Nepharite schrieb:
Diese These ignoriert, dass sich die Bedeutung von Begriffen und Namen wandelt/wandeln kann. Antifa ist das, was sich heute als Antifa definiert und antifaschistische Leitbilder vertritt und insofern sind "Falsch" und "Richtig" Wertungen, die knapp an der Realität vorbeigehen.
Da muss ich widersprechen: ANTIFA ist, im Auge der Öffentlichkeit, nicht nur dass, was sich ANTIFA nennt, sondern auch das, was das ANTIFA-Bild maßgeblich bestimmt. Außerdem habe ich den Bedeutungswandel mitgemacht; ich schrieb schließlich: Linksradikale, Steineschmeißer und unbedarfte. Wäre ich bei den Anfängen geblieben, hätte ich es bei Linksradikalen (Kommunisten) belassen müssen. "Was sich heute als ANTIFA definiert" stellt sich in jedem Fall in diese Tradition und distanziert sich auch nicht von den Steineschmeißern, ist also bestenfalls "politisch unbedarft" und macht sich (unabsichtlich?) mit Gewalttätern gemein.
Nepharite schrieb:
BtW: Wer ein wirkliches Fascho-Spiel sehen möchte, dass sich in Tabletoper-Kreisen breiter Beliebheit erfreut, sollte sich WH40k antun. Im Vergeich zu den Spacemarines sind Werwölfe Waisenknaben ...
Da gebe ich dir mal einfach auf der ganzen Linie Recht.
Ivan_of_the_Shadows schrieb:
Dein Vergleich von Störkraft mit Werwolf zeugt von großer Unkenntnis der Unterschiede verschiedener Medien. Schließlich haben wir es bei einem Rollenspielsystem, bzw. speziell bei Werwolf mit einem Text zu tun, dessen Worte nicht völlig unmittelbar wörtlich zu nehmen sind - aus vielerlei Gründen. Da ist eine ironische Brechung und der spielhafte Charakter des Ganzen, den Du nicht akzeptieren kannst. Es ist eben doch ein Unterschied, ob dieses Regelsystem ein vom Spieler zu verarbeitendes Weltbild konstruiert, und somit eine Auseinandersetzung damit ermöglicht (Stichwort: Interaktivität) oder ob man zB Musik hört, was eine andere Art der Rezeption und Verarbeitung voraussetzt.
Wohlformulierter Senf. Die Unterschiede der Medien sind nämlich ganz und gar irrelelvant, wenn man die transportierten Inhalte kritisiert - und wo wir gerdade beim Inhalt sind, sonderlich viel "Ironische Brechung" ist bei Werwolf nicht zu finden, die lügst du dir zusammen. Im übrigen wirfst du hier einiges durcheinander: Ein Spiel lädt im Gegensatz zu "Kunst", und Musik hat hier als Kunst zu gelten, nicht automatisch durch sein Vorhandensein zur intelektuellen Reflexion ein. Es lädt dazu ein ... zu spielen; und zwar nach und mit dem gelieferten Material. Der Reflexionsprozess setzt bei Musik also viel direkter ein, als bei einem Spiel, ganz im Gegenteil zu dem, was du sagst. Warum die Worte von Werwolf "nicht unmittelbar wörtlich" zu nehmen sein sollen, geht aus deinem Text nicht hervor, da "ironische Brechung" nicht stattfindet und Reflexion nicht zwangsläufig, ja nicht einmal wahrscheinlich durchgeführt wird, zumindest nicht im Bereich der politischen Implikationen. Das "Stichwort
Interaktivität" führt hier übrigens auch nicht weiter. Interaktivität macht die faschistoiden Ideen in Werwolf kein bisschen besser, ungefährlicher oder geschmackvoller.
Das soll jetzt übrigens nicht halten, dass ich Störkraft für küntlerisch Wertvoll halte, aber sie machen Musik und können nach denselben Kriterien bewertet werden, wie andere Musiker, die auch Texten.
