AW: Anti-Klimax ist Scheisse
Was heißt denn schon "Höhepunkt ruiniert"?
Wenn die Spieler alles toll geplant haben, im Vorfeld alle möglichen Widerstände beseitigt haben, und sehr findig und trickreich vorgegangen sind, dann DARF - nein, dann MUSS die Konfrontation mit dem Obergegner glatt gehen. - Frei nach A-Team: "Ich LIEBE es, wenn ein Plan funktioniert!"
Das mag für den Spielleiter mit "Ambitionen" nach einem "Un-Höhepunkt" aussehen, ist aber genau das, was eine nicht an cinematischem oder dramatischem Brimborium und Wischiwaschi-Vorspulen zu den "dramaturgischen Höhepunkten" interessierte Gruppe von Spielern HABEN WILL.
Sehr gute Planung, findige Vorgehensweise, schon im Vorfeld ausgetrickste Gegner, vermiedene Keilereien, umgangene Gegner, vermiedene Fallen, usw. - Das ist zwar alles nicht so actionreich und blutig und brutal, aber es ist AUCH ein Höhepunkt.
Vergleiche mal die ECHTEN Mission Impossible Einsätze (die Fernsehserie, nicht die idiotischen Un-Physik-Special-Effects-Filme ohne Hirn, aber mit E-Meter). Bei Mission Impossible wird SELTENST Gewalt angewandt, es gibt kaum mal Action - rennen und schlagen sind das sichere Zeichen dafür, daß ein Plan nicht gut genug war, daß eine Idee nicht findig genug war, daß etwas schief gegangen ist. - Sich rumkloppen ist das Markenzeichen von Amateuren, von Einfallslosen, von LANGWEILERN, die nur dreinschlagen können und ihren Kopf zum Halten der coolen Sonnenbrille brauchen.
Eine Kampagne, die wirklich ZIELSTREBIG auf einen möglichst eindeutigen Ausgang des Kernkonflikts hingearbeitet hat, die endet zwar ohne knietief durch Blut, Urin und Innereien zu waten, aber das würde ich NICHT als "Anti-Klimax" bezeichnen.
Und ein Spielleiter, der "um die Spannung zum Schluß noch zu steigern" einfach die minutiöse Planung und intelligente Vorgehensweise der Spieler wegwischt und ihnen "Den Spannenden Schlußkampf (tm)" aufzwingt, BESCHEISST die Spieler um ihr ERSPIELTES Finale!
Echte "Anti-Klimax"-Gefühle gibt es nur dann, wenn es wirklich "grundlos" (irgendEINEN Grund wird es regeltechnisch schon geben) zu einem TPK gekommen ist. - Beispiel: Midgard, Unter den Nebelbergen, Auftraggeber ist ein Magier mit zwei Feuerkugeln, die er werfen kann und die mächtig viel Schaden austeilen. Bei einer Begegnung mit Orks macht er beim Werfen einer Kugel einen kritischen Fehler. Diese fällt ihm direkt vor die Füße. Er stand - wie bei Magiern aus Sicherungsgründen üblich - MITTEN in der Gruppe aus sechs Spielercharakteren. Nach dem Auswürfeln des Schadens der ersten Feuerkugel lebten noch zwei SCs, der Rest samt Auftraggeber waren tot. Dann wurde die zweite Feuerkugel, die bei der Explosion der ersten ausgelöst wurde, ausgewürfelt. - TPK. - Einfach so. - Mitten im Abenteuer. - Ende für alle Charaktere.
Das hat sofort "Anti-Klimax"-Gefühle ausgelöst, war aber andererseits ob seiner völligen Zufälligkeit ausgesprochen einprägsam und ein erinnerungswürdigeres Ereignis als ein noch so hart erkämpfter Sieg, denn - mal ehrlich - die SCs SOLLEN doch bei Fantasy-Rollenspielen gegen die Big Bad Evil Guys gewinnen! Sie sind das Siegen GEWOHNT.
Ein TPK aus heiterem Himmel oder auch im Endkampf, weil der Plan eben doch nicht gut genug war, weil die Würfel nicht mit den Spielern waren, weil der Spielleiter seine Gegner schlau gespielt hat - das ist auf alle Fälle WÜRDIGER in Erinnerung zu behalten, als den dreiunddreißigsten "Kampagnen-Beendigungs-Pokal in Gold mit Gravur".
Ich habe hier den Eindruck, als würden manche ein Ende eines Szenarios oder gar einer Kampagne, das nicht EXAKT nach ihren "Planungen" verläuft, als nicht erstrebenswert, nicht akzeptabel, ja gar als schlecht erachten.
Klar, auch ICH habe meine ERWARTUNGEN, wie ein Szenario oder eine Kampagne ausgehen könnten. Diese ändern sich im Laufe des Szenarios oder der Kampagnen oft krass, weil meine Spieler alles anders machen, als ich es je ahnen konnte. - Aber wenn das Ende ein BEMERKENSWERTES ist, dann bin ich letztlich genauso zufrieden, als wenn sie mein "Kampagnen-Ende aus der Instant-Suppentüte" erreicht hätten.
Eine Kampagne, deren Endkonfrontation AUSSERORDENTLICH einfach und mit AUSSERORDENTLICH wenig Gefährdung der SCs verlaufen ist, die ist doch allein deshalb schon AUSSERORDENTLICH!
Man wird sich das merken. Man wird sich daran erinnern, daß GENAU DIESE Kampagne ausnahmsweise mal glatt zu Ende gegangen ist, daß man hier mal Glück hatte, daß man hier mal mit seinem Plan ohne Komplikationen durchgekommen ist.
Klar, wenn man JEDE Kampagne als "Spaziergang" zu beenden gewohnt ist, dann ist das genauso langweilig, wie JEDE Kampagne auf dem Zahnfleisch (und den letzten Trefferpunkten) zu beenden.