In diesem Zusammenhang noch die Frage:
Gibt es eine Möglichkeit, mit PROVOZIEREN den Gegner aus seiner Deckung hervorzulocken? Laut GE erhält man im Kampf ja bei erfolgreichem Provozieren +2 Bonus in seiner nächsten Aktion bzw. macht den Gegner bei einem raise angeschlagen. "Weichere" Nebeneffekte kann es "auch in Kampfsituationen" geben. Wäre das Herauslocken des Gegners aus der Deckung solch eine Möglichkeit? Vielleicht bei einem raise (anstatt dem angeschlagen; SL-Entscheid)? Oder müsste man da noch ein "Überreden" anfügen (= Mehrfachaktion), weil es doch einen deutlichen Nachteil für den Gegner darstellt?
So wäre es z.B. möglich, den Gegner durch Provozieren (evtl. mit kombiniert mit "Überreden") aus der Deckung zu "locken", damit die Kameraden diesen unter Beschuss nehmen (ist bei den Gegnern der Helden natürlich genau so möglich)? Oder wäre das eine deutliche Hausregel?
Diese Idee ist ja ganz nett, kommt aber aus SCHLECHTEN Filmen und eher (unfreiwillig) komischen Szenen darin.
Wenn jemand in wirklich guter, solider, schußfester Deckung - z.B. hinter einem Felsen - hockt, und wenn dieser Charakter weiß, daß jemand anderes ebenfalls in Deckung liegt und ihn UMLEGEN will, dann kommt er auch bei noch so einer an die Empfindsamkeit rührenden Beleidigung im "Aba Daine Mudda, ey, ..." NIE UND NIMMER aus der Deckung hervor, um sich erschießen zu lassen!
Das fände ich gerade für das an sich schon sehr tödliche Deadlands:Reloaded-Setting einfach unstimmig. Das ist mehr "My Name is Nobody" als "Todesmelodie" oder "Für eine Handvoll Dollar".
Daher sind die Effekte, die Test-of-Will-Manöver IM KAMPF haben, auch sehr klar geregelt: sie geben dem Akteur eine +2 auf seine nächste Aktion und bei einem Raise ist der Gegner sogar Angeschlagen. Das sind schon SEHR HARTE Vorteile für den Gewinner einer Test-of-Will-Aktion!
Wenn ein Charakter z.B. in Revolverschußreichweite in Deckung liegt, sein Gegner ebenfalls, dann sind die beiden nur einen guten SPRINT voneinander entfernt. Jetzt mittels Test of Will den anderen einschüchtern oder so provizieren, daß er Angeschlagen ist, dann vorstürmen, die nächste Deckung aufsuchen oder direkt hinter seine Deckung rennen und ihm ungedeckt eine vor den Latz ballern - mit +2(!) - dazu ist das Test-of-Will-Manöver bestens geeignet und vollauf ausreichend.
Blind in der Gegend rumzuballern ist bekloppt, weil man eben nicht wirklich ein Ziel auffassen kann. Ich halte die Regel in der SWDE auch für eine der - leider dort zahlreichen - unausgegorenen Ergänzungen, denn das blinde Feuern in der eingangs beschriebenen Situation kann einfach NIEMANDEN mehr gezielt treffen- auch nicht mit -4 Abzug!
Man vergleiche: Man SIEHT einen Gegner nur gerade mit seinem Kopf über eine ansonsten dichte Deckung schauen: Schuß mit -4 um ihn zu treffen.
Man SIEHT NIEMANDEN, sondern VERMUTET nur, daß ein Gegner eventuell dort im Busch oder da hinter dem Wassertrog oder vielleicht doch im Hühnerstall sein könnte: nach SWDE auch Schuß mit -4 um ihn zu treffen.
Also mir kommt die Blindfeuer-Regel in SWDE SEHR UNGLAUBWÜRDIG vor. - Selbst mit -8 Abzug würde ich ohne ein KLARES Indiz, daß sich der Gegner überhaupt hinter einer Deckung oder dergleichen befindet, keinen Trefferwurf als plausibel ansehen.
Wie Kardohan schon sagte: Erst ein Notice-Wurf (auch als Multi-Action), um überhaupt herauszubekommen, wo im Groben der Gegner sein könnte. (Es raschelt im Hühnerstall, nicht im Gebüsch und nicht hinter dem Wassertrog.) und DANN ein Schuß mit -8 Abzug, weil ja ein Schuß in einen Bunker, in dem man einen Gegner noch hinter einem Sehschlitz sehen kann, schon -6 Abzug bedeutet, aber den Gegner im Hühnerstall kann man nicht einmal sehen! Also bei mir eher -8, aber nur nachdem der Notice-Wurf erfolgreich war!
