yennico hat tatsächlich alle relevanten Punkte sehr deutlich aufgezeigt.
Ich kommentiere nur ein paar davon noch ein wenig.
Ein niedriger Konstitutionswert beeinträchtigt den Charakter massiv. Der Charakter hat durch den niedrigen Konstitutionswert eine niedrige Robustheit. d.h. wenn er mal getroffen wird, dann gibt es auch einfach eine oder mehrere Wunden. Durch den niedrigen Konstitutionswert kann der Charakter die Wunden auch nicht so leicht soaken und er erhält so schnell Abzüge durch Wunden. Diese Wundabzüge führen dazu, dass der Charakter später im Kampf nicht mehr viele erfolgreiche Aktionen macht.
Nicht nur "im Kampf"!
Ein Charakter mit einer so extrem schlechten Konstitution hat das Problem, daß er neben geringer Robustheit, also einer niedrigeren Schwelle zum Angeschlagen-Zustand oder um verwundet zu werden, eben auch noch
schlechtere Chancen bei NATÜRLICHER HEILUNG hat. Da nicht zu erwarten ist, daß ein Heiler in der Gruppe wirklich jede Wunde eines so schwächlichen "Fallobst"-Charakters sofort in der Goldenen Stunde beseitigt, wird dieser oft mit länger anhaltenden Wunden und Folgen schwerer Verletzungen (Verstümmelungen usw.) herumlaufen, die er sich durch die vielen Außer Gefecht verbrachten Kampfsituationen zugezogen hat. Unterdurchschnittliche Konstitution bedeutet, daß auch die Natürliche Heilung, die ja ebenfalls ein Konstitutions-Wurf ist, mit W4 (und Wildcard-Würfel) und den aktuellen Wundstufen als Abzügen erfolgt. Solche Charakter bleiben erfahrungsgemäß SEHR LANGE auf ihren Wundstufen und ggf. Verletzungen und Verstümmelungen sitzen.
Ich habe schon öfter diese Erfahrung in Gruppen gemacht, wo ein Charakter als "Alt" seinen miesen Konstitutions-Wert auch nie mehr steigern konnte. Da muß sich der Spieler daran gewöhnen, daß er eben auch außerhalb des Kampfes STÄNDIG auf ALLE Würfe -1, -2 oder gar -3 an Wund-Abzügen mitschleppt. -
Solche Abzüge tun in SW schon enorm Abbruch an der Charakterkompetenz auch in nicht-kämpferischen Aktionen.
So etwas gilt es einem SW-Anfänger klar zu vermitteln.
Beispiel: Deadlands: Noir - der an sich gute Ermittler (Recherche W8, Umhören W8) laboriert schon die zweite Woche mit -2 Wund-Abzügen herum. Die Folge (nach den Ermittlungsregeln von Deadlands:Noir) ist, daß alle seine Ermittlungsaktionen länger dauern, mehr kosten und weniger Informationen hervorbringen, weil der -2 Abzug eben so heftig ist. Der Ermittler-Charakter kann aufgrund seiner "Fallobstigkeit" somit nicht mehr richtig als Ermittler funktionieren.
(Bei Deadlands:Noir kommen dann auch noch häufig Verstümmelungen oder Verletzungen vor, weil hier "Gritty Damage" als Settingregel gesetzt ist, welche schon bei der ersten Wunde den Charakter massiv und oft genug längerfristig beeinträchtig. - Aktuell in unserer neuen DL:Noir-Hangout-Kampagne: Der einzige in der Gruppe, der ein Boot steuern kann, hat BEIDE Arme zerschossen bekommen. Und die Charaktere sind mitten in einem Sumpfgebiet, wo nicht ganz einfache Boating-Würfe anfallen. Das wird noch echt heikel da wieder zurück in die Zivilisation zu kommen.)
Auch ein Punkt: Derart unterdurchschnittliche Konstitution sorgt in Situationen, wo man mit
Seuchen, Gift, radioaktiver Strahlung oder auch nur häufigen
Erschöpfungs-Würfen konfrontiert wird, daß der Charakter ZUSÄTZLICH zu den Wunden, die er mitschleppt, ständig noch
mit 1 oder 2 Erschöpfungsstufen rumläuft, die noch mehr von seinen Würfen abziehen. - Und bei Giften oder Krankheiten kann er diesen eh kaum widerstehen und kratzt daran ebenfalls schneller ab als alle anderen.
