AW: Barbaren !
Jetzt bin ich aber neugierig. Wie spielt man einen Barbaren gut? Wann spielt man einen Barbarebn schlecht?
Ich hab eigentlich nur das Klischee von Conan aus den Howard-Storys (weniger im Film) dazuz im Kopf. Aber wie nun im Rollenspiel?
Bei Barbaren muß man tatsächlich unterscheiden.
Der comic-hafte Klischee-Barbar Marke "Röhrender Hirsch"
Möchte man einen Barbaren-Typus in einem klischee-geladenen Setting voller Saft und Kraft haben, der dem "röhrenden Hirschen" in der Fantasy-Illustration der letzten dreißig, vierzig Jahre entspricht, dann bekommt man einen größtenteils nackten (trotz Gletschereis und Schneesturm bzw. Wüstenglut und Sandsturm) Fleischberg von immenser Kraft und Ausdauer, dem nichts körperlich etwas anhaben kann, der aber auch geistig so abgestumpft oder abgehärtet ist, daß er zudem auch noch unerschütterlich ist.
Solch einen Klischee-Barbaren kann man recht leicht gut darstellen, da er eine geradezu komisch wirkende Überzeichnung darstellt. - In manchen Rollenspielen ist so etwas explizit gewünscht.
Der kulturverbundene "Stimmungsbarbar"
Möchte man einen Barbaren aus einem weit weniger klischee-behafteten, sondern ausgesprochen einzigartigen Setting wie Glorantha darstellen, dann wird das schwieriger.
Die Orlanthi-Barbaren (die nur eine der bekanntesten Barbaren-Varianten dieser Spielwelt darstellen) sind nicht zivilisiert, wohl aber gebildet. Sie müssen das auch sein, weil sie in einer höchst magisch durchdrungenen Welt leben. Sie leben in einer Zeit, in der sie die Konsequenzen ALLER Entscheidungen ihrer Ahnen seit VOR der Zeit auszubaden haben.
Sie leben in einer Zeit, in der sie ihren Göttern als Letzte die Treue halten, in der sie extrem konservativ ihren alten Weg seit vor der Zeit gehen, im Einklang mit ihren Mythen. Sie leben in einer Zeit, in welcher ihr Siedlungsgebiet von einem bürokratischen, korrupten, perversen, brutalen Imperium bedrängt, ja annektiert wird, und - schlimmer noch - in welchem dieses Imperium versucht ihnen ihre Götter zu nehmen, ihre alten Gottheiten zu pervertierten Knechten der obersten Göttin des Imperiums zu machen, ihnen somit ihre KULTURELLE IDENTITÄT zerstört.
Diese konservativen, gegenüber dem zivilisierten Imperium "rückständigen" Bewahrer ihrer alten Wege der Ahnen, ihrer Götter und ihrer Lebensart, ihrer Kultur, sind Barbaren. Sie haben keine Kamine für ihre Herdfeuer (brauchen sie auch nicht, da sie das Sturmpantheon anbeten und kleine Windelementargeister ihnen die Arbeit eines Kamins abnehmen, egal wo in einem Langhaus ein Herdfeuer eingerichtet ist). Sie haben keine Gasthäuser oder Tavernen (brauchen sie auch nicht, denn sie haben sehr elaborierte Gastfreundschaftstraditionen, die sie penibel einhalten, da diese immer wieder bestätigen, daß sie alle ein Volk sind, verschieden und doch gleich).
Diese Barbaren weisen neben ganz normalen Leuten AUCH MAL den halbnackten, nur mit seinen Runenbemalungen gegen gegnerische Pfeile geschützten und mit seinen Runenamuletten von Windgeistern in die Luft gehobenen starken, zähen Krieger auf. Das ist EIN von vielen möglichen Ausprägungen eines solchen Barbaren-Typus.
Der "Arnold-Barbar"
Nähert man sich der Vorlage für DAS Klischee eines Barbaren schlechthin: Conan, in der Fleischwerdung als Arnold mit langen Haaren, dann sieht man in den Filmen einen vornehmlich sehr hart im Nehmen erscheinenden Charakter. Stark, ja. Das auch. Aber nicht so stark, wie manche seiner Gegner! Wichtiger ist beim Film-Conan seine Nehmerqualität.
