Rollenspieltheorie D&D ist kein Rollenspiel! [Wick versus Pundit]


I know rite?!

Wäre irgendwie alles einfacher und weniger aufgeblasen gewesen, wenn er das Ganze mit "hallo, ich bin Game Designer John Wick und hier erzähle ich euch jetzt von meiner neuen Agenda und wie ich von jetzt an Games designen werde!" angefangen hätte, ohne diesen ganzen Absolutheitsanspruch. Dann hätten die Leute gesagt "okay, John Wick. Good for you!" und wir müssten uns nicht schon wieder ein neues Hashtag für den neuesten Eklat ausdenken..
 
Nun hat zwar der Pundit auch nicht unrecht, dass sich mit jedem Spiel letztlich Rollenspiel betreiben lässt. Aber es lässt sich auch feststellen, dass die sehr mechanischen Taktikspiele wie D&D Spieler anziehen, die gerade an der Mechanik Interesse haben, und (wenn überhaupt) nur sekundär am Rollenspiel.
Spieler, die kein Interesse an Rollenspiel haben, spielen überhaupt kein D&D, sondern Skirmish-Tabletop-Games wie Descent: Die Reise ins Dunkel oder World of Warcraft: The Board Game.

Beim typischen D&D-Spieler mögen die Schwerpunkte anders liegen als bei dir (nämlich ein größeres Gewicht auf Mechanik und Taktik, ein geringeres Gewicht auf dem Entwickeln einer Geschichte), aber deshalb sind sie nicht weniger Rollenspieler als du. Ich habe noch keine einzige Runde erlebt, in der wirklich nur taktisch gekloppt wurde, vollkommen losgelöst vom Rollenspiel. Es gab durchaus Runden, wo mir der erzählerische Anteil zu gering war und wo mir zu viel gekloppt wurde, aber es war immer beides da. Ich habe auch schon Runden erlebt, in denen das Rollenspiel lediglich in frei schwebenden Atmosphäreszenen erlaubt war, normalerweise in Runden, wo der SL fürchtete, seine schöne Geschichte könne den Kontakt mit den Spielern nicht überleben. Sowas geht mir ebenfalls auf den Keks - ich mag Atmosphäreszenen zwischendurch gerne mal, aber gelegentlich soll das Spiel bitte auch zur Geschichte beitragen. Wenn ich belanglos plauschen will, brauche ich dafür keine fremde Rollen annehmen, das geht mit Nachbarn und Kollegen hervorragend.

Die Verbindung beider Bestandteile (also Geschichte und taktische Regeln) unterscheidet mMn das Rollenspiel auch von anderen Formen des gemeinsamen Geschichtenerfindens. Sehr erzähllastige Spiele wie Fiasko, Durance oder Polaris kombinieren sogar exakte Regeln mit dem Ziel, eine Geschichte zu erzählen.
 
Nur so als Hinweis: Nicht alle Editionen von D&D sind so regelintensiv wie die 3 und 4 E und gerade früher war sich durch denDungeon zu hacken wie die Axt im Walde auch nur Garant dafür sich möglichst häufig einen neuen Charakter zu bauen...
 
Im idealen Fall ist Rollenspiel so ausgelegt, dass die rollendarstellenden und die "spieligen" Teile einander gegenseitig beflügeln und zu Höhen treiben, die weder "regelloses Theaterspiel" noch rein auf die Mechaniken reduziertes "Brettspiel" für sich alleine genommen erreichen.

Das ist, was ich jahrelang als Abenteuerrollenspiel gepredigt habe. TRoS ist nach wie vor mein Idealbild für diese Spielweise (wenn auch eher etwas für One-Shots und Kürzestkampagnen als für normales Spiel), aber ich denke dass D&D gerade mit der aktuellen fünften Edition mit seinen Inspirations noch näher daran herangerückt ist.

Nein, aber das klingt süß,... Link?
Wie wäre es mit Kätzchen und Hundewelpen?
 
Ich finde das ziemlich genial. Es dreht den Schwachfug, den Pundit und Co. über Storygames verzapfen in herzerwärmender Weise um. Und die Argumentation ist durchaus cleverer als die jener Flachpfeifen.
 