Ein Irrtum von Savage Worlds Neulingen kann sein, dass sie denken, dass die Fertigkeit Kämpfen nur zum Benutzen einer Waffe oder dem Angriff einer Waffe oder Waffenlos gebraucht wird.
Gerade Zauberer haben auch ab und an Zauber, die eine BERÜHRUNG des Ziels erfordern. Hier ist ein
Berührungsangriff mit +2 Modifikator angezeigt. - Hat man nur W4-2 Kämpfen und muß man den Berührungsangriff gegen die Parade des Gegners ausführen (meist 5 oder mehr - selbst bei Extras), dann sieht es sehr schlecht aus da noch Erfolg zu haben. Schon W4 Kämpfen macht den Erfolg deutlich leichter.
In Savage Worlds sollte jeder Kämpfen als Fertigkeit können, denn im Kampf sollte sich keiner drücken (auch wenn man Kämpfen nur zum Ausweichen benutzt)
Das kann ich so NICHT unterschreiben.
Es gibt durchaus Settings, in denen es vom Charakterkonzept her UNPLAUSIBEL ist, wenn ein Charakter Kampftraining hätte. Nur sind solch Settings meist KEINE Abenteuer-Fantasy-Kampf-Action-Settings!
In
Taysals PAX-DELTA-Science-Fiction-Setting, einem eher Hard-Sci-Fi-Setting für SW, sind die SCs Kolonisten (des Kolonialschiffs PAX DELTA). Diese sind
ZIVILISTEN unterschiedlichster Berufe. Daher ist in diesem Setting sogar recht üblich, daß Charaktere
ohne die gängigen "Abenteuerer-Fertigkeiten" wie Kämpfen, Schießen, Werfen usw. herumlaufen. Dafür ist das Setting aber auch nicht kampflastig oder kampforientiert, sondern eher auf Problemlösung und findige Vorgehensweise im Umgang mit oft schnell tödlichen Gefahren (Vakuum, Seuchen, Chemie-Gifte, usw.) ausgerichtet.
Auch in
Realms of Cthulhu passen Charakterkonzepte des "Bücherwurms", der sich mit okkulten "Klassikern" auskennt, oder ältliche gelehrte Professoren bestens rein. Diese Charaktere bekommen es aber oft genug eben gerade NICHT mit Kampfsituationen zu tun, sondern sind vornehmlich mit Problemlösung (okkulter Art) befaßt und brauchen zudem gehörige geistige Nehmerqualitäten, um dem Wahnsinn durch den Kontakt mit unaussprechlichen Schrecken zu widerstehen. - Klar kann man auch in RoC herumballern oder - wie langweilig - Kultisten zerhacken. Aber das machen dann andere Charakterkonzepte - und vermutlich lassen sie den Bücherwurm beim Angriff auf den Tempel der Kultisten dann auch sinnvollerweise zuhause, denn sonst kratzt der ja gleich vom ersten Schlachtermesser, daß ihm ein Kultist reinhaut, ab.
Es stimmt aber, daß in SW SEHR VIELE Settings nach dem Konzept "Jeder kämpft! Keiner drückt sich!" auf Action, physischen Konflikt und klassische Abenteurer-Strapazen ausgerichtet sind.
Wenn ein Charakter, der nicht die Fertigkeit Kämpfen hat und auch noch Konstitution W4 und keine Rüstung trägt (was schlechteres als diese Kombination im Kampf kann es gar nicht geben), in einem Standard Fantasy Setting ein oder gar mehrere Kampfencounter überlebt, dann stimmt etwas nicht. Es könnte sein:
1. Der SL war zu weich und die Begegnung nicht herausfordernd genug
2. Der Spieler dieses PCs hatte Würfelglück und das Überleben seines Charakters hat viele Bennies gekostet, die nächste Begegnung wird dieser Charakter, der keine Bennies mehr hat, nicht überleben.
3. Die anderen Spieler haben diesen Charakter vor den Gefahren beschützt
4. Das Setting ist nicht so gefährlich wie eigentlich angenommen.
Gerade der Punkt 3 ist sehr wichtig.
Ein LUSCHEN-Charakter, der sich als LAST und BELASTUNG, ja geradezu als GEFAHR für die anderen SCs erweist, macht der gesamten Gruppe das Überleben und Überstehen eines Abenteuers schwerer, als es bei einem "Nicht-Dauerpflegefall"-Charakter der Fall wäre.