Aber er ist auch gebildet! Er hat Philosophie, Religion, Kampfkunst studiert. Er ist charmant genug, daß auch nicht naive Dummchen an Frauen auf ihn stehen. Er ist ein treuer Freund. Jemand der Unfairness, Ungerechtigkeit nicht mag. Er ist auf seine in der Welt verwurzelten Art religiös.
Er hat ernorme Willenskraft und kann selbst direkter Verzauberung nur durch seine innere Stärke widerstehen (was ja viele Pulp-Helden auszeichnet, siehe Jirel of Joiry - die "Vorgängerin" von Red Sonja und anderen späteren Heldinnen). - Der Film-Barbar kommt sehr "kulturarm" daher, strotzt dafür aber vor persönlicher Loyalität, vor charakterlicher Stärke (die die Loyalität seiner Begleiter begründet), und vor einem eigenen Gerechtigkeitsgefühl.
Er ist wie der Gunslinger, der sich an den Code of the West hält, ohne dazu gezwungen zu sein. Einfach aus sich heraus. Weil es so eben RICHTIG ist. Weil er sonst nicht besser wäre, als die Bastarde, die er ständig in die Hölle schickt.
Einen solchen Barbaren darzustellen ist nicht leicht (leichter als einen Glorantha-Barbaren zu geben), weil man hier als Spieler in der Lage sein muß ein spielweltangepaßtes "Code of the West" mit seinem Charakter ZU LEBEN. Wer einen guten Gunslinger spielen kann, der kann auch einen guten Barbaren spielen. Überhaupt ist der Gunslinger wie der Blonde aus The Good, the Bad and the Ugly viel mehr ein Barbar, als viele der idiotischen "Gutlinge im Lendenschurz" aus den schlechten Filmen der "Barbaren-Welle".
Der Sword&Sorcery-Barbar
Hier kommt man langsam dem Roman-Conan (und anderen Helden wie King Kull, usw.) näher. Conan aus REHs Romanen verhält sich genauso als "Zivilisationsflüchtling" wie die Western-Helden von REH. Zitat: "Civilized men are more discourteous than savages because they know they can be impolite without having their skulls split, as a general thing."
REHs Zivilisationsabscheu und sein Verlangen nach etwas EHRLICHEM, was er in ehrlichem GENUSS des Lebens in allen seine Facetten, wie Kampf, Gewalt, aber auch Sex, Freundschaft, Liebe seinen Helden suchen ließ, kommt in diesen prägenden Sword&Sorcery-Geschichten stark durch.
Conan ist der Mensch, dem als FEIND die Zivilisation mit ihren oft aufgrund der undurchschaubaren Komplexität als unfair oder unehrlich empfundenen Härten, Ungerechtigkeiten gegenüber steht. Gegen diesen Feind kann es nie eine wirklich gute Lösung geben. Gegen die Natur (der Kampf ums Überleben von Naturgewalten), sowie gegen wilde Bestien oder andere aggressive Weltbewohner kann sich Conan, Kull, oder die Gunslinger von REH durchsetzen. Hier ist er ganz der Mensch, als der er geschaffen wurde. Doch in dem Moloch der Zivilisation, in den Drogennebeln, den Massen an korrumpierten Menschen, dem Laster ohne Freude, dem Sex ohne Liebe, dem Reichtum ohne Großzügigkeit kommt Conan nicht klar. Hier eckt er an. Hier muß er um sein Überleben kämpfen. Härter und z.T. mit für ihn ungeübteren Waffen (wie z.B. mit Worten).
Bezeichnenderweise findet er die Liebe seines Lebens bei den Piraten, die für ihre "Keine Gefangenen"-Verfahrensweise berüchtigt sind. Er findet Respekt und Freunde auf den wilden Schlachtfeldern und im gemeinsamen Kampf gegen Abscheulichkeiten, die nicht in die Welt gehören.