Sollte es eine Retorte sein und nicht sein tragischer ernst so kommt sie lediglich ein paar Jahre zu spät.
Wobei ich derzeit durchaus annehme das es weniger eine Retorte darstellt sonder es ihm tatsächlich ernst ist.
Zudem vermag ich nicht in dem Text eine Cleverness festzustellen. Auch keine welche sich gegenüber der Antwort von Pundit auszeichnet.
 
Charakterspiel =/= Storyspiel.
Wer sich taktisch ineffektiv verhält, weil es charaktergerecht ist, ist bei mir - nur um meinen Spielstil mal als Beispiel zu nehmen - wohlgelitten. Wer sich taktisch ineffektiv verhält, um eine Story zu erzählen, nicht - wiederum, das ist mein eher simulationistischer Spielstil.
Natürlich darf sich der Spieler im ersteren Falle nicht wundern, wenn die Gruppe hartgesottener Kommandosoldaten, mit denen sein Charakter so rumhängt, ihn fortan in Gefahrensituationen behandelt wie Klein-Doofi mit Plüschohren...

Bei dir als Simulationist leuchtet mir das ein, aber machen Taktikspieler diese Unterscheidung überhaupt? Wird da nicht jeder der 'suboptimal' spielt zum Taschenlampenfallenlasser deklariert?

Das wäre in der Tat sehr unsinnig - der Charakter sollte wohl eher ein Taschendieb sein. Den könnte man sogar sehr gut in D&D darstellen.

Nicht so ganz. Es ist mir selbst in Pathfinder (das ich mal lobend wegen seiner immensen Erweiterung der Möglichkeiten bei der Charaktererschaffung und Ausgestaltung erwähnen muss; leider ist es halt immer noch ein Klassen&Stufen-System) noch nicht gelungen, eine Rogue-Variante ohne Sneak Attack zu finden. Das pusht den Char doch recht stark in eine bestimmte Richtung. Ich hab vor Jahren hier sogar mal nen thread deswegen eröffnet.

Der Fluch bei D&D ist, dass "Powergaming" hier so einladend simpel ist - man muss gar nicht soviel nachdenken um die effektiven Mechanismen zu finden - darum wird es auch eher als Taktisches Kriegsspiel wahr genommen.

Es liegt auch an dem was John Wick anprangert: Ich kann D&D wie ein Brettspiel spielen, die Regelmechanik unterstützt das, im Gegensatz zu Charakterspiel. Kämpfe mit Bodenplänen und Miniaturen sind ohnehin das reinste Tabletop.
(D&D5 hab ich mir noch nicht angesehen, wohlgemerkt, kann mir aber kaum vorstellen dass es da gravierend anders ist)
 
Die Aussage das man D&D wie ein Brettspiel spielen kann weil es Bodenpläne und Miniaturen unterstützt ist vollkommen absurd.
Ebenso wie das Konstrukt eines Widerspruch aus Charakterspiel und und Regelmechaniken.

Gerade wenn man berücksichtigt das V:tM by the book ebenfalls sowohl Bewegungsreichweiten wie auch Flankieren unterstützt.
Vom Powergaming Ansatz welcher zu der Wortschöpfung "Superhereos with fangs" führte ganz abgesehen.
 
Wobei ich im.Falle von Masquerade annehme, dass nicht etwa profunde Regeln der Grund für das "Superheroes with Fangs"-Phänomen sind, sondern die Nichtexistenz dieser...bzw. die subjektiven Auslegungsmöglichkeiten aufgrund von zu vagen und konfusen Regeln.
 
Einmal fies formuliert.
Bei D&D muss man seinen Verstand anstrengen um zu powergamen.
Bei V:tM geht das wesentlich einfacher,.. durchaus auch mit den paar harten Regeln [Generation].
 
Einmal fies formuliert.
Bei D&D muss man seinen Verstand anstrengen um zu powergamen.
Bei V:tM geht das wesentlich einfacher,.. durchaus auch mit den paar harten Regeln [Generation].
Ich seh das genau andersrum. Bei VtM konnte man doch gerade durch sehr kreative Disziplinsanwendung punkten. Das erfordete aber eben Phantasie und Grips.
 