Ein Charakter mit Konstitution W4 und Parade 2 wird einfach dauernd als PFLEGEFALL herumlaufen, um den sich alle anderen in der Gruppe kümmern müssen. Er zieht Aufmerksamkeit ab, kostet Ressourcen, schränkt die anderen Spieler in den möglichen Handlungen und Entwicklungen ihrer Charaktere ein.
Aber, wie ich schon woanders mal ausgeführt hatte, sind es ja
NICHT die Luschen-Charaktere, die das Problem darstellen, sondern deren SPIELER!
Es sind die Spieler, die sich einen solchen Charakter, der die gesamte Gruppe herunterzieht, ganz bewußt so inkompetent, überlebensuntauglich und schutzbedürftig gebaut haben, welche die LUSCHEN sind! - Es sind nämlich
besonders EGOISTISCHE Spielertypen, die solche Charakterkonzepte auf Krampf spielen müssen, selbst wenn sie weder ins Genre, noch ins Setting passen.
Das ist unabhängig vom Regelsystem. Luschen kann man in so gut wie jedem Regelsystem spielen - die gesamte Gruppe kann man in so gut wie jedem Regelsystem durch solche Spotlight-Raffer stören.
Es gibt noch negative Steigerungen dieses Charakterkonzepts, die ich noch schlimmer finde.
Der Magier hat auch noch Stärke W4 und alles ist in Verstand geflossen.
Geht noch weiter: Geschicklichkeit W4, Stärke W4, Konstitution W4 - Das ist ein Charakter, der regelrecht GEBRECHLICH ist. Zusammen mit Elderly als Hindrance ist dann auch Stärke und Konstitution nie mehr steigerbar. Das ist ein Charakter, der schon mit anderthalb Beinen im Grab steht. Mit Parry 2, d.h. ohne Fighting, wäre nur noch der Kopf aus der Grube sichtbar.
Interessanterweise habe ich von einem von mir SEHR geschätzten Spieler, der auch wirklich tolles Charakterspiel präsentiert, für die DL:Noir-Kampagne genau solch einen Charakter präsentiert bekommen. Elderly, Agility d4, Strength d4, Vigor d4, Parry 2. - Ich hatte ihm die Konsequenzen dieses Konzepts erläutert, worauf er immerhin Fighting d4 und damit Parry 4 bekam. Zudem läuft der Charakter, der ein 30er-Jahre Voodoo-Magier ist, mit einem Langstock herum, der nochmal Parry +1 gibt, somit effektiv Parry 5. - Trotzdem ist durch die miese Konstitution der Charakter ein "Dead Man Walking". Aber durch geschickten Einsatz der "Defend"-Aktion (+2 Parade) gelang es ihm bisher in den bei DL:Noir seltenen, dafür aber umso tödlicheren Auseinandersetzungen ungeschoren zu bleiben, OHNE daß ihn jemand als "Bodyguard" die ganze Zeit "pampern" mußte!
Ein geschickter Spieler kommt mit solch einem Charakterkonzept auch OHNE eine Belastung für seine Mitspieler zu sein, durch.
Ich finde das von Vasant geschilderte Charakterkonzept des Magiers egozentrisch, egoistisch und in den seltensten Fällen Gruppenkompatibel.
...
Die wirklich schlimmen Nachteile dieses Charakterkonzepts sind, dass damit die andere Spieler in ihre Spielweise, ihren Charakterbau und -weiterentwicklung, Aktionen im Kampf deutlich eingeschränkt sind.
Nochmals bekräftigend: JA! Genau das sind die Auswirkungen auf den Rest der Gruppe.
Wie ich oben schrieb: Es hängt natürlich SEHR am jeweiligen Genre und konkreten Setting, wie stark negativ ein solchermaßen unterdurchschnittlich überlebensfähiger Charakter im eigentlichen Spiel auffällt.
Aber gerade die einleitende Regelfrage aus einem üblichen, abenteuerlichen Fantasy-Setting - Wie kann ein Krieger einen Magier, der nicht kämpfen kann, Fallobst ist und schnell sterben wird, vor einem herankommenden Gegner beschützen? - zeigt ja schon sehr gut, daß der Krieger sich in seinen Aktionen KOMPLETT der "Bedürftigkeit" des Luschen-Charakters unterordnen muß. Sehr unschön.