Es sind nicht alle Bewohner der Welt dieses Barbaren schlecht. Aber die Zivilisation ist es, die die Menschen schlecht macht.
Wobei die Barbaren nicht etwa ohne städtische Kultur auskommen. In Almuric haben die Einwohner des Planeten Almuric ja auch eine Stadtstaaten-Kultur mit vielen Animositäten untereinander und hoher Stabilität als Ganzes entwickelt. Nur stagniert diese Kultur etwas, bis der Held auftritt und "Leben in die Bude" bringt. Das kostet zwar vielen Tausenden das Leben, aber nachher ist diese Welt ANDERS als je zuvor. So kann auch ein Barbar (ein barbarischer Gewalttäter von der Erde in diesem Falle) sich seine eigene Welt erschaffen, die dekadente Sklavenhalter-Zivilisation mit Stumpf und Stil ausrotten und für immer seinen Stempel der Welt aufdrücken.
Um das zu spielen, muß der Spieler schon in den Konflikt mit der Zivilisation eintauchen können UND das Gegenstück, die persönliche Ehre, Standfestigkeit, Loyalität, usw. verinnerlicht haben, die diesen REH-Barbaren-Typus von einem einfachen Asozialen, Unangepaßten, Außenseiter, Kriminellen unterscheidet. Diese Unterscheidung ist WICHTIG!
Conan und ähnliche Barbaren machen Dinge, die man als zivilisierter LESER der Geschichten eigentlich nicht gutheißen kann. Doch werden sie, wegen der inneren Bewegung des Charakters, wegen seiner inneren Ehrlichkeit akzeptabel.
Dies ist im Spiel eine feine Gratwanderung. Bei Barbarians of Lemuria, wo solche Charaktere ja GEWOLLT sind, wird nicht über Regelmechanik so etwas gesteuert, sondern hier muß sich der Spieler selbst zu einem entsprechenden Charakter ENTSCHEIDEN.
Zur "Ehre"-Diskussion:
NATÜRLICH haben auch die unterschiedlichen Barbaren-Typen ihre persönliche Ehre, ihre Familien-Ehre, ihre Stammes-Ehre, usw. - und handeln auch entsprechend bei Verstößen dagegen.
Zur Bildung:
NATÜRLICH sind Barbaren gebildet. Und zwar mehr noch als die zivilisierten Schreibknechte, weil sie oftmals ohne viel schriftliche Aufzeichnungen jede Menge AUSWENDIG lernen mußten. Das ist harte Arbeit. Sie kennen Wege im Unwegsamen, Heilpflanzen und Giftpflanzen, können sich aus Dschungelmaterialien Pfeil und Bogen bauen, oder eine Brücke über einen Fluß, können Eiswüsten überqueren ohne zu verhungern und ohne zu erfrieren, usw.
Der Stamm des Film-Conan war in der Lage die besten Schwerter zu schmieden, die man so bekommen konnte. Das spricht alles GEGEN den "tumben Barbaren", sondern einfach nur für einen Charakter mit begrenzter Kenntnis in zivilisatorisch entwickelteren Eigenschaften. ALLES, was zu seiner Kultur gehört, wird der Barbar auch kennen (Waffenbau, Heilkunst, Tier- und Pflanzenkunde, Götter- und Sagenkunde, Kampfkunst, Menschenführung, usw.)
Wie spielt man nun einen Barbaren RICHTIG?
Einfach nach der jeweiligen ROLLE, die der Barbar in dem betreffenden Setting spielen soll.
Hier kann es natürlich sein, daß das Setting nur Abziehbild-Barbaren haben will, daß im Setting-Fluff die idiotischsten "Barbaren"-Typen dargestellt werden. - Man MUSS ja NICHT dieses Setting bespielen, wenn es schon beim Barbaren-Typen versagt. Es gibt andere Settings, wo man eine große Auswahl an unterschiedlichen Barbaren hat, die für (fast) jeden Geschmack den passenden Barbaren-Charakter bauen lassen.