Leider sind in der SWDE zahlreiche Verschlimmbesserungen enthalten, die regeltechnisch total vermurkst sind und komplett unglaubwürdig sind. (Auch der Zusatzschaden bei Raise auf Flächeneffekte, die Wirksamkeit von Rüstung gegen Flächeneffekte, die volle uneingeschränkte Bewegung im Shaken-Zustand, usw. gehören alle mit dazu.)
Nochmal zum "Herauslocken" eines Gegners hinter einer Deckung. - Das nur mit einem einfachen, simplen Würfelwurf hinzubekommen, halte ich für ausgesprochen problematisch.
Man stelle sich einfach die umgekehrte Situation vor: Ein SC wird von mehreren Gunmen verfolgt. Die legen mit ihren Gewehren, Schrotflinten und Revolvern auf ihn hinter seiner Deckung an. Es sind sechs Gunmen gegen einen SC hinter schwerer, solider, undurchschießbarer Deckung.
Alle sechs Gunmen sind On Hold. Einer agiert und sagt "Du Alda, daine Mudda, ..." und macht einen Taunt-Wurf. Der nicht so schlaue SC würfelt dagegen und der Taunt hat einen Erfolg mit Raise.
Nun sagst Du als SL zum Spieler: "Dein Charakter springt hinter der Deckung empört über die Beleidigung auf. Würfel mal Geschicklichkeit, denn nun wollen die fünf verbleibenden Gunmen Dich unterbrechen und in ein Sieb verwandeln."
Möchtest Du WIRKLICH nur allein mit einem Test of Will-Resultat einen SC eines Spielers komplett auslöschen? - Was sagen denn Deine Spieler dazu?
Wäre der Charakter hinter dem Felsen "nur" Angeschlagen, dann könnten die Gunmen immer noch versuchen rüberzusprinten, aber der Spieler könnte JEDERZEIT einen Bennie ausgeben und das Angeschlagen-Resultat aufheben und - auf seiner Karte - sogleich agieren! Damit hätte er noch eine Fighting-Chance.
Mit dem erzwungenen Aufspringen aus der Deckung, weil er ja ach so schlimm provoziert wurde, hätte er diese Chance nicht!
Beleidigen, Provozieren, etc. - die weicheren Effekte passen da besser ABSEITS von Kampfszenen hin. In einem Kampf um Leben und Tod ist es sehr unglaubwürdig, daß sich ein NSC wegen einer solchen Beleidigung einfach aus der Deckung begibt. - Das kommt nur in SCHLECHTEN Filmszenen vor!
Und willst Du wirklich Bud Spencer und Terence Hill als Maß für Deine Deadlands: Reloaded-Schießereien nehmen?
Was übrigens den Slapstick-Effekt anbetrifft: Die obigen sechs Gunmen könnten natürlich nach SWDE auch alle mit Volldampf einfach mal mit -4 blind auf den SC hinter der soliden Deckung feuern. Immerhin wissen sie ja, daß er hinter dem Felsen hocken muß. Und -4 bei sechs Leuten, da wird schon ein Trefferwurf eine 8 oder mehr ergeben!
Wollten sie es wirklich wissen, dann wäre ja immer noch die Möglichkeit Rapid Attack nach SWDE plus Blind Firing gegeben: -4 für Rapid Attack und -4 für Blind Fire, macht -8 auf jeden Trefferwurf. Aber bei sechs Gunmen sind dies - je nach Fassungsvermögen der Waffen - bis zu 36 Angriffswürfel!
Die Chance einfach so per Zufall den SC hinter der Deckung nach SWDE-Regeln zu treffen beträgt bei Shooting d8 als Fertigkeitswert der Gunmen
über 95% für mindestens 1 Treffer, über 80% für 2 oder mehr Treffer und immer noch ca. 60% für 3 oder mehr Treffer.
EIGENTLICH sollte aus spielweltinterner Logik aber KEIN EINZIGER Treffer möglich sein, weil ja die Deckung undurchschießbar ist.
Doch die SWDE-Regeln bewirken eine Art
quantenphysikalischen TUNNELEFFEKT für die Projektile, so daß sie mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eben auch soliden Stein durch eine Art "Warp-Tunnel" passieren können und eben doch den dahinter Kauernden treffen können.
Ist jetzt vielleicht klar geworden, warum ich diese SWDE-Regelung für BEKLOPPT halte?