Ivan_of_the_Shadows schrieb:
Natürlich kann man auch Musik o.ä. reflektieren, keine Frage, aber im Rollenspiel geht es um eine völlig unmittelbare Auseinandersetzung mit dem Vorgestellten. Und da bleibt der Fascho-Spieler vermutlich Fascho, und der Antifascho Antifascho; wie ich mich mit der Vorlage, also dem Regelwerk (das übrigens nicht so eindimensional ist, wie Du behauptest) auseinandersetze, ist also, einfach gesagt, von meiner präsenten Weltsicht abhängig. Daher ist auch die Formulierung, ein Rollenspielsystem "transportiere" einfach diese Inhalte doch zu einfach, dies suggeriert ja, da stehen irgendwelche Inhalte, die dann genau so bei mir ankommen müssen.
Wie ich mich mit einem gegeben Liedtext auseinandersetze, ist ebenso von meiner präsenten Weltsicht abhängig, da besteht überhaupt kein Unterschied, da bleibt der Fascho ... usw. Trotzdem muss ich, denke ich, ein Missverständnis deinerseits aufklären: Dass ein Text etwas "transportiert", heißt nicht, dass er dich überzeugen muss. Die wenigsten Leute werden heute noch von rechter Propaganda überzeugt, nichtsdestotrotz transportiert sie rechtes Gedankengut. Die Inhalte sind trotzdem vorhanden. Werwolf ist vielleicht nicht eindimensional, aber faschistoid. Wer sich das schönquatschen will, soll es tun.
Ivan_of_the_Shadows schrieb:
Im Text (Regelwerk) werden Semantisierungsvorgänge vorgenommen, zB wird innerhalb der Werwolf-Welt bestimmte Dinge als "Gut" gesetzt. Aber der Hauptunterschied liegt wie gesagt darin, dass anders als zB in einem Roman noch eine weitere Semantisierung durch den Spieler erfolgt, und überdies die Rezeption mit einer unmittelbar erfahrenen Reflektion einhergeht.
Falsch, weil der Leser ebenso "Semantisierungen" vornimmt, wie der Spieler; wie kommst du eigentlich auf die hirnweiche Idee, lesen oder Musik hören oder Kunst betrachten sei rein passiv? Selbstverständlich hat der Betrachter immer die Möglichkeit, mit der angenommenen (denn sicher kann man nie sein) Intention eines Kunstwerks nicht einverstanden zu sein.
Ivan_of_the_Shadows schrieb:
Und wenn man Deine Thesen zuende denkt, müsste man doch auch die Doom=Erfurt-These befürworten, oder nicht?
Ähhh, nein, denn dass würde bedeuten, dass ich eine direkte Folge zwischen Werwolf spielen/Nazimuck hören und rechtssein sehe; dem ist nicht so. Ich habe geschrieben, dass Werwolf faschistoides Gedankengut transportiert, nicht dass es jeden Spieler zum Nazi macht, denn das kann weder Kunst noch Konsum. Beide können nur beeinflussen. Dabei ist ein Rollenspiel natürlich sehr viel suggestiver als eine Rockband. Ich wiederhole aber gerne nochmal, dass ich nicht geschrieben habe, dass du ein Faschist bist. Du musst dich nicht verteidigen, nur weil du auf Werwolf reingefallen bist.
Ivan_of_the_Shadows schrieb:
liefer doch eine Begründung am Text noch nach, dann können wir auch inhaltlich darüber reden.
Na gut: Die Werwolfgesellschaft ist prinzipiell nach dem faschistischen "Führerprinzip" gegliedert. Krieg wird als normale Lebensweise dargestellt. Gewalt ist kein Notbehelf, sondern erlaubtes Mittel zum Zweck. Es gibt "rassische Unterschiede" die objektive Wertunterschiede kennzeichnen. Behinderte (Metis) werden als wertlos und schlecht dargestellt; wenn sie doch integriert werden, ist das ein Ergebnis unserer verkommenen Moderne usw.