Ich seh das genau andersrum. Bei VtM konnte man doch gerade durch sehr kreative Disziplinsanwendung punkten. Das erfordete aber eben Phantasie und Grips.
Geschwindigkeit und Stärke brauchen weder Phantasie noch besonderen Grips.
Ebensowenig wie Gestaltwandeln oder Verdunkelung. Das sind eher no-brainer.

Allenfalls braucht man etwas Fleißarbeit um sich aus den Splats die fettesten und (by the book) überpowersten Disziplinen oder Thaumaturgie Pfade raus zu suchen.
Selbst da nimmt einem White Wolf dann mitunter einem das denken ab und schiebt einmal die Stadt-Gangrel mit Geschwindigkeit, Gestaltwandeln und Verdunkelung rüber. Für die paar Leute die nicht zuvor auf den Gedanken kamen das ein Überraschungsangriff (gesenkte SW, keine Gegenreaktion in der ersten Runde), mit schwerheilbaren Schaden und mehreren Aktionen in der ersten Runde eine power Fantasy ist.

Einen D&D Charakter zum Powerschwein zu optimieren ist da doch wesentlich schwieriger,..
 
Bei dir als Simulationist leuchtet mir das ein, aber machen Taktikspieler diese Unterscheidung überhaupt? Wird da nicht jeder der 'suboptimal' spielt zum Taschenlampenfallenlasser deklariert?
Erstmal: Ich würde mich nie kategorisch als SIM bezeichnen. Pure Spielstile gibt es meiner Erfahrung nach in der Praxis nicht, und Wicks Annahme, dass dem doch so sei, ist eines der gravierenden Probleme in seiner Polemik. Alle Runden, die ich bisher hatte, haben entweder in einer einzelnen Spielphase die einzelnen Elemente mit unterschiedlicher Gewichtung gemischt oder sie haben bestimmte - im Regelfall gamistische - Elemente in annähernder Reinform nur phasenweise eingeschoben. (Beispiel Mechwarrior: Lange Strecken hinweg pures Charakterspiel, bei dem selten auch nur ein Würfel angefasst wurde - gefolgt von knallhart nach Brettspielregeln ablaufenden BattleTech-Gefechten.)
In einer hypothetischen rein gamistisch-taktischen Runde - oder realitätsnäher in einer so aufgefassten Spielsituation - würde man das in der Tat nicht differenzieren. Wenn Du da bewußt suboptimal spielst, machst Du was falsch.

Nicht so ganz. Es ist mir selbst in Pathfinder (das ich mal lobend wegen seiner immensen Erweiterung der Möglichkeiten bei der Charaktererschaffung und Ausgestaltung erwähnen muss; leider ist es halt immer noch ein Klassen&Stufen-System) noch nicht gelungen, eine Rogue-Variante ohne Sneak Attack zu finden.
Waaaaa? Das gab's doch schon in 3.5 (Unearthed Arcana, Martial Rogue.)

Es liegt auch an dem was John Wick anprangert: Ich kann D&D wie ein Brettspiel spielen, die Regelmechanik unterstützt das, im Gegensatz zu Charakterspiel. Kämpfe mit Bodenplänen und Miniaturen sind ohnehin das reinste Tabletop.
Du kannst das zugegebenermaßen einen beträchtlichen Anteil ausmachende Kampfsystem vieler D&D-Varianten wie ein Brettspiel spielen, ja. Das gilt für viele andere Kampfsysteme - und auch andere Subsysteme - in anderen Spielen auch. Bei manchen ist es auch ein Kartenspiel, bei vielen nur ein einfaches Würfelspiel - noch ein Grund, warum der "Brettspiel"-Vorwurf irreführend ist. Was Wick (augenscheinlich) meint, hat nichts mit dem Vorhandensein eines Spielplans zu tun.
 
Die Aussage das man D&D wie ein Brettspiel spielen kann weil es Bodenpläne und Miniaturen unterstützt ist vollkommen absurd.

Das hab ich ja auch so nicht gesagt. Die Bodenpläne sind ein Symptom, nicht die Ursache.

Ebenso wie das Konstrukt eines Widerspruch aus Charakterspiel und und Regelmechaniken.

Das ist nicht mein Konstrukt sondern das derjenigen, die die gamistischen Mechaniken entwerfen. Dass viele Leute sagen, bei Charakter- oder auch Storyspiel brauchen sie die Regeln und Würfel nur recht selten, sollte auch dir schon aufgefallen sein.

