AW: Aussenwirkung deutscher Rollenspiele
Dann sind diese bö-hösen Bilderbücher eben der "deutsche Stil" (...). Wenn es etwas gibt, das diese Spiele gemein haben (und was sie von manchen erfolgreichen französischen und US-Spielen unterscheidet), dann ist es die von der Vision der Autoren getriebene Veröffentlichung. Degenesis, Engel, Endland sind nicht am Reißbrett entstanden, beruhen nicht auf Marketingstrategien, und das merkt man ihnen (im positiven Sinne) an. Lodland hingegen sind mir zu 100% nach Reißbrett aus.
Wie genau meinst du das? Soll exzessives Planen eines Spiels falsch sein? Hast du ein Beispiel?
Das war keine Wertung, nur eine Beobachtung.
Ich habe vor vielen Jahren schon einmal den französischen Markt mit dem deutschen verglichen und bin zu einer traurigen Bilanz gekommen. Damals habe ich genau das Fehlen von Visionen bemängelt. Das ist heute anders, die genannten Spiele lassen deutlich spüren, dass die Schöpfer mit ihrem Herzblut dabei waren. (Ob ich mit Degenesis und Endland inhaltlich etwas anfangen kann, steht auf einem ganz anderen Blatt...)
Und noch etwas hat sich geändert: Die Zeit der 08/15-Layouts, der biederen Schmidt- und Klee-Spiele Fassungen von DSA und Midgard, sind vorbei. Ich bin erfreut, dass "die französische Optik" auch bei uns Einzug gehalten hat. Bei Degenesis ist sie sogar authentisch französisch; das Cover Design ist von einem Rackham-Grafiker (Confrontation).
Am Reißbrett geplante Spiele werden von ihren Designern einem vermuteten Publikum "auf den Leib" geschrieben. Im Idealfall verinnerlichen die Schreiber die Interessen ihres Publikums so sehr, dass es kaum einen Unterschied zu einem aus Herzblut entstandenen Spiel erkennen lässt.
Robin D. Laws und Monte Cook können das, das sind Profis. Es würde mich nicht wundern, wenn viele der in Frankreich entstandenen Spiele Reißbrettspiele wären. (Zeit der Asche, Oniros, Guildes traue ich das zu.)
Aber wenn man Pech hat, dann bleibt so ein Reißbrettentwurf seelenlos. Wie Lodland.
Das Problem ist, dass wir heute Reißbrettspiele eigentlich
dringend bräuchten, denn alle genannten Beispiele - die bö-hösen Kleinverlagspiele ebenso wie Midgard und DSA - werden für eine Käuferschaft geschrieben, die weitgehend mit den Schreibern identisch ist. Und die Schreiber sind alteingesessene Gamer, die ihre Rollenspiel-Sozialisation in einem Milieu erfahren haben, das es heute nicht mehr gibt. Sie schreiben aber immer noch das, was sie kennen, für ein (immer kleiner werdendes) Publikum, das sie kennen. (Wer will es ihnen verdenken? Ich schriebe auch lieber an einem Stoff, der mir Spaß machte, als an einer ungeliebten Auftragsarbeit.)
Die Herr der Ringe-Filme, der Harry Potter-Boom, jetzt Eragon, der nächste Ghibli-Film - Fantasy war noch nie so präsent im Mainstream. Jeder in der Branche hat auf Potter gehofft, aber niemand hat ein Potter-ähnliches Spiel in der Mache. Der Potter-Boom läuft jetzt seit Jahren, erheblich länger als andere (kleinere) Mainstream-Wellen (Star Trek TNG, Akte X), die man teilweise schon aus Zeitgründen nicht ausschlachten konnte. (Bis ein Spiel fertig entwickelt ist, ist die Welle abgeebbt.) Aber Potter ist planbar gewesen. Und jetzt steht nur noch ein Buch aus;
Harry Potter and the Deathly Hallows ist die
letzte Chance, die Pottermania zu einem Rollenspiel-Einstieg zu nutzen.
Wird sie irgend jemand nutzen...?
Wird sie noch jemand nutzen wollen? Wenn Harrys Geschichte zuende erzählt ist, was bleibt von dem Magie-Internats-Genre übrig?
Wieso verblasst. Es gibt ja eine Neuauflage und zum Beispiel das Magiesystem ist ein positiv zu wertender Einzelgänger seiner Art.
Mit Verblassen war der Ausbruch an Kreativität gemeint. PP&P entstand einsam und allein, es gab nichts, was danach kam. PP&P selbst bleibt ein positives Beispiel (auch wenn es lange nicht lieferbar war).
Dirk