen sie selbst und Yasmine welche bewohnten waren modernen Hochhäusern, dann kleineren Familienhäusern und schließlich hässlichen, braungrauen Plattenbauten gewichen. Auch die Gestalten, die nach und nach zugestiegen waren, sahen wenig vertrauenserweckend aus; sie waren größtenteils zerlumpt, fast alle männlich, und sie starrten Bobo fast unverschämt an. Auch Yasmine erntete den einen oder anderen gierigen Blick, doch sie schien sich nicht darum zu kümmern. Wie konnte sie nur so ruhig sein?

Auch der strahlende Sonnenschein konnte nichts an ihrer trostlosen Umgebung ändern. Bobo machte sich, nicht zum ersten Mal, Gedanken, ob es richtig gewesen war Yasmines Bitte zu folgen und sie zu begleiten.
Nicht dass sie eine Wahl gehabt hätte.

"Was ist das noch einmal, wo wir hinfahren?" fragte sie schließlich.

"Wirst es schon sehen!" entgegnete Yasmine ihr zuckersüß grinsend.

"Jetzt heb deinen verwöhnten Hintern mal hoch, wir sind da."

In der Tat hielt der Zug an einer besonders heruntergekommen aussehenden Haltestelle, die komplett von einem riesigen, halb zerfallenen Mehrfamilienhaus überschattet wurde. Obwohl viele Fenster vernagelt oder glaslos wie eine leere Augenhöhle nach draußen starrten war doch zu Bobos Entsetzen hinter manchen dieser Fenster Leben zu erkennen. Diese Leute hier mussten lebensmüde sein!

Sie erhoben sich und verließen als letzte den Zug. Die Gestalten begannen sich zu Bobos Erleichterung rasch in verschiedene Richtungen zu zerstreuen; einige setzten sich auch einfach am Bahnsteig zu Boden und holten in braune Papiertüten verpackte Flaschen heraus. Gott mochte wissen, was sich darin befand.

Kurz bevor Bobo hinter Yasmine den Zug verließ fiel ihr ein weiterer Schriftzug auf, der auf der rechten Abtrennwand neben der Tür angebracht war. Es war der gleiche Zug von vorhin, diesmal jedoch mit schwarzem Stift geschrieben: 'Clash' stand dort, in dieser seltsamen, krakeligen und doch eleganten Schrift.
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feedback immer erwünscht; ihr solltet jedoch vorher die story 'Nach Hause lesen, damit ihr alles versteht, weil das der anfang der story ist, die ich später auch noch fortsetzen werde.
 
Re: Der Zug [Graue Wirklichkeit]

Ja, den Zug kenn ich doch...

Gut geschrieben aber doch etwas verwirrend, wegen mangelnder Personenkenntnis meinerseits...
 
Re: Der Zug [Graue Wirklichkeit]

das is ne fortsetzungsgeschichte, die personen sind neu ^^ aber zumindest eine davon wurde vorher schon erwähnt... lest einfach wies weitergeht sobald es kommt und dann werdet ihr schon alles verstehen :)
 
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