Erstmal: Ich würde mich nie kategorisch als SIM bezeichnen. Pure Spielstile gibt es meiner Erfahrung nach in der Praxis nicht, und Wicks Annahme, dass dem doch so sei, ist eines der gravierenden Probleme in seiner Polemik.

Meiner Erfahrung nach tummeln sich bei den Taktikfans gerne die reinen Gamisten, die tatsächlich ein Rollenspiel, überwiegend D&Deske, nur zur leichtfüssigen Abwechslung zwischen ihren Tabletoprunden und MMORPGs spielen...

In einer hypothetischen rein gamistisch-taktischen Runde - oder realitätsnäher in einer so aufgefassten Spielsituation - würde man das in der Tat nicht differenzieren. Wenn Du da bewußt suboptimal spielst, machst Du was falsch.

Das ist dann in der Tat die Einengung des Rollenspiels auf diesen einen Aspekt, wenn ich in einer Kampfsituation (oder Beinarbeit, oder detektivistischem Problem...) nicht mehr überlegen darf: Wie beeinflussen Charakterzüge, Zustand, Ängste und Motivationen jetzt die Handlungen meiner Figur?

Waaaaa? Das gab's doch schon in 3.5 (Unearthed Arcana, Martial Rogue.)

Ah tatsächlich... ist sogar in der SRD. Danke für die Erleuchtung (auch wenn da der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben wird).
 
Du konntest White Wolfs Street Fighter RPG beispielsweise problemlos auch ohne RP (oder Würfel) spielen und einfach nur Kämpfe durchführen. Das haben wir seinerzeit gerne in Freistunden in der Schule gemacht. #anekdote
 
Nette Graphik zu dem Thema:
sea%2Bof%2Bfun2.png
 
John Wick quatscht mit Zak S. mittels Hangout über das Thema:


Aussagen von Rollenspielern welche sich das Video ansehen nach zu folge ist die Diskussion gesitteter und intelligenter als der Blogeintrag.
 
Das hab ich ja auch so nicht gesagt. Die Bodenpläne sind ein Symptom, nicht die Ursache.

Nun ja...
Die Bodenpläne allein sind nicht das Symptom. Bodenpläne hat es zu AD&D1- und AD&D2-Zeiten schon gegeben - Games Workshops Dungeon Floor Plans, Endless Games' Endless Plans, später in Deutschland Flying Games' VerliesBaumeister.
Aber die Regeln waren nicht auf Pläne und 5' Steps ausgelegt, weshalb viele Runden diese Pläne nur als Visualisierungshilfe verwendeten und im Großen und Ganzen doch "Theater of the Mind" spielten.

In 3.x und noch viel mehr in 4e stehen Kampfpositionen als "Squares" in den Regeln, Feats und Powers.
In 4e gibt es so gut wie keine "Utility Powers" (oder Spells) mehr, jeder Regeleffekt zielt auf eine klare Situation in einem Kampf auf einem Karoraster ab.

Wenn man einen Hammer hat, sieht jedes Problem wie ein Nagel aus.
Wenn die Regeln einem Karoraster so viel Bedeutung beimessen, dass sie es in -zig Detailregeln betonen (oder die Regeln ohne dieses Raster kaum anwendbar sind), darf man sich nicht wundern, wenn sich das Spiel nur noch um die möglichst effektive Anwendung genau dieser Regeln dreht.

Für mich ist die größte Ironie, dass die Modernisierungen des Systems (3e und 4e) D&D viel mehr zu dem gemacht haben, was Kritiker ihm 20 Jahre lang vorher vorgeworfen haben (Dungeons, Hack-and-Slay, Sammeln von Magic Items, Minmaxing)...
(AD&D1 hat mit Dragonlance das charakterzentrierte Dramaspiel hervorgebracht...)
 
Irgendwie amüsiert mich das Thema, eine riesige Diskussion und ich kann den Punkt nicht sehen. Es liegt doch immer an den Leuten mit denen ich spiele... Aber egal. Kürzlich haben wir eine Runde Carcassonne gespielt und sind dabei ins Rollenspiel geglitten. Nur mal so am Rande...
 
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